Kleine Kerle wie wir


Interview mit Abigail Williams
Black Metal aus USA - Los Angeles
Begonnen hat ABIGAIL WILLIAMS als eine Art Kreuzung aus Black Metal und Metalcore, oder zumindest wurde ihnen das angedichtet, was Bandkopf Ken Sorceron (heute) nicht (mehr) unbedingt zu großem Frohlocken verführt. Einem Umzug des Bandhauptquartiers und der erstmaligen Ersetzung aller anderen Bandmitglieder folgten noch einige andere Bandmitglieder mehr, aber mit „In The Shadow Of A Thousand Suns“ und „In The Absence Of Light“ eben auch zwei starke Alben. Bereits zur Veröffentlichung beider Alben sollte und wollte Ken uns ein paar Fragen beantworten, was im Stress zur jeweiligen Zeit aber beide Male nicht zustande gekommen ist. Nachdem bekanntlich aller guten Dinge drei sind, versicherte er aber auf dem Konzert in Köln vor ein paar Wochen, aktuell genug Zeit zu haben, und so gibt es jetzt seine Antworten frisch auf den Tisch.

Obwohl ABIGAIL WILLIAMS noch eine recht junge Band ist - im Bezug darauf, wie viele Jahre sie existiert -, gab es schon umfangreiche Veränderungen im Line-up und die kurze Geschichte war ziemlich turbulent mit Auflösung, Wiederbelebung etc. Jetzt besteht die Band aus vier Mitgliedern und alles sieht fokussierter aus: Keine Pseudonyme mehr, der Sound hat sich weiterentwickelt und wirkt konzentrierter und intensiver als je zuvor. Wie viel davon war ein durchdachter Plan und wie viel Zufall? Bist du zufrieden damit, wie sich alles zur Zeit entwickelt und darstellt?

Line-up Veränderungen gab es bei einigen der meist verehrten Bands der Metalgeschichte und es scheint, dass jüngere Bands eine Art negatives Feedback dafür bekommen, dass sie zu viele Line-up Veränderungen haben. Es ist manchmal wirklich hart, eine Band zusammenzuhalten, weil das Touren harte Arbeit ist und längst nicht so einträglich wie die Leute sich das vorstellen, wenn sie einsteigen. Du warst bei unserem Konzert, also denke ich, du weißt, was ich meine… (bei dem mäßigen Besuch, fürwahr.) Größere Bands, die Geld verdienen und gut laufen, reißen sich oft Bandmitglieder von kleinen Kerlen wie uns unter den Nagel, und aus diesem Grund kommen und gehen viele Leute. Es gehört manchmal zur traurigen Realität des Banddaseins. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass zur Zeit alles perfekt ist, weil es das nicht ist, aber ich versuche das Beste aus jeder Situation zu machen und die beste mir mögliche Musik zu machen mit den Leuten, mit denen ich zu der Zeit arbeite.
„In The Absence Of Light“ haben wir größtenteils im Studio geschrieben. Einige Lieder haben wir als Band geschrieben, aber den Großteil habe ich geschrieben, einfach weil wir zu der Zeit nur eine begrenzte Menge an Material als bzw. von der Gruppe zur Verfügung hatten. Ich würde sagen, ich bin einigermaßen zufrieden damit, wie es geworden ist, aber ich wünschte natürlich, wir hätten mehr Zeit für die Songs gehabt.

Eins der besonders bemerkenswerten Dinge bei „In The Absence Of Light“ ist der gegensätzliche Sound der zwei Gitarren. Während die eine kalt und in gewisser Weise klirrend ist, klingt die andere melodisch und warm. Für mich hört sich das wie ein andauernder Kampf zwischen Aggression und Atmosphäre an. Welche Atmosphäre wolltest du mit diesem Sound kreieren?

Ich bin ein großer Freund von dieser Art von Kontrapunkten, also haben wir so viel wie möglich davon eingearbeitet. Das gehört zu den Dingen, die wir auf dem nächsten Album ganz sicher noch ausbauen und weiterentwickeln wollen. Bei der Atmosphäre haben wir uns einfach von unserem Gefühl zu dieser Zeit beeinflussen lassen und versucht, diesen Einfluss durch die Riffs zu zeigen, um die Atmosphäre zwischen dem Schlagzeug und dem Gesang zu erzeugen.

Viele der Titel von „In The Absence Of Light“ haben Referenzen zum Tod und den Möglichkeiten, was nach dem Tod kommen könnte, verbunden mit einem religiösen Beigeschmack, wenn ich mir zum Beispiel „Final Destiny Of The Gods“ oder „What Hells Await Me“ anschaue. Deshalb frage ich mich, ob ein größeres Thema darüber steht, dass das ganze Album bzw. alle Lieder verbindet. Ist es womöglich gar ein Schwanengesang auf das allgemeine Konzept „Religionen“ in unserer Zeit?

