Erst kommt die Musik und dann die Politik


Interview mit Misery Index
Death Metal / Grindcore aus USA - Baltimore, Maryland
Interview mit Jason Netherton (v. + b.) von MISERY INDEX am 16.01.2008 im Conne Island in leipzig für die Radiosendung Mosh-Club auf Radio T in Chemnitz: www.mosh-club.de.vu und www.radiot.de
Auf der Seite der Sendung könnt ihr euch das Interview als mp3 runterladen.

Björn: Wir haben uns ja schon vor drei Wochen in Philadelphia getroffen, wo ihr ein Konzert auf dem Heimweg von der Kanada Tour mit THE BLACK DAHLIA MURDER gespielt habt. Kannst du mal die Unterschied zwischen Touren in den USA und Europa erklären?

Jason:
Auch wenn man in Europa nur mit einem Van durch die Gegend fährt, wird man als Band einfach mehr geschätzt und besser behandelt, das drückt sich schon beim Essen und bei den Schlafmöglichkeiten aus. In den USA und Kanada wird man als Musiker nicht so respektiert, da behandeln dich die Promoter als wenn sie dir einen Gefallen tun dich für ein Konzert zu buchen. Bis man ein gewisses Level erreicht hat, ist es ein täglicher Kampf um das Essen und den Schlafplatz.

Und warum ist das so?

Das ist einfach nur ein kultureller Unterschied. In den USA geht es mehr um das Geschäft und in Europa mehr um die Hingabe zur Musik, selbst wenn nur 30 Leuten bei Underground Touren da sind.

Das letzte Mal als ihr hier im Conne Island gespielt habt, war es die NECROPHAGIST Tour ohne den Headliner NECROPHAGIST, und ihr habt mit BURNING SKIES und ORIGIN gespielt. Dieses Mal spielt ihr die zweite Hälfte der Tour in Großbritannien mit BURNING SKIES. Wie geht es eigentlich deren Sänger?

Er ist angegriffen worden und hat sich dabei das Bein gebrochen.

Das war im Oktober und die Ärzte hatten prognostiziert, dass er sechs Monate braucht sich zu erholen.

Irgendwo hab ich gelesen, dass er vor ein paar Wochen wieder beim ersten Auftritt dabei war.

Dann kommen wir mal auf eure aktuelle CD „Traitors“ zu sprechen, wie lief das Songwriting dazu bei euch ab?

Die Songs beginnen meist als Riffs, die jeder für sich selbst zu Hause schreibt, also ich und die beiden Gitarristen Mark und Sparky. Dann arbeiten wir ein Skelett des Songs aus und ziehen dann unseren Schlagzeuger Adam dazu. Wenn das geschehen ist, arbeiten wir als Band weiter an dem Song bis er fertig ist.

Mark hat auf „Traitors“ noch mehr Gesangsparts übernommen, wie lief die Diskussion dazu ab? Kam er einfach an und hat gesagt, dass er jetzt singen möchte?

Er hat ja auf „Discordia“ auch schon gesungen, aber dieses Mal natürlich einiges mehr. Als ich beim Schreiben der Texte war, er hatte auch ein paar geschrieben, haben wir zusammen einiges umgestellt um dadurch den Fluss des Songs zu verbessern. Und dann hat es sich so ergeben, dass es für den jeweiligen Song besser wäre wenn er einen Teil übernehmen würde.

Ihr habt den Song „Ruling Class Cancelled“ noch mal mit Gastgesang von Tomas "Tompa" Lindberg aufgenommen und du hast ja auch schon in einigen Interviews erzählt, dass er gerade mit DISFEAR am touren und in der Nähe war. Aber was mich da interessieren würde, wäre deine Aussage, dass eure Split-CDs mehr euren Underground Status betonen würden und eure Alben mehr den professionellen Charakter der Band. Ist das etwas typisches für MISERY INDEX irgendwo zwischen den großen Touren und den DIY Shows zu sein?

Da kommen wir her, wir mögen alle gerne Punk und Grindcore. Wir sind da sehr offen und wenn wir mal zwischen zwei Alben Lust dazu haben, dann gehen wir ins Studio und nehmen mal spontan ein paar Songs zum Spaß auf. Wir bringen das dann immer bei kleinen Underground Labels raus, die Freunden von uns gehören. Außerdem hilft uns das auch aktiv zu bleiben zwischen den Alben ohne eine Lücke von zwei oder drei Jahren ohne Veröffentlichung aufkommen zu lassen. Eigentlich ist es ja auch nur für die Die Hard Fans, das sind meiste nur spontane Songs, in die wir nicht allzu viel Zeit investiert haben.

Wovon sind deine Texte auf „Traitors“ inspiriert?

