Zerfleischen mit dem Baseballschläger


Interview mit Hämatom
Rock aus Deutschland - Nürnberg
Interview mit Nord (v.), Ost (g. + v.) und Süd (dr.) von HÄMATOM am 04.02.2010 in Chemnitz im Subway To Peter für die Radiosendung Mosh-Club auf Radio T in Chemnitz: www.mosh-club.de.vu und www.radiot.de
Auf der Seite der Sendung könnt ihr euch das Interview als mp3 runterladen.

Ihr seid jetzt das vierte Mal in Chemnitz, dreimal im Subway und einmal auf dem Festival. Was verbindet euch mit Chemnitz?

Süd:
Seit letztem Jahr das Open Air. Das ist bei mir als ein Highlight des Jahres hängengeblieben.

Ost: Mir geht es ähnlich, das Chemnitzer Open Air war echt der Hammer, obwohl wir leider viel zu früh weg mussten. Neben dem Open Air natürlich auch das Subway To Peter, wo Bands immer wieder ohne Gage spielen und für sie dann im Hut gesammelt wird. Bands, die immer wieder spielen wollen, die kriegen hier die Gelegenheit. Ich find das schon gut.

Ihr wart mit jedem Album hier im Subway To Peter und hattet schon seit dem ersten Album einen gewissen Grad an Professionalität dabei. Ist das altersbedingt, da ihr ja nicht mehr die 16jährigen Musikanfänger seid, oder war es klar, dass ihr nur ne Band startet, wenn ihr von Anfang an da richtig ran geht?

Ost:
Das kommt davon, dass wir, also Nord und ich, Musik machen, seit dem wir 15 sind und seit dem wir 18 sind auf einem professionellem Niveau. Wir haben, ich muss es einfach mal erzählen, jahrelang in einer Coverband gespielt und uns damit unseren Lebensunterhalt verdient. Da lernt man es, dass man versucht, so professionell wie möglich zu sein mit einer fetten P.A. und einer großen Backline. Wir haben da in großen Zelten gespielt, waren ziemlich verwöhnt und haben versucht, das zu übertragen auf die eigene Musik. Da muss man dann ein bisschen zurückstecken und einsehen, dass nicht alles geht. Subway To Peter ist nämlich nicht der größte Laden, und man muss jedes Mal sehen was so geht. Obwohl wir natürlich auch darauf stehen, einen Techniker dabei zu haben, der weiß, was er tut, und nicht nur säuft, und einen Mischer dabeizuhaben, der unseren Sound macht. Und klar, vom Alter hängt das auch etwas ab.

Erreicht ihr gerade den Punkt, wo die Band sich selbst trägt, oder müsst ihr noch groß draufzahlen, wo ihr ja auch zu sechst unterwegs seid.

Süd:
Bisher mussten wir schon investieren, jetzt sind wir aber an einem Punkt, wo es sich trägt. Wir sind aber auch noch weit davon entfernt, dass wir irgendwelches Geld damit verdienen könnten.

Ost: Es ist halt sehr schwer mit eigener Musik Geld zu verdienen, da musst du deutschlandweit einen 300er Schnitt haben, damit es langsam anfängt, Geld abzuwerfen. Mit sieben Leuten wird es dann erst recht schwer. Wir sind vier Musiker, ein Tontechniker, ein Backliner und eine Mercherin. Reich werden wir damit momentan logischerweise nicht.

Ihr habt jetzt das erste mal Videos gedreht oder hattet ihr das vorher auch schon?

Süd:
Mit Ost hatte ich zu „Leck mich“ ein sehr aufwendiges Video produziert, das war aber nicht so ernstzunehmend. Jetzt haben wir aber zu „Schau sie spielen Krieg“ ein aufwendiges gedreht.

Warum habt ihr den Song ausgewählt?

Ost:
Wir haben 50 Leuten aus unserem Umkreis abstimmen lassen, welcher Song ihnen am besten gefällt, und „Schau sie spielen Krieg“ war auf Platz 1...

Süd:... behauptet Ost, der diese Rangliste geführt und den Song geschrieben hat.

Ost: Aber er lag wirklich weit vorne, und da sind wir Huren gewesen und haben den Leuten gegeben, was ihnen am besten gefällt. Den Eindruck hatten wir aber auch beim live Spielen, als wir fast alle Songs mal ausprobiert hatten, dass „Schau sie spielen Krieg“ der Song war, der sofort gezündet hat.

Wer von euch in der Band ist denn Erzieher, wer arbeitet denn im Kindergarten oder wo habt ihr die Kinder alle herbekommen?

Süd:
Von Bekannten.

