Wir lieben uns alle, aber gleichzeitig hassen wir uns sooo sehr


Interview mit TRC
Hardcore aus Großbritannien - London
Während die erste Band des Abends die Fans mehr oder weniger buchstäblich ihre Kreise ziehen lässt, sammele ich Anthony Carol und Chris Robson, die beiden Sänger von TRC, am Merchstand ein, um mich mit ihnen in den Keller der Werkstatt zu begeben. Ein wenig konträr zum hart zuschlagenden Hardcore der Londoner präsentieren sich die beiden äußerst sympathisch und immer für einen Lacher gut. Zur Sprache kommt dementsprechend auch, warum man im Hardcore getrost häufiger lächeln sollte. Außerdem winkt Aufklärung über die Revolution im Bandnamen wie auch über die mögliche Konkurrenzsituation mit zwei Sängern und was TRC von vielen anderen Bands unterscheidet.

In einem Interview habe ich gelesen, dass die Bedeutung eures Bandnamens TRC sich ständig verändert und The Revolution Continues quasi nur die Hauptbedeutung bleibt. Das Kurioseste, das ich bei der Internetsuche nach TRC gefunden hab, waren The Rottweiler Chronicles.

Chris: Haha, wirklich? Das hat aber nichts mit uns zu tun. Es hat zu der Zeit angefangen, als wir uns für Graffiti interessiert haben. Seit der Zeit reißen wir immer Witze über die verschiedenen Bedeutungen, aber es bedeutete schon immer The Revolution Continues. Oder, Anthony? Wir haben uns halt TRC genannt, und wenn die Leute nach der Bedeutung des Namens gefragt haben…

Und welche Revolution?

Chris: Eine musikalische. Ich finde, es ist Zeit für eine neue Art von Hardcoreband. Eine Menge Hardcorebands haben immer diese Texte über Revolutionen.
Anthony: Wir haben nie über Revolutionen oder etwas mit politischem Gehalt gesungen, weil das einfach nichts ist, zu dem wir eine große Verbindung haben.
Christ: Ich will keine anderen Bands angreifen, aber für mein Gefühl übernehmen und kopieren viele Bands einfach nur, was bereits gesagt wurde. Immer dieses „Steht auf, kämpft um die Macht!“ – Was wollt ihr damit wirklich sagen?
Anthony: Viele Hardcorebands haben den Eindruck, das machen zu müssen, weil sie denken, dass das Hardcore ausmacht. Aber das stimmt nicht. Im Hardcore geht es darum zu sagen, was auch immer du sagen willst.
Chris: Genau.
Anthony: Die ursprünglichen Bands haben das gesagt, was ihnen am Herzen lag. Damals. Das bedeutet aber nicht, dass man es kopieren muss. Es geht darum, ehrlich zu sein, zu sagen, was dir wichtig ist, und es einfach rauszulassen, ganz besonders bei Liveshows.
Chris: Wir wussten, dass wir auf einem guten Weg sind, als die Leute angefangen haben, über uns zu reden. Wir werden weiter das machen, was wir machen, und nichts ändern. Vielen scheint es zu gefallen und wenn andere es hassen, bleiben wir immer noch im Gespräch. Das ist dann immer noch gut.

Also geht es bei der Revolution mehr um die Themen, über die ihr singt, als um die Musik.

Anthony: Genau. Wir werden nicht darüber singen, wie Leute sich maskieren.
Chris: Ja, nichts von dem Zeug. Nur unser kleiner Versuch einer musikalischen Revolution, um ein wenig aus den Mühlen der Arbeit auszubrechen.

Ich frage das, weil ich mich gewundert habe, ob die Spoken Words Passagen ihren Ursprung eher bei Old School Hardcore Bands haben oder in anderen, modernen Genres.

Chris: Als wir aufgewachsen sind und angefangen haben, Metal usw. zu hören, war zweifellos Hardcore der wichtigste Teil unseres musikalischen Lebens. Wir sind davon also offensichtlich beeinflusst worden, aber heutzutage höre ich eine Menge Hip Hop und vermutlich kommt dieses kleine Element eher daher. Ich will damit sagen, dass wir nicht verschiedene Elemente früherer Bands nehmen und sie ins Jahr 2011 oder 2012 übertragen. Es ist einfach unsere Note.

Was sind für euch die Hauptvorteile daran, zwei Sänger in der Band zu haben? Und was sind Nachteile?

