Das ursprüngliche Sein und der künstlerische Ausdruck


Interview mit Dornenreich
Avantgarde Black Metal aus Österreich - Tirol
DORNENREICH veröffentlichten vor kurzem ihr neues Album „In Luft geritzt“. Aus diesem Anlass habe ich Eviga ein paar Fragen gestellt. Dieser hat zurzeit viel um die Ohren, nahm sich netterweise aber dennoch die Zeit für ein kleines, aber feines Interview!

Hallo Eviga! Zuerst einmal möchte ich Euch zu Eurem neuen Album gratulieren! Wie Ihr meiner Rezension entnehmen könnt, bin ich wirklich begeistert von dem Gehörten! Die Frage, ob ich mit Dir ein Interview machen möchte, nahm ich dankend an! Nun hoffe ich natürlich, dass Du Dir die Zeit nehmen kannst, meine Fragen zu beantworten!

Ich danke Dir für den Ausdruck Deiner Wertschätzung. Es freut mich freilich sehr, dass Dich „In Luft geritzt“ begeistert.

Würdest Du bitte etwas näher auf das inhaltliche und musikalische Konzept von „In Luft Geritzt“ eingehen?

Wir versuchen uns in Dornenreich in gewisser Weise einem dreidimensionalen Ausdruck – in Wort, Ton und visueller Gestaltung – zu widmen.
In den Texten zu „In Luft geritzt“ bin ich bestrebt, mich archaischen bzw. in jedem menschlichen Individuum immer wieder züngelnden Gefühlen, Gedanken und Instinkten anzunähern – und zwar vermöge ursprünglicher und dementsprechend assoziationsreicher Worte, die im Bewusstsein bzw. Unterbewusstsein jedes Menschen bild- und erfahrungsreich verankert sind.
Das Natürliche bzw. Pure der akustischen Instrumentierung nährt besagten archaischen Ausdruck, wenngleich ich sagen muss, dass das intuitive Entstehen-Lassen der Musik auch bei „In Luft geritzt“ dem Schreiben der Texte vorausging und der archaisch-ursprüngliche Ansatz des Albums also tief in unserer Intuition bzw. in unserem Unterbewusstsein begründet liegt.

Ich finde den Schritt, ein so minimalistisch instrumentiertes Album zu machen, sehr mutig. Die Akustik Konzerte und die letzten Alben deuteten diesen Verlauf bereits an. Doch was trieb Euch letztlich dazu, diesen Schritt zu gehen?

Bereits im Rahmen unseres Demos „Mein Flügelschlag“ aus dem Jahre 1997 war die akustische Gitarre eine gewichtiger Bestandteil unseres künstlerischen Ausdrucks, der mit jeder weiteren Veröffentlichung an Bedeutung gewann.
Und bereits bei den Aufnahmen zu unserem zweiten Album „Bitter ist’s, dem Tod zu dienen“ arbeiteten wir erstmals mit Streichern bzw. damals mit einem Cellisten. Akustische Instrumente sind uns also seit jeher sehr wichtig gewesen.
Zudem ist über Jahre hinweg die Vision in mir heran gereift, ein intensives und kraftvolles Album ausschließlich mit akustischen Instrumenten zu realisieren,
da die faszinierenden dynamischen Möglichkeiten, die Zeitlosigkeit der Klangerscheinung und die unmittelbare Eindringlichkeit des Klangkörpers akustischer Instrumente mich schon immer beeindruckt haben.
Als Inve, der ja bereits im Jahre 2000 die Geigen für das Album „Her von welken Nächten“ eingespielt hatte, dann vor zwei Jahren zu Dornenreich stieß, griff schließlich alles ineinander und das Album entwickelte sich.

Ihr seid bekannt für Eure tiefgründigen Texte. Euer Interesse für die Philosophie ist bekanntlich sehr ausgeprägt. Ich meine mich zu erinnern, dass ihr gerade der Philosophie von Hegel sehr nahe steht. Ich fand dessen pantheistischen Ansatz sehr interessant (auch wenn Hegel sich selbst vom Pantheismus abgrenzte). Doch mir persönlich vernachlässigte diese ganzheitliche Betrachtung den Einzelnen etwas zu sehr. So stehe ich der Philosophie von Kierkegaard, Sartre oder etwa Heidegger näher, die die Meinung vertraten, dass der Mensch nicht einfach nur „ist“, sondern das Sein sich durch die eigene Wahl und das eigene Handeln erst konstituiert. Mich würde interessieren, was Deine Meinung zu diesen Gedanken ist. Vielleicht siehst Du diese verschiedenen Philosophien ja gar nicht als so gegensätzlich an!

