Auf der Suche nach Herausforderungen und Kaffee


Interview mit As I Lay Dying
Metalcore aus USA - San Diego, CA
Für harte Arbeit bekommt man etwas. Zum Beispiel eine Headliner-Tour. Die kalifornische Energiewalze AS I LAY DYING rollte wieder durch deutsche Lande und brachte auch im lauschigen Chemnitz alles zum Toben, was Beine hatte. Vor der Show ging es dafür sehr gesittet zu. Drummer Jordan Mancino ließ sich mit einem Kaffee in der Hand zum Interview bitten und plauderte über Tour, Fans, Album und befreundete Black Metal Bands.


Yvonne: Wie läuft die Tour bisher?

Jordan:
Sehr gut. Wir waren gerade für fünf Shows in Großbritannien. Dann sind wir hier rüber gekommen. Es ist fantastisch! Als wir noch drüben in England waren, konnten wir es kaum erwarten, nach Deutschland zu kommen. Das ist wirklich der Teil der Tour, auf den wir uns am meisten freuen. Uns gefällt es hier. Es fühlt sich fast wie ein zweites Zuhause an. Die Fans sind toll.

Ihr seid wirklich oft hier. Letztes Jahr habt ihr hier auf ein paar Festivals gespielt und dann noch eine Headliner-Tour dran gehängt. Jetzt seit ihr wieder für ein paar Shows hier, und im Sommer werdet ihr wiederum auf dem Wacken-Festival spielen...

Da freuen wir uns auch schon riesig drauf. Wir spielen am selben Tag wie CARCASS und AT THE GATES. Deswegen sind wir schon sehr aufgeregt. It's awesome!

Was sind denn eure Eindrücke von Deutschland und den Fans hier? Was ist hier beispielsweise anders, als in den Staaten unterwegs zu sein?

Bevor wir nach Deutschland kamen, waren die Staaten unser stärkster Markt. Zwischen dem letzten Album und diesem haben wir ne Menge Shows hier gespielt und jetzt wieder. Die Shows sind größenmäßig genau so wie die in den USA. Keine Ahnung, aber die Fans sind so großartig hier. Soviel haben wir nie erwartet – eine wirklich leidenschaftliche Fanbasis. Ich denke, dass ist auch der Grund, warum wir uns hier so wohl fühlen.

Björn: Gibt es einen Unterschied zwischen den Fans in den verschiedenen Ländern?

Ich denke, das Publikum ist überall klasse. In manchen Märkten (O-Ton: „markets“...Anm. d. Verf.) ist es ein wenig jünger, zum Beispiel in Großbritannien. Was Energie und Beteiligung angeht, sind sie eigentlich alle gleich, was vor allem an unserer aggressiven Musik liegt. Die bewirkt bei allen das Gleiche.

Björn: Viele Bands erzählen, dass die Fans in Russland oder in Südamerika völlig austicken...

Außerhalb der Konzerte reagieren die Fans etwas unterschiedlich. Sie sind ein bisschen anstrengender, wenn man das so sagen kann. Ihre Reaktionen der Band gegenüber sind anders. Es ist, als ob sie Michael Jackson sehen würden. Sie drehen durch und so. Ich denke aber, das ist eine kulturelle Sache. Es hat nichts damit zu tun, dass sie die Band mehr mögen als andere.

Yvonne: Reden wir doch mal über euer aktuelles Album „An Ocean Between Us“. Warum habt ihr euren Stil damit so verändert?

In mancher Hinsicht hat sich auf dem Album viel verändert, in anderer nicht. Viele Leute hören es und wissen noch, dass es unsere Band ist. Man kann unseren Grundsound immer heraus hören. Wir wollten eine abwechslungsreichere Platte machen, ein paar druckvolle Songs, ein paar langsamere, einige dunklere und melodische Songs. Uns war es wichtig, das Album als Band zu schreiben und nicht als einzelne Songwriter. Es ist das erste Album, auf dem wir die Chance und die Zeit hatten, das zu tun. Der Großteil entstand im Proberaum. Wir haben dort einfach alle Songs wachsen lassen und so versucht, jedermanns Stärke mit einzubringen.

Manche Leute sagen, dass sie euch auf dem Album gar nicht wieder erkennen...

Manche Leute meinen, dass die Veränderung groß ist, andere nicht. Das hängt ganz davon ab, mit wem man spricht. Songtechnisch ist es auf jeden Fall besser, vor allem abwechslungsreicher. Ich denke, dass alle AILD-Fans das Album mögen könnten; schließlich ist noch sehr viel von dem alten Zeug rauszuhören. Es ist auch das erste Album, dass wir zusammen als Band geschrieben haben und auch das Beste, was wir je gemacht haben. Das ist genau das, was wir immer wollten. Ich denke, unsere Fans wissen das auch ganz genau.