Die letzten Jahre in den Vereinigten Staaten und dem Gefühl von Angst, dass durch den Krieg gegen den Terror und der Regierung von Bush in den letzten acht Jahren erschaffen worden ist. Das ist ja nun vorbei aber der Eindruck bleibt erstmal, der in den Staaten geschaffen worden ist und den auch andere Länder von uns haben. Das spiegelt sich in den Texten wider und besonders der Titelsong „Traitors“ handelt davon. Als der Krieg gegen den Terror gerade im Gange war, es zur Invasion des Iraks kam und man sich gegen den Krieg oder die Politik der Regierung ausgesprochen hat, wurde man als Verräter, unpatriotisch oder unamerikanisch abgestempelt. Und ich hab den Begriff „Traitor“, also Verräter, genommen und ihn ein bisschen positiver dargestellt. Für mich gehört kritisch zu sein und seine Meinung auszusprechen zu den Werten, auf die die so genannten Gründerväter dieses Land aufgebaut haben. Es hat sich in den letzten 400 Jahren herausgestellt, dass das Recht etwas zu kritisieren, das demokratischste Recht überhaupt ist.

Siehst du MISERY INDEX denn als politische Band?

Dadurch definieren wir uns nicht. Wir sind zuerst eine Death Metal Band, die Musik schreiben wir zuerst und ist uns auch am wichtigsten. Danach kommen erst die Texte, wir wollen aber nicht über irgendwas singen, für das wir keine Leidenschaft entwickeln können. Wir sind da wohl eine politische Band in der Tradition von NAPALM DEATH, den Blickpunkt und die Wut der Texte auf Sachen des Lebens richten, aber dabei steht die Musik immer an erster Stelle.

Hat sich durch „Traitors“ für euch irgendwas in den letzten drei Monaten verändert? Die Reviews waren ja schließlich alle sehr gut und als die Tour im November bekannt geben worden ist, war noch HATE ETERNAL Headliner und nun seid ihr es.

Die CD kommt wirklich ganz gut an und wir sind sehr froh damit. Die letzte war ein bisschen überstürzt und wir waren nicht so richtig zufrieden. „Traitors“ ist unsere erstes Album mit dem wir vollkommen zufrieden sind. Die Tour hat damit aber gar nichts zu tun, sie wurde als Co-Headliner Tour gebucht und die lokalen Promoter oder Veranstalter konnten sich aussuchen wer als letztes spielen soll. In Belgien, den Niederlanden und Spanien ist z.B. HATE ETERNAL größer und da spielen sie zum Schluss, während wir in Deutschland oder Tschechien angesagter sind. Wir wechseln also regelmäßig die Reihenfolge.

Nächsten Dienstag ist die Ernennung Obamas zum Präsidenten, was sind deine Erwartungen?

Ich bin natürlich hoffnungsvoll, alleine schon dadurch weil mal wieder ein Demokrat im Weißen Haus sitzt und dieser eigentlich regelmäßig mehr auf der linken Seite des Spektrums steht. Aber auch ein linker Kandidat befindet sich in den USA noch immer mitten in der Mitte, da e so viele verschieden Meinungen und Interessen in einem so großen Land abdecken muss. So hat z.B. Bill Clinton, der der letzte demokratische Präsident war, ein paar rückständige Entscheidungen getroffen, die gar nicht dem linken Spektrum zuzuordnen sind wie das Freihandelsabkommen wie Mexiko und Kanada.
Aber um auf die Frage zurückzukommen, ich bin sehr hoffnungsvoll und viele Leute schauen gespannt nach vorne, während sie davor einfach nur müde waren von der Politik der letzten acht Jahre. Hoffentlich verändert sich etwas, aber dafür braucht es Zeit und eine große Anstrengung, wie in jedem anderen Land auch.

Was sind denn deiner Meinung nach momentan die größten Probleme der USA?

Vermutlich die ungleiche Verteilung des Reichtums seit dem Boom der 90er Jahre. Viele Leute sind schnell reich geworden, aber gleichzeitig sind die Durchschnittslöhne auf einem konstanten Niveau geblieben und die Arbeitslosigkeit ist wie überall gestiegen. Diese Ungleichheit ist wahrscheinlich das größte Problem und dass wir es tolerieren, dass in diesem reichen Land 30 Millionen Menschen in Armut leben. Das wird immer versteckt und weg geschoben und es wird nicht darüber gesprochen.
Dazu kommt dann noch unsere unilaterale Außenpolitik der letzten acht Jahre, an der Obama hoffentlich etwas ändern wird und andere Länder mehr in die Diskussionen mit einbeziehen wird. Dann kommt noch die Umwelt und eine Million weiterer Probleme, die es anzupacken gibt.

Im Sommer spielt ihr auf dem Maryland Death Fest in den USA und hier auf dem Party.San Open Air. Ich hab mich immer gewundert, warum es in den Staaten nur Ein-Tages-Festivals gibt.

Das Maryland Death Fest ist ja mittlerweile drei Tage lang. Es ist aber kein Open Air, es findet in einem Gebäudekomplex mit 1000 bis 1200 Fans statt. Das scheint die richtige Größe zu sein, vor der Bühne ist immer was los und die Leute können die Halle verlassen wenn sie möchten. Das ist wahrscheinlich eines der besten Festivals des Landes für extreme Musik.

Aber Open Airs, die länger als einen Tag dauern, habt ihr nicht?

Es gibt welche, aber das sind dann welche mit den großen Bands wie THE KILLERS oder RADIOHEAD und nichts wo Metal oder Death Metal Bands spielen.

Zum Abschluss des Interviews darfst du dir dann ein Lied für die Radiosendung wünschen.

Wie wäre es mit BOLT THROWER? „Ritual“ vom „The IVth Crusade“ Album wäre gut.
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