Die Beschäftigung mit Philosophie bedeutet mir persönlich einiges, ja. Gerade in „Durch den Traum“ war mir das Einende im Bilde des (Welt-)Seins, das sich als kontinuierliche Selbstbewusstwerdung des Göttlichen zu erkennen gibt, wichtig, da ich die – ich würde sagen – Einsichten Schellings und Hegels als universell und wahrhaftig empfinde und ich das Einzigartige, Subjektive, Sich-Entscheidende des menschlichen Individuums darin nicht nur nicht gefährdet sondern vielmehr letztlich geborgen finde.

Das mit Würde und Bürde seiner Subjektivität hadernde lyrische Ich eines Kierkegaard findet man deutlicher in „Bitter ist’s, dem Tod zu dienen“ und insbesondere in „Her von welken Nächten“.
Im Moment kann ich für mich selbst sagen, dass sich die Einsichten Hegels und Schellings für mich tiefer (als alle anderen mir bekannten Philosophien) und wirklich anfühlen.

Zurück zur Musik! Die Klänge von Dornenreich scheinen aus einer anderen, geheimnisvollen Welt zu stammen. Siehst Du Dich selbst als weltfremd an? Und wie findet Du Dich in der „normalen Welt“ zurecht? Ist die Musik eine Art Zufluchtsort?

Vielleicht etwas fremd bezüglich der heutigen Gesellschaft. Ob das als „weltfremd“ zu bezeichnen ist oder nicht doch eher das eigentliche Gegenteil davon ist, ist – mehr denn je – die Frage schlechthin.
Tatsächlich führe ich ein Leben, in dem ich versuche durchaus eigenwillige Prioritäten zu setzen und Bereiche zu betonen, wie man dies bei wenigen Menschen vorfinden mag und in meinem künstlerischen Ausdruck finde ich in der Tat oft eine belebende Zuflucht, die mich Wesentliches durchleben lässt und mich für das ursprüngliche Sein – auch im Alltäglichen – immer neu sensibilisiert.
Nichtsdestotrotz finde ich mich gut in der „normalen Welt“ zurecht und bin – denke ich – ein recht umgänglicher „Mitbürger“.

Viele – mich eingeschlossen – vermissen die schwarzmetallischen Wurzeln Dornenreichs. Stimmt es, dass ihr mit dem nächsten Album wieder näher an diese harscheren Klänge heranrücken wollt?

In seiner sich weit ausstreckenden Sehnsucht, seinem zutiefst archaischen Kern, in seiner individuellen Intensität und Leidenschaftlichkeit sowie in seiner kompromisslosen Umsetzung ist „In Luft geritzt“ meiner Meinung nach auch als Black Metal wahrnehmbar.
Die jeweilige Vision gibt die äußere Erscheinung bzw. Instrumentierung eines Dornenreich-Albums vor und unser kommendes Album „Flammentriebe“ verlangt eindeutig nach E-Gitarre, Geige, Schlagzeug und Stimme. Es wird ein flammendes und dramatisches Album werden, mit dem unser Urschlagzeuger Gilvan zu Dornenreich zurückkehren wird. So manchen wird dieses Album überraschen, denke ich.
Außerdem sind bereits viele Stücke für ein weiteres Akustikalbum entstanden, dem wir uns in den kommenden Jahren ebenfalls widmen wollen.
In diesem Jahr werden wir uns jedoch vorwiegend auf die umfangreichen Live-Aktivitäten rund um „In Luft geritzt“ und auf die Fertigstellung unserer ersten DVD konzentrieren.

Vielen Dank Eviga, dass Du Dir die Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten! Ich bin gespannt, was wir in Zukunft noch von DORNENREICH zu hören bekommen werden!

Ich danke Dir vielmals für Deine wirklich interessanten Fragen.
Es war mir eine große Freude, sie zu beantworten.
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