Wer die Jugend hat, hat die Zukunft


Interview mit Die Skeptiker
Punk aus Deutschland - Berlin
Interview mit Eugen Balanskat vom 01.12.2007 in Chemnitz im AJZ.
Ihr könnt euch das Interview auch als mp3 auf www.mosh-club.de.vu runterladen und Eugen beim berlinern zuhören.

Es kommen immer neue Leute in die Szene, daher wäre es schön wenn du in ein paar Sätzen die Bandgeschichte vorstellen könntest.


DIE SKEPTIKER haben sich 1986 gegründet und haben gleich bei den ersten Konzerten im Frühjahr 1987 tierischen Zulauf und Erfolg gehabt. Wenige Jahre später kam die Wende, da haben wir unseren zweiten Longplayer „Sauerei“ veröffentlicht, der auch deutschlandweit sehr gut angekommen ist. Mit dem sind wir dann auch zum ersten Mal in Westdeutschland unterwegs gewesen. Von da an haben wir kontinuierlich Tonträger veröffentlicht. 2000 gab es den Bruch in der Band. Unser Gefühl war, dass das Interesse nachgelassen hatte, weil Techno einen riesen Hype hatte und sich unsere letzte Scheibe „Wehr dich“ aus dem Jahr 1998 nicht gut verkauft hatte. Wir dachten, wir hätten ein super Material abgeliefert, das ist damals aber nicht so erkannt worden und wir waren so frustriert, dass wir es sein gelassen haben. Die Verkäufe waren so weit weg von der Kostendeckung, dass es uns schon peinlich war. Inzwischen hat sich die Platte aber über einen langen Zeitraum ganz gut verkauft.

Im letzten Jahr kam dann unser Gitarrist Rudi, der auch das Label Rozbomb Records gegründet hatte, auf die Idee, dass es eine gute Sache wäre ein 20jähriges Jubiläum zu feiern. Ich hatte erst ein paar Skrupel, weil ich mir nicht sicher war, ob wir die alten Fans noch mal bewegen könnten zu unseren Konzerten zu kommen und inwiefern neue dazukommen. Das kann man immer schlecht einschätzen wenn man nicht präsent ist. Aber wenn es schief gegangen wäre hätte es niemanden geschadet und wenn es ein Erfolg wird, toll. Die Konzerte waren aber alle super besucht und die Fans waren so euphorisch, dass sie uns jeden Abend gebeten haben, dass wir weitermachen sollen und neue Platten veröffentlichen sollen. Das war unglaublich, so dass wir wegen des Interesses weitergemacht haben, obwohl die Tour nur als einmaliges Ding geplant war. Das faszinierende war, dass die ersten drei Reihen voll mit jungen Leuten waren, die uns noch nie gesehen haben konnten. Die waren richtig textfest und haben alles mitgesungen, da waren wir richtig verblüfft.

Jetzt haben wir mit „Dada in Berlin“ eine Best-of eingespielt, die die unserer Meinung nach beliebtesten Titel enthält, da die alten Tonträger schon eine Weile nicht mehr in den Läden erhältlich sind. Dann haben wir noch zwei neue Songs dazugepackt, die schon mal einen Vorgeschmack geben sollen auf das neue Studioalbum, das nächstes Jahr erscheinen soll.

Okay, du hast jetzt schon meinen ganzen Fragezettel abgearbeitet.
Man hört bei Punkbands oft die Kritik bei Best-ofs, dass sie Geld scheffeln wollen. Was würdest du da jetzt entgegenhalten?


Das ist totaler Schwachsinn, uns wurde früher schon immer nachgesagt, dass wir tierisch Kohle machen, aber Geld haben wir mit den Platten nie verdient. Die letzten vier Studioalben, die wir bei Rough Trade und bei Dröönland Production gemacht haben, waren alle nicht mal kostendeckend. Also so viel zum Thema Geld scheffeln. Und selbst heute ist es so, dass drei von uns in diversen Bands spielen um klarzukommen, und die anderen gehen richtig arbeiten für ihr Geld. Wenn man uns so was vorwirft, kann ich darüber nur lachen, weil es absolut nichts mit unserer Lebensrealität zu tun hat. Wir hatten Lust drauf mit den Neueinspielungen den Songs ein bisschen mehr Härte zu verleihen und den Sound ein bisschen knackiger zu machen als wir es damals hinbekommen haben. Das war eigentlich unsere Hauptmotivation.

Also kann man auf diesem Level nur über die Konzerte ein bisschen Geld verdienen.