Welche Reaktionen habt ihr denn bisher darauf bekommen?

Scheint so, als ob es jeder mag. So weit ich weiß, findet die Mehrheit der Presse es gut. Für jedes gute Review bekommt man natürlich auch ein schlechtes. Kommt ganz auf die Person an, die es schreibt. Aber die Fans mögen es. Während der Konzerte singen sie bei den neuen Songs oft lauter mit als bei den alten, also scheinen sie es wohl zu mögen.

Hatte euer Produzent Adam D. Einfluss auf das Album?

Wir hatten das Album geschrieben, bevor wir ins Studio gingen. Also wurden 11 der neuen Songs nicht mehr angefasst. Bei einem Song hat Adam uns geholfen: „Wrath Upon Ourselves“. Es war der letzte Song, den wir geschrieben haben – er war irgendwie ein bisschen verwirrend für uns. An allen anderen hatten wir so hart gearbeitet. Alles was geändert werden musste, hatten wir bereits verändert. Die einzige Arbeit, die Adam hatte, war, mit uns die Instrumente einzuspielen und das Beste aus jedem herauszuholen. Wir haben das erste Mal mit einem außenstehenden Produzenten gearbeitet. Das Einspielen war bestimmt die schlimmste Woche meines Lebens, aber auch die beste Erfahrung, die ich bisher gemacht hatte. Er hat mich ziemlich angetrieben; das hat bisher so noch keiner gemacht. Mit den anderen war es genauso. Es war großartig, mit ihm zu arbeiten. Da er ein Freund von uns ist, wussten wir, dass er gute Arbeit leistet. Es war wie mit einem Freund im Studio zu arbeiten, ein toller Produzent, dessen Meinung man wirklich respektiert.

Habt ihr schon Pläne für die nächste Platte?

Schauen wir mal, was passiert, wenn wir da angekommen sind. Ich glaube nicht, dass einer von uns schon angefangen hat, über eine neue Platte nachzudenken. Es fühlt sich an, als hätten wir gerade erst eine fertig gestellt. Wir sind gerade auf Tour. Wenn wir wieder zurück sind und Zeit haben, werden wir wieder was schreiben und herausfinden, was wir tun wollen. Wir schreiben nicht so gern Songs, wenn wir unterwegs sind.

Nehmt ihr euch die Erwartungen der Fans oder die Pressekritiken beim Songwriting zu Herzen?

Ich denke mal, das tut jeder ein bisschen. Aber wichtiger war uns, ein Album zu schreiben, mit dem wir glücklich sind, die das Wesen eines jeden in der Band einfängt und auch jedermanns musikalische Einflüsse. Hauptsächlich hören wir alle Metal, aber jeder hat so viele verschiedene Einflüsse. Wir sind alle anders und gehen anders an das Songwriting ran. Zu aller erst wollten wir eine Platte machen, mit der wir alle glücklich sind. Wenn die Presse es mag, mag es jeder. Was kann man da machen? Die werden nicht alles mögen. Wir wollten eine Platte machen, die schnell und aggressiv ist, nicht eine, die jeder mag.

Kannst Du einen AILD-Song nennen, der eine besondere Bedeutung für Dich hat? Oder den Du besonders gern live spielst?

Ich spiele alle die neuen Songs gern live. Tut mir leid, dass ich nichts Genaues nennen kann, aber die neuen Songs machen wirklich Spaß. Was das Schlagzeug spielen angeht, ist die Herausforderung natürlich größer als bei den älteren Songs. Ich mag es, herausgefordert zu werden und mich an meine Grenzen zu treiben. Aber eigentlich spiele ich jeden Song gern, wegen der Reaktionen und der Energie des Publikums.

Björn: ...und einen Song, den Du nicht magst? Vielleicht einen der älteren?

Ich probe die alten Songs nicht gern, weil ich sie schon sehr oft gespielt hab. Sie live zu spielen ist immer noch klasse, aber das Zeug zu proben, was man schon tausendmal gespielt hat...

Yvonne: Was ist das Wichtigste, was Du auf Tour bei Dir haben musst?

Vor allem saubere Kleidung...und Kaffee. Kaffee ist sehr wichtig. Nach dem Aufwachen bin ich zuerst auf der Suche nach Kaffee, damit mein Tag richtig anfangen kann. Manchmal kommen wir gar nicht richtig zum Schlafen, weil wir viel fliegen. Ich hatte schon lange keinen normalen Tagesablauf mehr, also ist Kaffee ein besonders guter Freund von mir.

Björn: Wie sieht es mit Schmerzmitteln aus? Einige Bands nehmen viele davon auf Tour...