Anthony: Ich finde, man kann gesanglich viel mehr machen und gerade live ist es auch hilfreich. Es kann dir halt schon passieren, dass du in einer Strophe mit viel Text Probleme bekommst, alles hinzubekommen.
Chris: Er kennt das auch. Wenn ich ins Straucheln gerate und mir die Puste ausgeht, geb ich ihm ein kleines Zeichen, dann springt er ein. Umkehrt genauso.
Anthony: So gibt es live nie einen Abfall. Und wir können uns gegenseitig die Bälle zuspielen.
Chris: Wir können die Texte wie eine Unterhaltung anlegen. Wir können so schreiben, dass wir uns in einem Lied gegenseitig ansprechen an Stelle davon, dass nur eine Person verschiedene Sichten darstellt. Außerdem glaube ich auch, dass es eine besondere Energie gibt. Ich wäre verloren, wenn Anthony nicht da wäre, und umgedreht.
Ich musste schon mal eine Show ohne ihn absolvieren. Wir hatten jemanden, der ihn ersetzte, es hat aber nicht so funktioniert. Die Chemie hat gefehlt. Viele Leute sehen diese Chemie auch. Wir gehen nicht raus und strengen uns übermäßig an, wir pushen uns wie selbstverständlich, und das scheint den Leuten zu gefallen.
Anthony: Wir sind beste Freunde, seit wir zusammen in der Schule waren.
Chris: Und deshalb kennen wir uns. Ich weiß, wenn er auf der Bühne nach rechts geht, er weiß, wenn ich nach links gehe. Das ist etwas Besonderes, das da ist.
Nachteile…
Anthony: Egos…
Chris: Ein wenig, ja. Hehe. Gerade wenn es um das Schreiben geht, weil ich nicht der einzige bin, der sich einbringt. Wenn wir zum Beispiel an einem neuen Album arbeiten, schreibe ich ein paar Texte, dann kommt Anthony und sagt, „oh, zu dem Lied wollte ich aber was schreiben.“ Das sind so Kleinigkeiten, die passieren. Andere Nachteile fallen mir aber nicht wirklich ein.
Anthony: Außer wenn…
Chris: Haha, außer wenn eins der Mikrofone den Dienst quittiert. Wenn ein Veranstaltungsort nur zwei Mikros hat und eins kaputt geht, kommen wir in Schwierigkeiten. Aber wir sind mittlerweile ziemlich gut im Teilen. Ich kann mich einfach über ihn beugen und in sein Mikro singen.

Also gibt es auf der Bühne immer eine Kooperation und keine Showkämpfe?

Chris: Absolut. Wir treiben uns gegenseitig an, es ist aber nicht ich gegen ihn. Das sieht man häufiger, wenn beide Sänger versuchen zu (macht ein Geräusch, das man sich wie ein *ROAR* vorstellen darf.). Nein, sowas machen wir nicht. Die Leute sagen, man sieht das Grinsen in unseren Gesichtern, wir haben lachen einfach über den anderen.
Anthony: Wir haben einfach Spaß miteinander.

Ich habe gelesen, dass ihr ziemlich berüchtigt für eure Shows seid, die recht tumultartig ausarten können…

Chris: Ja, schon. Wir kommen aus der Londoner Hardcore Szene, die schon immer für ziemlich wahnsinnige Shows bekannt war. Aber Tumult ist übertrieben, die Leute drehen nicht vollkommen durch, sie genießen nur die Musik in vollen Zügen.

Es war vielleicht das falsche Wort, ich meinte auch nicht, dass…

Anthony: Die Veranstaltungsorte „übernommen“ werden.
Chris: Ärger oder Probleme. Es ist einfach Tollheit. Wir liefern eine gute Liveshow ab und darauf springt die Meute an. Außer in Hamburg vorgestern, weil wir da nur vor acht Leuten gespielt haben und ich weiß nicht, wie viel Tumult man mit acht Leuten machen kann. Aber es hat ihnen Spaß gemacht und das ist auch Teil unserer Einstellung. Es gibt viele Bands, die die Lust verlieren, wenn nur ein paar Leute aufkreuzen. Sie sagen sich dann, „Was soll der Mist, für die paar Gestalten spiel ich nicht“, und stehen einfach nur rum. Aber wenn du ins Kino gehst und nur zwei Leute da sind, ist der Film immer noch gut. Also ziehen wir unsere Show auch dann voll durch, denn die zwei Leute werden zehn anderen erzählen, sie hätten bei der TRC Show sein sollen. In etwa so haben wir auch angefangen und uns einen Ruf als gute Liveband erarbeitet, bei deren Shows die Zuschauer Spaß haben.
Schau dir das heute Abend an: Wir kommen nach Köln, in ein anderes Land, 1.000 Kilometer von zu Hause entfernt, und oben ist ein voller Saal. Für mich ist es Wahnsinn, dass wir das schaffen. Ein bisschen verrückt geht es vielleicht zu, ja, denn wir haben einfach Spaß live.

