Jeder ist seines Schicksals Schmied


Interview mit Fear My Thoughts
Modern Progressive Metal aus Deutschland - Freiburg
„Vulcanus“ heißt sowohl der römische Gott des Feuers und der Schmiedekunst als auch das neue Album der deutschen Melodic Deather FEAR MY THOUGHTS. Um mehr über das frisch geschmiedete Werk zu erfahren, traf eine aufgeregte BLOODCHAMBER Redakteurin Frontmann Matze vor dem Konzert im Leipziger Hellraiser. Was Bauernhöfe, Tischtennis und Tintenfische damit zu tun haben? Nun, lest selbst!

Ihr seid jetzt schon ein Weilchen mit KATAKLYSM, NEAERA und QUO VADIS auf Tour. Wie lief es denn bisher?

Matze: Ich würde mal sagen durchwachsen. Es waren Shows dabei, die richtig, richtig gut waren. Es gab aber auch welche, die...na ja...die Leute waren zwar da, aber Aktivität sieht anders aus. Gestern fand ich ganz spannend, dass direkt nach dem Konzert in dem Club noch ein Brand ausgebrochen ist. Morgens halb 2 standen wir in Kopenhagen und auf einmal war alles voller Polizei und Feuerwehr. Wir haben gestern auch irgendwas verloren, deswegen ist hier grad so ne leichte Aufregung.
Sonst war Berlin richtig gut, Hannover war spitze, Flensburg hat auch viel Spaß gemacht. Wir waren noch nie soweit im Norden, deswegen...klasse!

Und mit den anderen Bands auch alles im grünen Bereich?

Joa...lass es mich so ausdrücken: Wir sind ganz froh, dass wir mit den Jungs von NEAERA in einem Bus sind. Bisher gab es eigentlich keinen langweiligen Abend. Die Penisdichte ist zwar ein bisschen hoch, aber es ist echt witzig. Dadurch dass wir uns schon ne Weile kennen, macht es wirklich Spaß.

Zum Hauptthema: Morgen erscheint Euer neues Album „Vulcanus“. Welche Erwartungen oder auch Hoffnungen legt ihr da rein und seid Ihr überhaupt zufrieden damit?

Lass es mich so ausdrücken: Wenn wir nicht zufrieden gewesen wären, würden wir es ja nicht rausbringen wollen. Wir wussten auch noch nicht, wohin uns die Reise führen würde, als wir angefangen haben, die Lieder zu schreiben, aber sind wir sehr glücklich mit dem Ergebnis. Die Erwartungen? Selbstverständlich wollen wir stinkreich werden, berühmt und nie wieder arbeiten müssen. Ernsthaft, wenn das, was wir machen respektiert wird und wir ein paar neue Hörer dazugewinnen können, ist das schon schön.

Ich persönlich bin sehr begeistert von der Scheibe. Gab es bisher schon viel positive Resonanzen?

Was ich so über Century Media mitbekommen habe, – und selber sucht man ja auch immer nach Reviews – gab es eigentlich nur ein Review, das nicht ganz positiv war. Sonst waren alle eigentlich durch die Bank weg deiner Meinung. Ich bin überrascht, dass es so gut ankommt, weil die Platte ja im Vergleich zum Vorgänger etwas experimenteller ausgefallen ist. Durch die „Hell Sweet Hell“ sind wir ja schon ein bisschen gepusht worden und haben ziemlich viele Leute dazu gewonnen. Wir dachten, wenn wir jetzt so was nachlegen, könnte es eventuell kompliziert werden. Aber glücklicherweise sind die Leute relativ offen darauf zugegangen.

Es hält sich ja auch die Waage zwischen den experimentelleren Sachen und den eingängigen Stücken...

Ja, das ist genau das, was wir auch beabsichtigt hatten: Auf der einen Seite Lieder zu schreiben, die schnell aufgenommen werden können, auf der anderen Songs, die eben schwieriger sind, mehr Zeit brauchen, aber dann auch mehr Substanz haben.

Lass uns doch mal über diese Stücke sprechen. Welche Einflüsse gibt es denn da?