Das wäre ja sonst wieder das typische Metaller Klischee gewesen, das jemand Altenpfleger oder Erzieher ist

Ost:
Ich hab einfach meinen Keller wieder aufgesperrt und da lagen noch ein paar rum. Nur noch ein Butterbrot und schon ging es ab zum Videodreh.

Nord: Das nächste Klischee.

Süd: Und die Erzieher am Tag des Videodrehs waren wir alle, das war auch die schwerste Arbeit des Tages. Ich hatte noch die ganze Woche vom Fangen spielen richtig Muskelkater, das war der Wahnsinn mit den sieben Kindern.

Ost: Man kann sich auch nicht vorstellen, wie wenig Respekt die vor Masken haben, wenn sie in einer Gruppe sind. Das ist unglaublich, wir hatten nach zwei Minuten die Kontrolle verloren, und dann ging es nur noch ab. Wir haben ja alle Kinder, es war nun kein komplettes Neuland für uns, aber das war schon heftig, und nach vier Stunden musstest du dich schon zusammenreißen, dass du nicht Nords Baseballschläger kurz wiederfindest.

Nerven euch eigentlich die Vergleiche mit den diversen anderen Bands wie SLIPKNOT wegen der Masken und RAMMSTEIN wegen der deutschen Texte? „Schau Sie Spielen Krieg“ fängt ja jetzt auch mit diesem Marsch an, genau wie „Links 2 3 4“ von RAMMSTEIN, wo sie auch ein Video dazu gedreht haben.

Süd:
Mich eigentlich nicht, mich nervt es nur dann, wenn es heißt, wir wären nur ein billiger Abklatsch von … Ansonsten stört es mich eigentlich nicht, und ich glaube, viele Leute brauchen den Vergleich, um es beschrieben und / oder einordnen zu können.

Ost: Jede Band hat damit zu kämpfen, denn ich kenne es ja selbst. Wenn ich jemandem eine Band näherbringen will, beschreibe ich auch, wie sie klingt: SUBWAY TO SALLY auf deutsch zum Beispiel. (alle lachen) Und deswegen stören mich die Vergleiche wenig, aber ich gebe natürlich Süd – heißt du, glaube ich – vollkommen recht.

Süd: Er erkennt mich jetzt nicht, weil ich die Maske nicht auf habe.

Ost: Es wird bei den Vergleichen nur blöd, wenn irgendwann nur billiger Abklatsch dort steht. Denn dann ist alles ein billiger Abklatsch von irgendetwas, man kann das Rad nicht neu erfinden.

Wo gerade das Stichwort Masken fiel, warum tragt ihr die (noch)? Ist das am Anfang als Konzept entwickelt worden und ihr löst euch irgendwann davon oder ist es vielleicht sogar so eine Art Selbstschutz, dass die Leute euch nicht erkennen? Denn irgendwann kann es bestimmt nerven, wenn man auf Konzerten immer wieder angesprochen wird, wenn man eigentlich seine Ruhe haben möchte.

Nord:
Darum ging es eigentlich überhaupt nicht. Von Anfang an war es Teil des Konzeptes und so wollen wir es auch beibehalten. Vielleicht legen wir sie irgendwann mal ab, vielleicht auch nicht. Keine Ahnung. Außerdem gab es auch schon andere Bands mit Masken als diese eine. Irgendwie wird es sich entwickeln.

Ost: Wir diskutieren das Thema in der Band schon regelmäßig sehr kontrovers, ob wir es weitermachen sollen. Im Endeffekt sind wir aber zu dem Schluss gekommen, dass es momentan zu uns dazu gehört und es keinen Grund gibt die Masken abzulegen. Eher im Gegenteil, am Anfang haben sich nicht alle damit wohlgefühlt und wir haben jetzt aber richtig Spaß damit.

Gibt es bei euch eine Art Mastermind hinter all den Sachen wie Musik, Design und den Texten oder entscheidet ihr das innerhalb der Band zusammen?

Nord:
Leider nicht.

Süd: Also der Ost ist schon der Reintreiber, aber es ist schon ein demokratischer Haufen – leider. Bei der Covergestaltung des Albums hatten wir jetzt auch jeden Morgen zweistündige Skypekonferenzen, in denen wir uns zerfleischt haben. Wir sind zu viert auf der Bühne, und im Hintergrund gibt es dann auch noch zwei Leute, die immer super viele neue Visionen haben und das strengt schon an.
Bei der „Wut“ hatten wir bei der Produktion super viele Diskussionen, das haben wir aber dieses Mal super hinbekommen. Dieses mal liefen die Aufnahmen und die Produktion sehr gut, und dann kam das Cover und das Zerfleischen ging wieder los.

Wer schreibt denn bei euch die Texte, du als Sänger?

Nord:
Nein, jeder bringt seine Ideen ein. Das ist auch immer sehr anstrengend.