Der Vergleich mit dem Kino gefällt mir. Ich hab ihn vorher noch nie gehört, aber er macht Sinn.

Chris: Ich benutze ihn recht häufig. Er stammt nicht von mir, ich hab ihn irgendwo gelesen, aber ich finde ihn sehr treffend. Ich wäre auch lieber ein Oscargewinner als ein Film, der verrissen wird.

Soweit ich die Texte verstanden habe, drehen sie sich darum, man selbst zu sein, zu bleiben, Hindernisse zu überwinden…

Chris: Ja, wir bleiben bei dem, was wir kennen. Wie ich anfangs schon gesagt habe, haben wir es nicht so mit den Klischeetexten, „Das ist für meine Crew“ etc… Wenn wir darüber singen wollen, morgens ein Pint Milch zu trinken, pack ich das in ein Lied, weil das eben unser Leben ist.
All dieses Gesinge über abgefahrene Sachen, zu denen ich keinerlei Beziehung habe…
Anthony: Musik ist eine Art uns auszudrücken, also sprechen wir über Sachen, die für uns relevant sind. Mit denen wir leben.
Chris: Wir haben ein Lied über Urlaub machen in Las Vegas geschrieben, weil wir das gemacht haben. Wir sind da ein bisschen anders, denn wo hast du schon mal von anderen Bands und ihren Urlaubsreisen gehört?
Anthony: Du wirst es nicht erleben, dass ich von irgendwelchen Sachen rede, von denen ich keine Ahnung habe, wie auf der Straße aufzuwachsen, wo auf mich geschossen wird, Drogen etc… Sowas mache ich nicht. Ich ziehe mit meiner Band rum, wir haben Spaß auf Konzerten und machen Ferien.

Und ich dachte immer, was in Vegas passiert, bleibt in Vegas, und wird nicht noch besungen…

Anthony: Haha, es ist auch nur ein kleiner Teil.
Chris: Warte auf das Video, dann findest du vielleicht ein bisschen mehr raus…
Anthony: Den Rest überlassen wir deiner Vorstellungskraft.

Wenn ihr Lieder über persönliche Erfahrungen schreibt, muss bei Engländern doch eigentlich noch ein Fußballsong kommen, oder?

Chris: Nein, nicht wirklich. Wir mögen Fußball zwar, aber die Verbindung ist nicht so eng. Von uns ist auch keiner in einer „Firma“ oder sowas (Firm steht im englischen Fußballumfeld für eine Art Hooligangruppe, dargestellt z.B. in dem Film The Football Factory). Außerdem unterstützen wir eh alle verschiedene Vereine. Anthony ist Arsenalfan, ich bin für Manchester United und Ben für Tottenham. Es wäre also schwierig, das unter einen Hut zu bringen.
Anthony: Wir würden uns nie einig werden.
Chris lachend: Das ist dann auch ein Nachteil an zwei Sängern. Ich kann kein Lied über Fußball schreiben.

Ich finde es recht ungewöhnlich, dass eine Band so viel Zeit und Ideen in ihre Videos steckt. Warum spielen Videos so eine wichtige Rolle für TRC?

Chris: Ich könnte dir nicht mehr zustimmen.
Anthony: Heutzutage sehen sich viel mehr Leute Videos auf Youtube oder Ähnlichem an, als einfach nur bei MySpace reinzuhören. Keiner schert sich um das einfache Zuhören, sie wollen etwas sehen. Es geht um das visuelle Element.
Chris: Das Visuelle sorgt für eine zusätzliche Verbindung, und wenn die Leute nur das CD-Cover sehen. Sie sehen wie du aussiehst und bekommen einen gewissen Eindruck von der Performance, wenn sie uns vielleicht nicht live sehen können. Und wir gehen das wie alles mit einem ironischen Unterton an. Wir wollen nicht auf die Klischees zurückgreifen, ich hab keinen Bock neben einer Wand voll Graffiti zu posen und mich wie ein starker Kerl aufzuführen als Beweis, dass ich jemandem eine reinhauen könnte. Ich will keine typischen Performancevideos. Wir haben eins gemacht, “Bastard“, und das war einfach in unserem Proberaum, als wir uns gedacht haben, wir könnten schnell ein kleines Video machen.
In den nächsten Wochen werden wir eins zu „Temptation“ drehen, das wird auch ein schönes Ende haben.