Ich bin fasziniert von Religionen und in meiner freien Zeit widme ich mich ein wenig dem Studium von Religion, Spiritualität, Okkultem etc. Auf dieser Platte habe ich mich dafür entschieden, die spirituellen bzw. mystischen Einflüsse, die es bei den Texten von „In The Shadow Of A Thousand Sunds“ gab, zu ignorieren und einen anderen Ansatz zu verfolgen. Das Konzept für das Album eilt für mich dahin, weil ich die Texte sehr schnell, in wenigen Tagen, geschrieben habe. Die Bedeutung dahinter scheint sich für mich von Zeit zu Zeit zu verändern, was interessant ist, wenn man bedenkt, dass ich sie geschrieben habe. Das Album ist textlich nicht das Werk, auf das ich am meisten stolz bin, aber einige der Lieder hallen tief in mir nach, zumindest wenn wir sie live spielen.

Ich finde die Cover der beiden Alben klasse. „In The Shadow Of A Thousand Suns“ erinnert mich an eine dunklere oder schwärzere Version von AMORPHIS‘ „Tales From A Thousand Lakes“ Cover und das neue passt perfekt zum Titel und dem allgemeinen Eindruck. Wer ist der bzw. sind die Künstler und wie viel Einfluss hattest du auf das Coverdesign?

Es ist großartig, dass dir das aufgefallen ist, weil ich tatsächlich vom „Tales From A Thousand Lakes“ Cover beeinflusst wurde, als ich das Konzept mit dem Künstler Toshi Egawa ausgearbeitet habe. Das Cover von „In The Absence Of Light“ wurde Backstage auf einer Tour ausgearbeitet, auf der der Künstler, der Sänger der amerikanischen Black Metal Band LIGHTNING SWORDS OF DEATH, uns supportet hat. Wir haben uns unterhalten, hatten eine Idee und als er mir schließlich das Bild geschickt hat, hatte er ziemlich genau das getroffen, worüber wir gesprochen haben, was mir gut gefallen hat. Ich würde aber sagen, dass ich auf das Cover von „In The Shadow Of A Thousand Suns“ mehr Einfluss hatte, weil ich dem Künstler eine Menge Details vorgegeben habe.

Soweit ich weiß bezieht sich der Bandname auf eine der jungen Frauen, die bei den Hexenprozessen von Salem angeklagt wurden. Ich nehme an, dass die historische Referenz nicht nur aus einem Interesse an Geschichte herrührt, sondern den Leuten auch etwas sagen soll, selbst wenn es sie nur dazu bringt, die Bedeutung nachzuschlagen?

In Wirklichkeit war Abigail Williams der Ankläger der Hexenprozesse. Wir haben den Namen gewählt, weil der Ankläger nicht nur im historischen Sinn eine große Rolle gespielt hat, sondern Satan Hebräisch für „der Ankläger“ ist. Du wärst allerdings überrascht (oder vielleicht auch nicht?) wie viele Amerikaner weder den Namen kennen noch irgendwas von den Hexenprozessen wissen.

Jetzt würde ich dir gerne ein paar kurze Multiple Choice Optionen geben und es wäre nett, wenn du nicht nur eine wählen würdest, sondern deine Entscheidung auch kurz begründest.
CRADLE OF FILTH oder DIMMU BORGIR?

Definitiv DIMMU BORGIR. Ich war nie ein großer CRADLE Fan, obwohl es ein paar Lieder gibt, die ich mag, wenn jemand anders sie auflegt.

ABSU, NACHTMYSTIUM oder WOLVES IN THE THRONE ROOM?

Das ist hart für mich. NACHMYSTIUM und WOLVES IN THE THRONE ROOM sind nahezu ebenbürtige Konkurrenten in meiner Playlist. Deshalb ein Unentschieden zwischen den beiden, selbst wenn NACHTMYSTIUM etwas vielseitiger sind.
„Tara“ war aber auch fantastisch und ich mag alle ABSU Veröffentlichungen.

Vinyl, CD oder MP3?

Ich kaufe gerne Vinyl, höre aber MP3s, weil ich quasi immer unterwegs bin, auf Tour und auf Reisen. Vinyl ist besser als CD, weil die Cover so viel größer sind. Außerdem habe ich nicht mal einen funktionierenden CD-Spieler außer dem in meinem Auto, dass ich aber selten fahre, weil ich nicht zu Hause bin.

Bücher oder Filme?

Bücher. Ich bin ein großer Leser. Kürzlich habe ich mir einen Kindle Ebook Reader gekauft und das ist wahrscheinlich das coolste, was ich mir seit langer Zeit angeschafft habe.

Interviews via Mail, Telefon oder persönlich?

Ich mag Mailinterviews, weil ich sie dann beantworten kann, wenn es mir genehm ist. Manchmal erwischt dich ein Journalist an einem richtig schlechten Tag – die Sorte Tag, an dem du realisierst, du hast kein Geld, Bandmitglieder wollen aussteigen, der Hund stirbt – und erwischt die schlechteste Ausgabe von dir, nachdem er dich mit Bands verglichen hat, die du nicht ausstehen kannst, was mir einmal mit einem größeren Magazin, dem Terrorizer, passiert ist. So etwas bleibt bei denen vermutlich auch eine Weile hängen. Bei persönlichen Interviews mag ich, dass man mit dem Interviewer abhängen kann, was manchmal nett ist.

Das holen wir dann beim nächsten Album nach!

(Bild 1 von links nach rechts: Ken Sorceron, Ken Bekele, Ian Jekelis)
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