Der einzige Zweck ist die Originalität


Interview mit Hacride
Melodic Progressive Death Metal aus Frankreich - Poitiers

Die französischen Prog-Deather HACRIDE balancieren mit ihrem aktuellen Album „Amoeba“ gekonnt zwischen Kunst, metalfremden Sounds und Brutalität und fordern damit Hirn und Herz des geneigten Hörers. Mastermind und Gitarrist Adrien Grousset erklärt den Anspruch seiner Band und verrät außerdem, dass er seine musikalischen Einflüsse nicht im Plattenschrank, sondern auf der Landkarte sucht.

Eure Band hat einen sehr ungewöhnlichen Namen. Wie spricht man den aus? Kannst du uns verraten, welche Bedeutung er hat?

HACRIDE kommt von „acrid“, was soviel wie „ätzend“ bedeutet. Das soll ein schmerzhaftes und verstörendes Gefühl zum Ausdruck bringen. Das H und das E sind einfach bloß rein ästhetische Anhängsel. Man kann es „a la francaise“ oder englisch aussprechen, das ist egal.

In Deutschland kennen nur wenige Leute HACRIDE. Wie sieht es in Frankreich aus? Seid ihr bekannter in eurem Heimatland?

Tja, ich weiß nicht. Es ist schwer, sich darüber eine objektive Meinung zu bilden, aber ja, wir haben ein Publikum in Frankreich, und bestimmt auch außerhalb unserer Heimat. Bei unseren ersten Shows auf der „Amoeba“-Tour konnten wir sehen, dass immer mehr Leute zu unseren Konzerten kommen und sogar die Texte mitsingen können. Das ist wirklich ermutigend. Also schätze ich mal, dass „Amoeba“ vielen gefällt. Warten wir’s ab.

Ich kenne nicht wirklich viele Bands, die aus Frankreich kommen. Im Moment fallen mir nur zwei ein: GOJIRA und ANOREXIA NERVOSA. Gibt es eine große französische Metalszene? Wie kann man im allgemeinen Metal beschreiben, der aus Frankreich kommt?

Es scheint so, als wäre es für uns in der Vergangenheit nicht besonders gut gelaufen. Frankreich hatte, was den Metal angeht, nie einen guten Ruf im Ausland. Heutzutage liegen die Dinge etwas anders. Es taucht eine Art “französischer Touch” auf, der richtig innovativ ist. Vielleicht kam das aus der Verbitterung über den schlechten Ruf. Jetzt geht es bei uns richtig los! Schau dir nur Bands wie ANOREXIA NERVOSA, GOJIRA, SCARVE oder unsere Freunde von TREPALIUM, KLONE und MISTAKEN ELEMENT an! Diese Bands präsentieren einen sehr qualitativen Sound und wachsende Professionalität. Glaub mir, du wirst von ihnen hören.

Erzähl uns doch mal was über die Geschichte von HACRIDE!

Die Band wurde 2002 gegründet, und im selben Jahr veröffentlichten wir unser erstes Demo „Cyanide Echoes“. Nachdem wir einige Zeit live gespielt hatten, entschlossen wir uns dazu, unser erstes Album „Deviant Current Signal“ mit Frank Hueso aufzunehmen, der es uns ermöglichte, 2005 einen Vertrag mit Listenable Records zu bekommen. Dort fanden wir eine Menge Unterstützung und konnten unsere erste Tour durchziehen. Die „Deviant Tour“ war einfach großartig und sehr aufregend. Wir konnten überall in Frankreich und in der Schweiz spielen und beendeten die Reise erst im Mai 2006, um „Amoeba“ zu schreiben. Die Aufnahmen liefen von Mai bis Oktober, wieder mit unserem Freund Frank Hueso. Jetzt sind wir wieder auf Tour.

Ihr seid von Bands wie MESHUGGAH und STRAPPING YOUNG LAD beeinflusst. Was fasziniert euch an diesen Bands? Gibt es noch mehr Bands und Künstler, die euch beeinflusst haben?

Natürlich sind MESHUGGAH und SYL sehr wichtige Bands für uns. Sie brachten, dank des progressiven Charakters ihrer Musik, etwas Neues in den Metal. Aber sie sind nicht die einzigen; wir hören uns eine Menge verschiedener Bands an. Wir mögen OPETH, PORCUPINE TREE und auch DEATH. Genauso mögen wir viel Musik außerhalb des Metals, wie Jazz, Electro, Flamenco usw. HACRIDE ist offen für jede Art von Musik.

Was hat sich deiner Meinung nach von „Deviant Current Signal“ zu „Amoeba“ in eurer Musik verändert? Wie würdest du die Entwicklung der Band und deine eigene als Musiker beschreiben?

Wir sagten immer: „DCS hat uns in eine Richtung gelenkt, „Amoeba“ wird uns helfen, dort zu bleiben“, und ich denke nicht, dass ich anmaßend bin, wenn ich sage, dass das stimmt. Wir wollten nicht bis zum vierten oder fünften Album warten, um unseren Sound festzulegen. Ich denke, wir haben das Notwendige unternommen, um „DCS“ zu analysieren zu können, und die Tour ließ für uns einige Dinge klarer werden. Was ich damit meine, ist, dass „Amoeba“ aus diesem Zusammenspiel – dem Hören, Performen und musikalischem Nachforschen – geboren wurde. Deswegen glaube ich auch, dass das Album auf CD genauso kraftvoll rüberkommt wie live.