Süd: Wir gehen immer auf eine sensationelle Vorproduktion, da freuen sich immer alle drauf. Wir mieten uns irgendwo, das letzte Mal war es im Bayrischen Wald, in einem Ferienhaus zu sechst eine Woche ein und sitzen dann an den Instrumenten oder am Tisch und schreiben die Songs. Dieses Mal war es so, dass schon ganz konkrete Ideen von den einzelnen Musikern mitgebracht wurden und „Schau sie spielen Krieg“ stand mehr oder weniger schon. Dann gab es natürlich auch Songs, die wurden zerrupft und ganz neu zusammengebaut. Die Arbeitsweisen sind ganz unterschiedlich, schlussendlich wird aber alles ganz demokratisch entschieden und feingeschliffen.

Sprecht ihr eigentlich gerne über die Texte, da sie ja auch auf deutsch sind und sie jeder verstehen kann?

Ost:
Sehr gerne. Das ist für mich das wichtigste an HÄMATOM, die Texte stehen klar im Vordergrund. Deswegen deutsch, weil wir wollen, dass man die Texte versteht und drüber spricht und zwar jeder und nicht nur der Könner des Englischen, sondern auch Bauer B. Ich finde das schon sehr wichtig und spreche auch gerne darüber.

Also habt ihr aus deiner Sicht auch etwas zu sagen?

Ost:
Total und ich hoffe, dass das bei den Leuten auch so ankommt, dass wir etwas zu sagen haben. Es wäre schlimm für mich wenn nicht, denn dann hätten wir das Ziel verfehlt. Ich finde auch die Richtung genial, in die sich die Band textlich entwickelt hat. Es war ein langer Kampf, und wir haben auch lange darüber diskutiert, ob wir sozialkritisch werden sollen, aber irgendwie hat es sich von selbst entwickelt.

Das wäre auch mein nächster Stichpunkt, denn zu Anfang seid ihr ja doch als Märchenerzähler, als Märchenonkel belächelt worden.

Süd:
Naja.

Doch schon, das kam in fast jedem CD-Review vor, und ihr wurdet auf die vier oder fünf Märchentexte reduziert.

Ost:
Total und das hat am Anfang auch tierisch genervt, da das Konzept doch wirklich gut war. Wir haben versucht in diese Märchentexte den Alltag hineinzuinterpretieren, und ich finde, dass uns das bei Liedern wie „Butzemann“ genial gelungen ist. „Häschen in Grube“ habe ich z.B. für meinen Vater geschrieben, der seit Jahren schwerst alkoholkrank ist, und auch das ist sehr gelungen, aber das hat leider niemand gesehen. Es hat sich leider kaum jemand versucht, damit zu beschäftigen, es wurde als Klamauk abgehakt und das tat schon weh. Die Reviews zu „Nein“ haben schon weh getan.

Guck mich nicht so an, ich hab das bei uns nicht geschrieben, nein nein nein.

Ost:
Entschuldigung, eins habe ich noch dazu zu sagen, denn nach fünf Jahren stellt sich heraus, dass das die Songs sind, die auf Konzerten immer wieder verlangt werden. Wir wollten schon so oft „Häschen“ aus dem Programm nehmen, die Leute wollen es aber immer noch hören, genau wie „Butzemann“ oder „Heissa Kathreinerle“

Wo nehmt ihr im sechsten oder siebten Jahr der Bangeschichte noch immer die Selbstmotivation her? Ihr spielt manchmal ein schönes Festival, dann aber auch wieder in einem Club wie diesem hier vor nur 50 Nasen und Silvester mit EKTOMORF waren es auch nur 50 Leute.

Süd:
Gute Frage.

Nord: Ich glaube, wir sind einfach bescheuert. Kann man das so sagen?

Süd: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Ost: Wir sind bescheuert und wir mögen unsere Familien nicht.

Nord: Hauptsache weg sein von zu Hause, um jeden Preis.

Ost: Wir zeugen dann immer wieder Kinder, damit die Frauen beschäftigt sind, und wir verpissen uns dann immer schnell, wenn niemand hinschaut.

Süd: Sowas wie heute wird aber schön. Ich weiß zwar nicht wie viele Leute kommen, aber so einen Rahmen mag ich.

Ost: Wir müssen uns nun auch nicht total motivieren, da wir ja sehen, dass es immer weiter geht. Wir haben jetzt zu „Stay Kränk“ unsere erste eigene Tour gemacht und die war für unsere Verhältnisse ganz gut besucht. Es kann zwar immer besser sein, aber wir hatten jetzt einen Schnitt von 90 Leuten bundesweit und Berlin, Hamburg und Köln waren dabei. Es geht nach vorne, und da fällt die Motivation etwas leichter. Wenn es stagnieren oder sich zurückentwickeln würde, würde es schwierig werden. Wir würden zwar weitermachen, aber nicht mehr mit diesem Aufwand, dieser Zeit und der Energie.