Wir sind nicht MICHAEL JACKSON oder METALLICA. Da wird immer so schnell was zusammengefaselt vom großen Geld. Ich hab das große Geld noch nicht gesehen, nicht mal aus der Ferne. Wir erwarten auch jetzt kein großes Geld, denn Musik ist das, was mir am meisten Spaß macht in meinem Leben. Wenn wir nicht auf Tour sind, müssen wir richtig hart arbeiten und das ist mir zu frustrierend als Lebensinhalt. Musik ist einfach eine tolle Sache wenn du dich da artikulieren kannst und du tolle Konzerte hast. Das macht einfach tierisch viel Spaß und deshalb können viele, die Jahrzehnte unterwegs sind, nicht davon lassen, egal wie groß oder klein sie sind. Wenn der Abend gut läuft verschafft das dir einen Kick, den kannst du dir mit keinem Fick holen, um es mal ein bisschen prollig auszudrücken. Der Kick ist seltener, du hast eher mal eine Nacht mit einer Frau als ein super Konzert. Das kann man schlecht beschreiben für jemanden, der es nicht erlebt hat, es ist aber eine fantastische Sache.

Du hast es schon angesprochen, dass ihr auch noch in anderen Bands spielt. Wie sieht es denn im Dezember aus wenn ihr auf Tour seid und gleichzeitig auch MAD SIN, bei denen euer Schlagzeuger Andy spielt?

Andy hat bei uns zugesagt. MAD SIN sollten eigentlich im November eine Tour in Australien haben, die sie aber kurzfristig verschieben mussten. Daraufhin haben sie sich wieder kurzfristig hier eine Tour zusammengestellt, Andy hatte aber schon im Sommer bei uns zugesagt, da das Booking schon immer Monate vorher läuft. Bei MAD SIN wird Steve Machine aus Berlin trommeln, der auch schon ein paar Mal für Andy eingesprungen ist.

„Dada in Berlin“ kursierte schon zwei Monate vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin auf diversen Internetseiten.

Als Ankündigung...

Nein, als kompletter Download.

Iiih.

Wie steht ihr denn zu dem Thema Internet und Filesharing?

Wie geht denn so was? Da muss ja einer eine Promo ins Internet gestellt haben. Das finde ich eigentlich ein bisschen unfair. Rudi, unser Gitarrist, hatte ja ein kleines Label gegründet und hatte einiges an Geld investiert, denn Studiokosten fallen ja immer an. Das geht wirklich an die Substanz, es kann sich ja niemand leisten nur Geld auszugeben und die Kosten nicht wieder reinzukriegen. Ich versteh schon, dass die jungen Leute da schnell dabei sind sich im Internet Sachen zu ziehen, aber bei kleineren Bands sollte man fair bleiben und nicht alles umsonst aus dem Netz saugen, damit macht man die Bands auch tot. Du kannst es dir nicht leisten nur Geld für Produktionen und Platten auszugeben und dann richtig arbeiten gehen zu müssen um sie finanzieren zu können.

Andererseits stellen ja viele kleine unbekannte Bands mittlerweile selber ihre Platten rein, damit die Leute sie kennen lernen und zu den Konzerten kommen.

Wenn man uns gar nicht kennen würde, dann würde ich das vielleicht auch mal probieren, aber uns gibt es mittlerweile 20 Jahre und das kann ich mir nicht leisten. Rudi hat da wirklich zigtausend Euro ausgegeben um die Produktion zu ermöglichen und das kann man jetzt nicht einfach zum Download ins Netz stellen, das geht nicht.

Bei der Recherche zu diesem Interview bin ich auf ein Interview von dir im Zillo aus dem Jahr 1997 gestoßen, wo du ansprichst, dass man mit Musik was bewegen kann, du sprichst das Thema Umweltschutz an und dass es in der Bundesrepublik brodelt und demnächst was passieren wird. Wie beurteilst du solche Interviews von dir im nachhinein?

Mittlerweile glaube ich nicht mehr daran, dass man mit Musik oder Kunst im allgemeinen was bewegen kann, man kann höchstens Denkanstöße geben. Aber man erreicht meistens sowieso nur Leute, die mit dir auf einer Wellenlänge sind, denen brauchst du die nicht geben, die haben sie schon. Leute, die sich keine Gedanken machen wollen, die rezipieren auch keine Musik oder Kunst. Ich glaube nicht, dass man mit Musik was auslösen kann außer ein Gefühl von Gemeinsamkeit zu schaffen, jemandem, der zu Hause in der Bude sitzt und denkt, die Welt ist scheiße und ich bin so alleine und keiner hilft mir, das Gefühl geben, dass er nicht alleine ist.