Nein, brauchen wir nicht wirklich. Wenn wir krank sind, nehmen wir manchmal Erkältungsmittel. Die Schlafkojen und Matratzen in den Bussen haben meinen Rücken auch total versaut. Da kann ich kaum noch schlafen...

Yvonne: Habt ihr bestimmte Überlebensstrategien auf Tour?

Wenn es die Zeit erlaubt, wärme ich mich vor den Gigs ein oder zwei Stunden auf. Wir werden alle nicht jünger, also müssen wir ein bisschen Stretching machen. Wenn ich mein Bestes geben will, muss ich mich aufwärmen. Man muss seinen Körper immer fit halten, damit man nicht krank oder ausgebrannt wird.

Also gibt es bei euch nicht jeden Tage eine Party und viel Alkohol?

Wir sind normalerweise sehr ruhig. Meistens sind wir nach der Show sehr erschöpft und gehen mehrheitlich zu Bett. Ziemlich langweilig, oder?

Denkt ihr als christliche Band, dass Religion im Metal und Hardcore ein Thema sein sollte? Sollte Musik als Medium für religiöse oder auch anti-religiöse Botschaften dienen?

Wir sind sehr leidenschaftlich bei unserem Glauben. Wir denken, dass es wichtig ist, für die Dinge, an die glaubt, einzustehen und dafür auch zu kämpfen. Natürlich nicht mit gewaltätigen Mitteln. Es ist wichtig, dass die Leute wissen, an was wir glauben und warum. Es gibt natürlich viele Bands, die mit ihrer Einstellung auf der anderen Seite des Spektrums sind. Aber wir haben mit solchen Bands getourt, sind Freunde geworden und respektieren uns gegenseitig. Sie kämpfen für ihre Sache und sind sehr leidenschaftlich, was das angeht, genau wie wir. Wir sind uns nicht einig, aber wir spielen zusammen und reden miteinander. Wir hatten viele gute Gespräche mit Bands, die unsere Einstellung nicht teilen. Wir wollen die Leute zum Denken bewegen, sie dazu bringen, dass sie sich für das einsetzen, an das sie glauben.

Was hälst Du davon, dass eine Black Metal Band heute bei eurer Aftershow-Party spielt?

Oh, that's fine! Wir haben viele Shows mit Black und Deathmetal Bands gespielt. Sogar zwei Touren mit BEHEMOTH. Ihre Einstellung ist konträr zu unserer, aber wir sind trotzdem Freunde geworden. Wir wollen nicht, dass wir mit Bands nicht spielen können, die einen anderen Glauben haben als wir. Für uns ist das der ganze Kern des Glaubens: Wir wollen uns mit diesen Leuten abgeben, auch wenn sie anderer Meinung sind, weil das uns die Möglichkeit gibt, mit ihnen zu sprechen. Ob sie mit uns einer Meinung sind oder nicht, ist ihre Sache. Wir wollen uns da nicht in unserer Blase verkriechen.

Ihr unterstützt eine Anti-Abtreibungskampagne. Kannst du dazu ein Statement abgeben?

Niemand von uns hält etwas von Abtreibung. Manche Leute haben eine andere Auffassung davon, was ein lebendes Wesen ist und in welchem Stadium es im Mutterleib ein Mensch wird. Nach den Dingen, die wir im Laufe der Jahre gelernt haben, denken wir, dass jede Empfängnis bereits ein menschliches Wesen ist. Die betreffende Person hat dieses Baby aus einem bestimmten Grund empfangen. Man kann einem menschlichen Leben keinen Wert zumessen, ich denke, es ist unbezahlbar. Wer kein Baby will, sollte es lieber zur Adoption freigeben. Auf eine Person, die abtreibt, kommen bestimmt zwei oder drei Elternpaare, die keine Kinder haben können und das Kind sofort adoptieren würden. Wir nehmen diese Sache sehr persönlich.

Als ich ein bisschen bei YouTube suchte, hab ich ein Video, das euer Frontmann Tim für PETA gemacht hatte. Unterstützt ihr solche Organisationen oder setzt ihr euch für Umwelt- und Tierschutz ein?

Es ist eher ein Symbol. Niemand von uns ist Veganer oder Vegetarier. Wenn es eine Organisation ist, deren Kampagnen nicht so offensiv sind, unterstützen wir sie gerne. Sie kämpfen genau wie wir für das, woran sie glauben. Ich denke, dass das der Grund ist, warum wir solche Sachen unterstützen. Wir unterstützen nicht ihre Methoden, weil sie manchmal schon etwas brutal sein können, aber wir finden es gut, das sie dasselbe tun, was wir tun – für ihre Sache kämpfen.

Björn: Zum Schluss kannst Du Dir noch einen Song für die Radiosendung wünschen.

Ich mag diesen MESHUGGAH-Song...“Bleed“. Ist glaub ich von der neuen Platte.
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