Da musst du mal unseren Gitarristen Patrick fragen. Wenn der jetzt hier säße, würde er sicher sagen, dass da viel 70er Jahre Progressiv Rock drin ist. Pink Floyd, Rainbow und, und, und...mir fallen sie jetzt nicht alle ein.

...du selbst hast also mit dem Songwriting nicht so viel zu tun?

Wir machen es eigentlich immer so, dass die Gitarristen mit Vorschlägen und Riffs ankommen. Wir treffen uns im Proberaum und basteln da alle was zusammen, so dass jeder sich ein stückweit drin wieder findet. Ich selbst kann allerdings weder Noten lesen, noch spiele ich ein Instrument, dementsprechend mach ich dann einfach nur mein Gesang drauf oder beteilige mich an Feinheiten, wenn überhaupt.

Plant ihr denn, Stücke, die man von euch nicht so gewohnt ist, wie „Culture Of Fear“ oder „Vulcanus“, auch live zu bringen?

Ja. Also wir haben jetzt auf der Tour bewusst drauf verzichtet, weil die anderen Bands doch eher so geknüppelte Sachen spielen. Wenn wir jetzt hier mit Schalmeien und Harmonien daher kommen, könnte das bestimmt beim Großteil der Publikums auf Schwierigkeiten stoßen. Aber es ist geplant, zu zeigen, dass es die Seite von uns auch gibt. Ich persönlich habe so den Eindruck, dass wenn bei einem Konzert die ganze Zeit einfach nur durchgeballert wird, die Aufnahmebereitschaft irgendwann nicht mehr da ist. Wenn es die Möglichkeit gibt, ein bisschen Abwechslung reinzubringen, von verschiedenen Bands bzw. innerhalb einer Band, ist es durchaus geplant.

Außergewöhnlich ist auch die Zusammenarbeit mit DESTRUCTION bei „Accelerate Or Die“. Wie kam es dazu? Kann man sogar sagen, das Stück ist ein Schritt zur Versöhnung zwischen altem und modernem Metal?

Eigentlich ist es gar nicht so gedacht. Unser Drummer Norman war früher Drumtech bei DESTRUCTION, und in seinem Proberaum sind auch die auch drin. Soweit ich weiß, hat ihnen die letzte Platte gut gefallen. Sie wollten sogar mit uns auf Tour gehen, was aber aus diversen Gründen, hauptsächlich finanzieller Natur, nicht geklappt hat. Nachdem wir den Song geschrieben hatten, kamen wir auf die Idee, sie zu fragen, ob sie sich vorstellen könnten, da mitzumachen, was sich dann auch ergeben hat.
Das kann man auf der einen Seite natürlich als Brückenschlag sehen. Einige von uns waren früher ziemlich große DESTRUCTION-Fans – als wir noch jung und gutaussehend waren. Heute machen wir eben mit unseren damaligen Helden zusammen Musik.
Auf der anderen Seite auch aus dem Grund, weil uns dieser nie selbst aufgedrückte Metalcore-Stempel immer noch ein bisschen nachlastet; vielleicht auch einfach, um den Leuten zu zeigen, es ist uns scheißegal bzw. ist es sogar Leuten, die das Metal-Ding mit begründet haben, scheißegal.

Stoßt ihr als vielseitig beeinflusste, modern klingende Band auch auf Vorurteile und Intoleranz, die oft seitens „richtiger“ Metaller „angesagten“ Stilrichtungen entgegen gebracht wird?

Auf unserer Tour mit EXODUS, HYPOCRISY, WINTERSUN und NAGLFAR hatten wir ein echt schweren Stand, weil uns die Leute nicht für voll genommen haben und musikalisch damit zu kämpfen hatten. Ich würde jetzt sagen, dass es mir persönlich eigentlich egal ist, was die Leute sagen oder wie sie das nennen, was wir machen. Wichtig ist nur, dass sie uns zumindest mal eine Chance geben. Ich hab jetzt auch schon erlebt, dass wir auf die Bühne gegangen sind und weil wir jetzt eben nicht schwarz, in Leder und langhaarig waren, ist halt ein Großteil der Leute schon mal rausgegangen. Das find ich halt schade. Ich denk jetzt auch, dadurch, dass wir jetzt auf Century Media sind, die schon einen größeren Namen haben. Man merkt halt, dass schon mehr da ist.

