Leben und nicht Überleben


Interview mit Disfear
Crust / Hardcore aus Schweden - Nyköping
Interview mit Tomas "Tompa" Lindberg von DISFEAR am 16.07.2009 im Jugendhaus Rosswein für die Radiosendung Mosh-Club auf Radio T in Chemnitz: www.mosh-club.de.vu und www.radiot.de
Auf der Seite der Sendung könnt ihr euch das Interview als mp3 runterladen.

Da es das erste Interview ist, gehen wir mal zurück zum letzten Album „Live the storm“. Wie würdest du die Veränderungen zum Vorgänger „Misanthropic Generation“ beschrieben?

Tomas:
Ich denke, es ist eine logische Weiterentwicklung des Sounds. Von „Everday Slaughter“ zu „Misanthropic Generation“ war der Sprung in der Entwicklung größer. Wir haben uns mehr auf das Songwriting konzentriert und durch Ulf Cederlund als neues Mitglied an der Gitarre hat „Live the storm“ viel mehr Details in der Gitarrenarbeit.

Wie war denn sein Einfluss? Hat er sich schon beim Schreiben der Songs mit einbringen können?

Na klar, es hat zwar seine Zeit gedauert, bis er sich in die Art von DISFEAR Songs zu schreiben reingefunden hatte, aber dann waren er und Björn ein Team beim Schreiben. Im Proberaum haben wir dann zusammen als Band die Songs zusammengesetzt. Ulf hat durch seine Erfahrung beim Songs schreiben definitiv etwas Neues in die Band gebracht.

Ihr habt zwischen den letzten Alben immer große Pausen gehabt? Was waren denn die Gründe: deine anderen Projekte oder ist das einfach normal bei DISFEAR?

Es scheint gerade normal geworden zu sein. Die Pause zwischen „Everyday Slaughter“ und „Misanthropic Generation“ wurde uns aber aufgedrängt, da wir Probleme mit dem Label hatten. Zwischen den beiden letzten Alben haben wir dann so viel wie noch nie getourt. Da konnten wir die neuen Songs immer wieder live austesten und haben sie laufend verändert. Unser Blickpunkt zwischen den Alben lag also sehr auf der Qualität beim Schreiben der Songs und nicht so sehr auf der Quantität. Keine Ahnung wie es beim nächsten Album wird, im nächsten Sommer nehmen wir uns auf jeden Fall erstmal eine Pause, die vielleicht auf ein ganzes Jahr ausgedehnt wird, um uns auf das Songwriting zu konzentrieren.

Was steckt denn hinter dem Titel des Albums „Live the storm“?

Der Titel ist ein bisschen abstrakt zu verstehen: Die Welt ist wie ein Sturm, in dem man aber nicht nur überleben, sondern auch leben muss. Man sollte nicht nur leben, sondern auch dafür eintreten, woran man glaubt. Der Inhalt des Albums ist sehr enthusiastisch, wohingegen „Misanthropic Generation“ eher dunkler geworden ist. Ich würde „Live the Storm“ nicht unbedingt als positives Album beschrieben, es soll den Leuten aber einen Tritt in den Hintern geben, damit sie aufwachen und etwas tun.

Ist es heute eigentlich noch möglich, eine Message durch die Texte rüberzubringen, wo das Album so oft runtergeladen wird und viele Leute nie die Texte zu Gesicht bekommen?

Ich denke im Hardcore werden immer noch viele Alben verkauft, wenn die Bands touren. Es singen jedenfalls viele Leute mit, und so scheint sich die Message ja zu verbreiten. Aber natürlich haben unsere Fans ähnliche Ansichten wie wir und man predigt zu den bereits Konvertierten. Für uns ist es aber wichtig, die Chance zu haben etwas zu sagen, und vielleicht hört ja auch irgendjemand zu.

DISFEAR wird oft in verschiedene Schubladen gepackt wie Hardcore, Crust oder Punk. Ist das wichtig Bands einzuordnen, und in welche Schublade würdest du euch stecken?

Ich denke nicht, dass es den Bedarf gibt, Bands zu kategorisieren, aber um Bands zu beschreiben, ist es natürlich einfacher. Das ist hart, aber wir sind eine Punkband, eine Hardcore Punkband, von der Einstellung her. Bei den Gitarren haben wir Einflüsse aus dem Metal, und Rock 'n' Roll Harmonien sind wohl auch zu finden, aber wir sind eine Hardcore Punkband. Man sollte einfach mal reinhören.

Ihr habt „Live the storm“ über Relapse Records veröffentlicht, die Split-CDs veröffentlicht ihr aber über ein eigenes Label. Was sind die Gründe dafür?

Relapse ist ein gutes Label, groß genug, aber auch mit vielen Underground Bands. Es ist für uns aber auch wichtig, selbst was zu veröffentlichen und die komplette Kontrolle darüber zu behalten.