Und das heute ist auch eine Ausnahme, sollten wir mal irgendwann total berühmt werden, werden wir auch immer noch Chemnitz, Subway To Peter, spielen, weil die ersten beiden Male und das Festival so gut waren und ich das Konzept des Clubs so geil finde.

Wie ist es bei euch zu Hause, wir haben eine Userin bei uns im Forum, die wunderte sich, dass ihr so bekannt seid. Zählt der Prophet im eigenen Lande nicht oder spielt ihr bei euch in der Gegend auch regelmäßig Shows?

Süd:
Unser Herkunftsradius erstreckt sich ja inzwischen auf fast 300 km, deswegen ist das schwierig festzumachen. Aber die Bayreuther Gegend, wo der Kern der Band herkommt, da zählt der Prophet. In Nürnberg auch noch, aber wenn man dann südlicher geht, da werden wir dann nicht mehr so wahrgenommen. Es ist wie bei vielen Bands, dass es regionale Unterschiede gibt. Köln ist z.B. für uns ein schwierigeres Pflaster, und in Hamburg fühlt es sich ganz gut an.

Ich hatte vorhin den Bandnamen schon erwähnt: EKTOMORF.

(Gehuste, Gestöhne)

Ost:
Es juckt schon wieder so, überall juckt es.

Nord: Habt ihr eure Handys einstecken, habt ihr eure Handys noch?

Ist das der einzige Kommentar zu der abgebrochenen Tour oder wollt ihr noch mehr dazu sagen?

Ost:
Ja, bitte. Ich will so viel dazu sagen wie geht. Das war das schlimmste Erlebnis, das wir während unserer ganzen Musikgeschichte hatten. Es war von Anfang an grausam. Wir hatten uns auf diese Tour eingekauft, wie es halt so üblich ist. Wir hatten viel Geld dafür bezahlt, dass wir mit fünf Personen auch den Nightliner nutzen dürfen. Wir kamen in Saarbrücken mit zwei gemieteten Autos an um einzuchecken und wurden vom Tourmanager Joey, ein nicht ganz großer Dreadlock-Typ aus Holland, mit den Worten empfangen, dass wir die fünfte Person nach Hause schicken müssen, da es nicht mehr genug Betten im Bus geben würde.
So ging es los, und dann war die erste Show vor 90 Leuten und so hat es sich durchgezogen. Es gab jeden Tag nur Ärger, wir wurden klein gehalten und zum Schluss sind sogar noch unsere Handys aus dem Nightliner geklaut worden. Es war grausam und am sechsten Tag der Tour in München wurde dann unsere Spielzeit zum zweiten oder dritten Mal gekürzt und es war schon wieder eine andere Vorband dabei.

Süd: Und die Spielzeiten und die Preise beim Merchandise waren Punkte, die eigentlich schriftlich anders vereinbart waren. Das waren klare Vertragsbrüche. Ich persönlich hab mich auch dauernd verarscht gefühlt und es war einfach kein Umgangston untereinander.

Ost: Am sechsten Tag haben wir dann erhobenen Hauptes gesagt: Wir fahren nach Hause. Und schön, drei Stunden später war ich zu Hause am Bahnhof. Es war vielleicht ein bisschen hart, aber im Nachhinein bin ich sehr stolz, dass wir das so gemacht haben und uns nicht alles gefallen lassen haben. Wir werden dadurch nicht berühmter oder weniger berühmt, dass wir nicht zu Ende gespielt haben, aber irgendwann geht es halt nicht mehr.

Zum Abschluss des Interviews dürft ihr euch noch ein Lied einer anderen Band wünschen. Irgendwas aus den Bereichen Metal, Punk und Hardcore.

Ost:
Ganz schwierig.

EKTOMORF vielleicht?

Ost:
Ganz klar. Ich wünsch mir „Frogger“ von der Gruppe ATARI.

Süd: Wir zusammen einen Song?

Ost: Können wir uns auf KNORKATOR einigen?

Süd und Nord: Ja.

Ost: Ihr dürft den Song aussuchen.

Nord: Frankie?

Ost: Frankie? Kenn ich nicht, das ist nicht von denen.

Nord: Franke goes to Hollywood haben die doch geschrieben?

Ost: Das ist nicht von denen.

Süd: Sag du, du kennst dich mit dem Material besser aus.

Ost: Dann wünsche ich mir „Geld.“

Ein Dank für die beiden Livefotos geht an Jan Loeser von www.fernausloeser.de , bei dem es auch noch mehr Bilder gibt.
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