Um es mal überspitzt zu formulieren, kann Kunst heutzutage keine revolutionäre Ereignisse mehr auslösen. Dafür braucht man eine Massenbasis und eine Massenbasis im Sinne einer großen Masse zu kreieren ist heutzutage echt schwierig, denn die Möglichkeiten der Unterhaltung und der politischen Information sind so was von vielfältig, dass man immer nur kleine Kreise erreicht. In der DDR waren alle eingesperrt und haben alle aus dem gleichen Fundus des Angebots geschöpft, da hattest du gleich alle, die es interessiert hat. Heute hast du Spielekonsolen und Kino und tralala und du bist immer nur ein kleines Teil mit deinem Angebot. Und über dieses kleine Teil eine Masse zu begeistern ist schon bedeutend schwerer als vor zehn oder 15 Jahren.

Auf eurer MySpace Seite hat jemand den Kommentar gepostet, „ihr wart ein Teil meiner Jugend“. Wie geht ihr mit solchen Aussagen um wenn gleichzeitig das Publikum heute aus vielen Leuten unter 20 besteht?

Ist doch eigentlich ne tolle Sache, Honecker hat immer gesagt, wer die Jugend hat, hat die Zukunft. Scheiß auf Honecker, nicht dass ich dem eine Träne nachweinen würde, aber es ist doch schön wenn nicht nur Fans von einst kommen, sondern auch immer wieder neue Leute, die uns noch nicht kennen aber kennen lernen wollen. Um mal ein Faszinosum zu nennen, zu den ROLLING STONES rennt ja heutzutage alles hin, von der Oma bis zum Enkel. Aber wenn du so einen Effekt erreichen kannst, generationsübergreifend interessant zu sein, finde ich das einfach eine sehr spannende Sache.

Gibt es da eine Entwicklung in der Punkszene, wenn du so die letzten 20 Jahre zurückdenkst?

Wir haben halt lange nichts gemacht, sechs Jahre Pause sind in der Musik eine verdammt lange Zeit. Mich hat mal jemand gefragt, wen ich von den aktuellen unbekannteren Bands am besten finde, da kannte ich mich nicht so aus. Heute sind wir mit ein paar Kollegen auf Tour, aber vorher kannte ich die auch nicht. Da habe ich momentan nicht so den Einblick, aber die letzte internationale Produktion, die mich total begeistert hat, war BILLY TALENT. Da habe ich mir vor zwei Monate die erste Scheibe geholt, da fand ich einfach jeden Song total hammer und dachte, das ist moderner Punkrock. Punk entwickelt sich wie jede Musikrichtung, aber das ist so böse auf den Punkt gebracht, da hat es mir einfach nur Freude gebracht die Scheibe zu hören.

Du hast das neue Album vorhin schon angesprochen, in welche Richtung wird es gehen, wie wird es werden, habt ihr schon Ideen?

Wir sind gerade schwer am werkeln, wenn wir keine Konzerte haben, stehen wir im Studio und basteln an den Sachen. Was mich gefreut hat, wir haben auf dem „Dada in Berlin“ Album zwei neue Stücke, wo viele Leute in den Rezensionen geschrieben haben, dass die sich in das Gesamtwerk so gut einfügen, dass man gar nicht merkt, dass das neue Sachen sind. Und genau so soll es sein, wir wollen nicht plötzlich vom Punk zum Techno gehen, sondern unserer Stilistik treu bleiben, und so wird das Album auch sein.

Habt ihr Einflüsse aus den anderen Bands, in denen ihr alle spielt? Das ist ja nun eine bunte Mischung, z.B. MAD SIN, EXTRABREIT, KUMPELBASIS und CULTUS FEROX.

Ja stimmt, von Mittelalter über Neue Deutsche Welle bis weiß der Geier. Das würde man jetzt so wahrscheinlich nicht artikulieren, aber sicher werden da Sachen von den anderen Leuten mit einfließen, allerdings nichts so, dass DIE SKEPTIKER jetzt Mittelalter-Punk machen. Seine Vergangenheit und andere Kontakte wird man ja nicht so abschütteln können, aber wir sind halt bestrebt, die Sachen, die wir kreieren, in den SKEPTIKER Kontext zu setzen. Wir werden unserer Stilistik treu bleiben und da wird niemand mit einer abgedrehten Mittelalter Kiste kommen, aber natürlich wird jeder seine persönlichen Einflüsse einbringen.

Wann habt ihr grob die Veröffentlichung geplant?

Ganz grob, Herbst 2008.

Zum Abschluss darfst du dir noch ein Lied für die Radiosendung wünschen.

Einen alten Klassiker: DEAD KENNEDYS - „Holiday in Cambodia“
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