In einem älteren Interview hast du mal gesagt: „DISFEAR is not a project, it’s a lifestyle.“ Kannst du das mal erklären?

Das habe ich wohl zu einer Zeit gesagt als ich noch viele andere Projekte hatte, wo ich betonen wollte, dass DISFEAR eine richtige Band sind. Wie ich schon bei den Texten gesagt hab, wir sind eine richtige Band und stehen voll dahinter. Wir sind nicht einfach ein zusammengewürfelter Haufen, der mit Wikingerhelmen und Schwertern auf die Bühne geht und dann nach Hause fährt, um Spaghetti bei der Freundin zu essen. Wie auch immer, wir sind hier und stehen seit Jahren dafür ein, was wir sagen.

Siehst du DISFEAR denn als politische Band und was bedeutet das eigentlich?

Würde ich schon sagen.

Was bedeutet das denn für dich persönlich, da hat ja eigentlich jeder eine andere Meinung dazu?

Ja, besonders in einer Band mit fünf verschiedenen Mitgliedern. Aber da ich den Großteil der Texte schreibe, kann ich die Frage wohl auch beantworten. Es geht einfach darum, seinen Standpunkt klar zu machen und eine Message rüberzubringen. Politisch zu sein bedeutet für mich, auf dem Laufenden mit der politischen Situation auf der Welt zu sein, sich darüber im Klaren zu sein, wer wen kontrolliert, und hinter den Filter der Medien zu schauen. Mit Parteien hat das aber nichts zu tun, das ist eine andere Art von Politik.

Letztes Jahr hast du mit AT THE GATES in Europa einige Festivals gespielt und dann eine Tour durch die USA gemacht. Wie fühlt es sich an, jetzt wieder mit DISFEAR zurück in den Underground zu gehen und manchmal vor nicht mehr als 100 Leuten zu spielen?

Ich hab den Underground nie verlassen, um mit AT THE GATES zu touren. Man wird das auf der Dokumentation, die wir gerade über AT THE GATES machen, deutlich sehen, dass ich Backstage in Wacken genau die gleiche Person bin wie hier vor 200 Leuten.Wenn jemand mich auf der Bühne sehen will, ist diese eine Person gleich wichtig, egal ob sie in Wacken steht oder hier. Natürlich ist man etwas nervöser, aber das ist eine andere Geschichte.
Wir haben aber noch nie den Underground verlassen, denn auch AT THE GATES waren immer eine Underground Band. Wir versuchen unsere Einstellung beizubehalten und nicht anmaßend zu werden. Ich glaube, wir sind im letzten Sommer auch weiterhin auf dem Boden geblieben.

Du bist also immer noch nervös, wenn du auf die Bühne gehst?

Ein bisschen, vielleicht nicht nervös, dass etwas nicht klappen könnte. Eher etwas aufgeregt und positiv angespannt.

Björn hat 2007 in einem Interview mal erzählt, dass du Lehrer werden willst. Bist du es mittlerweile?

Ein Jahr hab ich noch, insgesamt dauert es 4,5 Jahre an der Uni. Ich hab aber vorher schon unterrichtet, allerdings ohne Abschluss. Ich unterrichte dann Sozialkunde für Schüler zwischen 12 und 16 Jahren.

Was denkst du denn, werden die Reaktionen deiner Schüler sein, wenn sie herausfinden, wer du bist?

Keine Ahnung, auf der Straße werde ich nicht oft erkannt oder bekomme es einfach nicht mit. Die jüngeren Schüler interessieren sich sowieso für ganz andere Musik.

Aber du weißt doch, wie Schüler sind.

Es ist schon ein paar Mal passiert, dann versuche ich aber es als so normal wie möglich hinzustellen. Kommt damit klar, denn jetzt haben wir Unterricht, in der Pause können wir aber gerne darüber reden. Ich versuche damit locker umzugehen.

Gut, dann frag ich in zwei oder drei Jahren noch mal nach.
Morgen spielt ihr beim Obscene Extreme Festival. Habt ihr noch Zeit, Ausdauer und die Liebe dazu, euch andere Bands anzugucken?


Natürlich! Ich versuche immer, mir möglichst viele Bands anzugucken, und das macht mir auch noch immer Spaß. Auf Tour zu sein ist eine großartige Möglichkeit, neue Bands zu entdecken. Morgen spielen unsere Freunde von NAPALM DEATH und WOLFBRIGADE direkt nach uns, das wird dann eine große Party.

Zum Abschluss des Interviews darfst du dir noch Lied einer anderen Band für die Radiosendung wünschen, etwas aus den Bereichen Punk, Hardcore oder Metal.

Lass mich mal nachdenken ... ist die neue MUNICIPAL WASTE schon draußen?

Ich hab die Promo.

Ich hab noch nichts von dem neuen Material gehört, wir sind aber sehr gut befreundet, haben auf Tour viel geredet und ich bin schon sehr auf das neue Material gespannt.
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