Mir fällt eben auch auf, dass einige Bands, die zum Metalcore-Lager gerechnet werden oder worden, und anfangs eben das entsprechende Erscheinungsbild – kurzhaarig usw. – zur Schau getragen haben, mittlerweile auch „metallischer“ aussehen, sprich lange Haare, engere Hosen, Shirts von älteren Metalbands. Will man da vielleicht die Zielgruppe erweitern oder vollzieht sich diese Entwicklung ganz von selbst?

Ich hab eigentlich einfach grad nur kein Geld für den Friseur. Aber ich hab mir vorgenommen, die Matte nach der Tour einfach wieder abzuschneiden, weil’s einfach brutal nervt und anstrengend ist. Ich hab eigentlich, wie auch fast alle von uns, erst Metal gehört, bevor ich zum Hardcore gekommen bin, bis wir dann durch sich mehr und mehr ausprägende musikalische Fähigkeiten, sag ich mal, auch wieder Metal machen konnten. Ist schwierig zu erklären.

Warum heißt denn „Vulcanus“ eigentlich „Vulcanus“? Steckt da ein Konzept dahinter?

Wir wollten die Platte ursprünglich als Konzeptplatte machen, aber dazu gehört, dass man wirklich einen roten Faden hat bzw. dass man eine genaue Vorstellung hat, welches Lied wann auf der Platte kommt, dass man die Texte auch anpasst. Bevor wir ins Studio gehen, wissen wir nie, welches Lied wann auf der CD kommt, dementsprechend haben wir dann die Idee mit dem Konzept wieder verworfen.
Vulcanus ist das römische Pendant zum griechischen Hephaistos (altgriechischer Gott des Feuers und der Schmiedekunst...Anm. d. Verf.). Sämtliche Sachen beschäftigen sich textlich eben mit dieser Schicksalsgeschichte, die mit diesem Gott verbunden ist. Jeder ist seines Schicksals Schmied – das ist so der rote Faden.

Produziert hat euch Jacob Hansen, der schon „Hell Sweet Hell“ in Form gebracht hat. Warum lassen denn so viele Bands ihre Platten in Dänemark produzieren?

Da fragst du mich was! Vielleicht, weil das Klima so gut und die Landschaft so vielseitig ist. Weiß nicht, vielleicht weil da die fettesten Produktionen herkommen. Wir waren das letzte Mal mit diesem Studio einfach zufrieden, deswegen war für uns völlig klar, dass wir da wieder hingehen. Jacob ist auch ein richtig super Typ. Auch wenn drei Wochen in dieser Einöde wirklich sehr lang sein können, hatten wir eine gute Zeit. Du musst dir vorstellen, da ist wirklich nichts, nur dieser alte Bauernhof. Das nächste Dorf ist acht Kilometer weg...

Bandkollegen aus dem Hintergrund: „Sechs Kilometer waren das.“ „Quatsch, nur zwei!“

Matze: Gefühlt aber locker acht. Man kann sich eben so voll auf das konzentrieren, was man macht, und Jacob ist wie gesagt auch ein richtig lustiger Typ, der auch wusste, was wir wollten. Deswegen gehen wir nach Skandinavien. Der Alkohol ist dort sehr teuer, das heißt, man hat die Motivation, nicht ganz so viel zu trinken.

Ihr habt ja auch einen Labelwechsel hinter euch – von Lifeforce zu Century Media.. Was erhofft ihr euch davon? Inwiefern hat sich das bisher schon bemerkbar gemacht, beispielweise bei der Albumproduktion oder bei euren Liveaktivitäten?

Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich mir natürlich erhoffe, dass sich Leute, die uns vorher abgestempelt haben, den Stempel vielleicht noch mal überdenken, vielleicht einen anderen drauftun. Woran man es merkt? Century Media haben durch ihre Größe einfach eine ganz andere Möglichkeit der Promotion. Das merkt man jetzt auf jeden Fall schon. Und was mir so auffällt im Vergleich zu Lifeforce: Bei Century Media waren wir die ersten Wochen die ganze Zeit nur am Verträge unterschreiben. Bei Lifeforce haben wir einmal was unterschrieben, einmal telefoniert und das war’s dann. Wir fühlen uns bei CM bis jetzt eigentlich richtig wohl, nette Leute, die sich da um uns kümmern. Man merkt, dass da richtig was geht. Das ist jetzt mein erster Eindruck. Ich kann noch nicht so viel darüber sagen, weil wir eben noch nicht so lange dabei sind. Treffen wir uns einfach nach der nächsten Platte noch mal und schauen mal, wie’s dann aussieht.

Das relativiert meine nächste Frage, die da wäre, ob das Label Einfluss auf eure musikalische Entwicklung hat.

Absolut gar nicht. Wir haben, wie wir es immer gemacht haben, vor den Aufnahmen Sachen im Proberaum aufgenommen, damit es im Studio dann leichter wird. Die wollten wir eigentlich an Century Media schicken, dass sie ungefähr wissen, was sie erwartet. Aus irgendwelchen Gründen hat das nicht geklappt. Dementsprechend sie die schon mit uns ins kalte Wasser gesprungen und waren aber glücklicherweise zufrieden. Es ist jetzt nicht so, dass uns jetzt jemand sagt, ihr müsst jetzt soundso viel Stücke mit Uffta oder Midtempo einbauen.

Ihr habt jetzt noch eine Tour auf Laufen. Wie sieht es denn in Zukunft aus? Würdet ihr gern auch im weiter entfernten Ausland aktiv werden?

Das ganz große Ziel wäre Japan. Einfach mal eine komplett andere Kultur kennen lernen. Was daraus wird, weiß ich jetzt noch nicht, aber wir arbeiten dran. Wir freuen uns über jedes Angebot, das wo auch immer herkommt.

Zum Schluss noch ein paar ganz spontane Fragen (im Hintergrund amüsieren sich Bandkollegen und Tourkumpanen derweil geräuschvoll beim Tischtennis):

Was ist dein Lieblingssong auf „Vulcanus“?

Schwierig...“Both Blood“ glaub ich.

Die blödeste Frage, die dir jemals in einem Interview gestellt wurde.

Was ist dein Lieblingssong auf „Vulcanus“? Nee, quatsch...ich glaub, das war jetzt zur neuen Platte. Wenn FEAR MY THOUGHTS ein Tier wäre, was sollte das sein? Oder was auch ganz komisch war; zur letzten Platte kamen einige Interviews aus Kroatien oder Ex-Jugoslawien. Die konnte ich nicht mal lesen, weil das Englisch war mit jugoslawischer Grammatik und Worten, die es gar nicht gibt. Die musste ich leider wieder zurück schicken, weil ich sie beim besten Willen nicht lesen konnte.

...und was hast du auf die Tier-Frage geantwortet?

Ich glaub, ich hab gesagt Tintenfisch. Einerseits interessant, wandlungsfähig, intelligent, wo er hin will, kommt er hin, auf der anderen Seite saugefährlich.

Hast du eine Frage an mich?

Was machst du heute Abend?

Mir ein FEAR MY THOUGHTS Konzert anschauen.

Ja, natürlich. Nein, du kommst hier aus Leipzig? Ein ehemaliger Klassenkamerad von mir ist nach Leipzig gezogen. Seit der hier ist, hab ich komplett den Kontakt verloren. Kennst du Michael Hablitschek (oder wie auch immer der geschrieben wird...Anm. d. Verf.)?

Nein.

Schade! Ich hab echt alles versucht. Der ist verschwunden.

Jetzt noch deine einmalige Chance ein paar letzte weise Worte loszuwerden.

Der Hirsch springt hoch, der Hirsch springt weit – warum auch nicht, er hat ja Zeit. Und, der Elefant ist das einzige Tier, das vier Knie hat und nicht springen kann...

...kenn ich schon.

Wieso? Hast du auch Biologie studiert?

Nein, hattest du im letzten Interview mit uns schon erwähnt. Aber sehr spannende Sache!
Vielen lieben Dank für das Interview!



Livefotos von Yvonne
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