Mit den Klischees habt ihr es wirklich nicht…

Chris: Ja, wir brauchen nicht zu posen, sondern lassen die Musik sprechen. Und dann können uns die Leute auch gucken kommen und sehen, was mit uns los ist. Ich hasse das Klischee abgrundtief. Das werden wir auf keinen Fall jemals machen. Und mir macht die Musik und die Band Spaß, warum sollte ich nicht lächeln auf einem Foto? Ich hab ein schönes Lächeln, also soll die Welt es ruhig sehen. Ich hab mir die Zähne machen lassen, warum sollte man rumstehen und das Gesicht verziehen, wenn man ein hübsches Gesicht und ein nettes Lächeln hat? Ich genieße das alles.
Anthony: Man muss nicht so tun, als wäre es ein ständiger Kampf.
Chris: Ganz genau. Warum schaust du so griesgrämig? Oh, ich weiß es, weil deine Band Mist ist. Hab einfach Spaß!

Das “H.A.T.E.R.S.“ Video ist spitze.

Chris: Ja, großes Kompliment an unseren Drummer Lasselle Lewis. Er ist großartig in dem Video!

Nachdem ich das Video ein paar Mal gesehen habe, ist mir aufgefallen, dass ich jetzt immer unbewusst in diesen Gang verfalle, wenn ich das Lied unterwegs höre.

Chris: Hahahaha, du fängst auch mit diesem kleinen Tanz an, den er macht? Das haben wir auch schon von ein paar anderen Leuten gehört. Du hättest die ganzen Aufnahmen sehen sollen! Er hat ein paar echte Moves drauf, von denen wir nur einen Teil drin gelassen haben.
Das war auch wieder ein bisschen speziell. Wir saßen auf der Fähre von Frankreich nach Hause und haben uns gesagt, dass wir ein Video zu dieser Idee brauchen: Was ist etwas oder jemand, dass jeder hasst, aber einfach weiter seinen Job macht? Jeder hat dazu eine Beziehung und als wir uns gefragt haben, wer der perfekte Typ ist, um das zu spielen, haben wir Lasselle breit grinsend da sitzen gesehen.
Anthony: Und so konnten wir ihn mal nach vorne bringen.
Chris: Ein paar Leute waren wohl ein wenig perplex und verwirrt. Aber wir haben uns davon nicht irritieren lassen.

Ist es nicht ziemlich teuer, die ganzen Videos zu drehen?

Chris: Eigentlich schon, aber wir haben einen Freund, der das für einen Freundschaftspreis macht. (in laut-ironischem Ton) Nein, ich scherze natürlich. Wir bezahlen alles, jedes Video hat 10.000 Pfund gekostet.

Dann werden sich die Behörden eure Rechnungen sicher nochmal genauer anschauen wollen.
Kommen wir zum Ende zu einer etwas anderen Frage. Wenn ihr für ein paar Monate auf einer einsamen Insel leben müsstet und dürftet fünf Leute mitnehmen, würdet ihr jemanden von den anderen Kerlen in der Band mitnehmen oder dann doch lieber, sagen wir, fünf knackige Mädels?


Chris: Ja, ich würde Anthony mitnehmen.
Anthony: Wenn ich jemanden aus der Band nehmen würde, dann Chris.
Chris: Wir haben diese besondere Verbindung in der Band. Ich glaube, keine andere Band verarscht sich untereinander so viel wie TRC, aber irgendwie hält uns das auch zusammen. Wir lieben uns alle, aber gleichzeitig hassen wir uns sooo sehr. Wir versuchen ständig, uns gegenseitig aufzuziehen, aus irgendeinem Grund funktioniert das. Um deine Frage zu beantworten, ich würde also Anthony nehmen und dann noch…
Anthony: Ich wähle doch lieber Ben (Taylor, einer der Gitarristen.).
Chris, künstlich pikiert: Oh. Gut, du kannst Ben nehmen, dann nehme ich wohl Lasselle.
Anthony: Wirklich?
Chris: Nein nein, Anthony ist schon ok.
Anthony: Jetzt können wir einfach nicht noch mit anderen Leuten ankommen. Fünf Leute auszuwählen ist hart, ich nehme Chris und verzichte auf den Rest.

Hehe, in Ordnung. Die letzten Worte überlasse ich euch:

Chris: Wenn ihr euch „Bright Lights“ noch nicht gekauft habt, solltet ihr das nachholen, weil es das Album des Jahres ist!
Anthony: Und wenn ihr uns bei diesen Shows nicht gesehen habt, habt ihr was verpasst.
Chris: Ja, ihr habt was verpasst, außer in Hamburg. Obwohl, nein, die hatten auch Spaß. Grüße nach Hamburg!

(1. Bild von links nach rechts: Richard Hiorns, Ben Taylor, Chris Robson, Anthony Carroll, Lasselle Lewis, Charlie Wilson)
-