Was hat es mit dem Albumtitel auf sich? Amöben sind Einzeller, die ihre Gestalt verändern. Spiegelt diese Tatsache den Charakter eurer Musik wider? Oder irre ich mich, und ihr wolltet mit der Wahl dieses Titels etwas völlig anderes ausdrücken?

Wie üblich war die Wahl des Titels keine einfache Sache. Wir wollten einen runden und dehnbaren Titel für die Platte, wenn du weißt, was ich meine. Tatsächlich suchten wir etwas, das nicht wie der Titel einer Metal-Scheibe klingt, weil uns am wichtigsten war, dass sich der Charakter des Albums so offen wie möglich gestaltet. Aus diesem Grund denke ich, dass „Amoeba“ eine wirklich gute Wahl ist. Auch für das Artwork war der Name des Albums von größter Wichtigkeit, weil es den Ton darstellt, den wir ihm geben wollten. Das ist das erste, was die Leute sehen, wenn sie auf ein Album aufmerksam werden, das Hören ist erst einmal sekundär.
Wir entwickelten die Texte, das Artwork und Teile des Sounds nach diesem Thema. Es kann als eine Art umfassendes Thema betrachtet werden, nach dem dieses Album strukturiert wurde. Wir können nicht leugnen, dass unsere Musik auf eine Art komplex ist, aber ich denke, dass dieser Titel es einem erlaubt, die Platte etwas ruhiger zu erfassen. Eine schlichte Hülle, ein flexibler Name, und dann der Blast!

Mit dem Coversong „Zambra“ habt ihr auf eurem Album etwas sehr originelles hervorgebracht. Wie kamt ihr auf die Idee, diesen Song zu verwirklichen?

OJOS DE BRUJO (von denen das Original stammt) ist eine Band, die ich besonders mag. Sie spielen einen Mix aus traditionellem Flamenco und modernen Parts, die sich wie Rock anhören. Es ist eine tolle Kombination, die unsere Vision von Musik teilt und sich anderen Kulturen öffnet. Ich kam bei einer Reise nach Barcelona auf diese Band und fand besonders „Zambra“, das wirklich groovig ist, sehr beeindruckend. Ich beschloss, daran zu arbeiten und es umzuarrangieren. Wir dachten, es wäre eine gute Idee, diesen Song auf dem Album zu haben, also nahmen wir Kontakt zu der Band auf, die auch sofort einverstanden war.
Sie waren sogar damit einverstanden, sich an unserer Interpretation des Stücks zu beteiligen. Max und Marina spielten mit uns und arrangierten den Gesangspart um, damit er zu unserer Version passte. Das Ergebnis ist mehr als fantastisch!
Dieser Song ist Teil des Risikos, das wir mit diesem Album auf uns genommen haben. Wir streben danach, das zu tun, wonach wir uns fühlen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was in kommerzieller Hinsicht für die Band profitabler wäre. Das bedeutet, der einzige Zweck dieser Zusammenarbeit ist die Originalität.

Wie können wir uns die Entstehung eines HACRIDE-Songs vorstellen? Beschreibe doch mal den Prozess von der Idee zum fertigen Song!

Genau wie beim ersten Album habe ich „Amoeba“ im Alleingang komponiert. Das garantiert, dass die Kompositionen homogener klingen. Beim Komponieren suchte ich nach Rhythmen und Melodien, die ihren Ursprung außerhalb der Metal-Szene haben. Ich arbeitete sehr viel mit südamerikanischer (Bossa Nova, Samba usw.) und spanisch-arabischer Musik wie Flamenco oder Folklore aus Maghreb (die nordafrikanischen Länder Marokko, Algerien und Tunesien). Ich denke, die Kraft unserer Band kommt aus ihrer Offenheit für verschiedene Musik-Kulturen.

Versuche, „Amoeba“ nur mit drei Worten zu beschreiben!

Ich würde sagen: aufgeschlossen, progressiv und extrem.

Plant ihr eine Tour?

Ja, sie ist schon geplant. Wir werden von März bis Dezember oder sicher auch länger auf Tour gehen. Wir vermissen die Konzert wirklich und wollen „Amoeba“ unbedingt live spielen. Wir machen eine Europa-Tour im September und werden im Juni auf dem Hellfest (Festival in Clisson/Frankreich) spielen.

Last But Not Least: Wie würdest du unsere Leser davon überzeugen wollen, euer Album zu kaufen?

Wenn ihr auf dichte, komplexe und gefühlvolle Musik steht, hat „Amoeba“ einen Platz in eurem CD-Regal verdient. Ich kann nicht gut Werbung machen, aber ich denke, wenn ihr ein Ohr riskiert, wird das Album bei euch sicher einen großen Eindruck hinterlassen – gut oder schlecht.

Vielen Dank für das Interview!

Danke für alles, besonders für das Interesse, dass ihr uns schenkt! Ich hoffe, wir sehen uns auf Tour. Cheers!
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