Musik ist wie eine Seuche, die man nicht los wird.


Interview mit Macbeth
Heavy Thrash Metal aus Deutschland - Erfurt
Die Geschichte von MACBETH ist mindestens so bewegt wie lang, so dass man fast von Glück sprechen kann, dass sich die Dramen seit der letzten Reaktivierung der Band vor einigen Jahren auf vergleichsweise profane Dinge wie Besetzungswechsel beschränken. Vor diesem Hintergrund bieten sich natürlich Fragen zur Vergangenheit ebenso an wie zu dem beeindruckend starken neuen Album “Wiedergänger“, das vor wenigen Wochen erschienen ist. Beantwortet wurden sie von Ralf Klein, dem Gitarristen, der seit den Anfangstagen dabei ist.

Soweit ich gesehen habe, ist das neue Album fast überall mindestens gut, bei vielen Magazinen auch sehr gut aufgenommen worden. Wie wichtig ist euch, was die Medien schreiben, im Vergleich zu den Reaktionen der Fans?

Am Ende entscheiden die Fans, ob das Album gut ist. Reviews sind immer nur die persönliche Sicht des Autors. Mit unseren letzten beiden Alben sind wir sehr zufrieden und das ist was zählt.

Ärgert ihr euch, wenn ihr den Eindruck habt, jemand hat sich (eurer Meinung nach) nicht ausreichend mit dem Album beschäftigt, oder prallt so etwas an euch ab, weil es letztendlich auch „nur“ eine Meinung ist?
(Die Frage bezieht sich zum Teil auf das Review im Metal Hammer, das in MACBETH-Fankreisen für ein wenig Aufregung gesorgt hat und auch bei uns im Kommentarthread zu finden war.)

Das Metal Hammer Review ist einfach schlecht recherchiert und geschrieben. Wenn man mit der Musik nichts anfangen kann, ist das o.k. Aber der Schreibstil ist für so ein großes Magazin eher peinlich. Die junge Frau hat uns einen großen Gefallen getan, da sie bei vielen Leuten erst das Interesse geweckt hat. Am Ende ist es uns aber egal. Es gab schon dramatischere Dinge in unserer Geschichte, als ein schlechtes Review.

Mir ist keine Band mit einer ähnlich bewegten und dramatischen Geschichte wie eurer bekannt, die zudem heute noch bzw. wieder aktiv ist. Was sind die Gründe oder was war der Auslöser dafür, dass ihr euch nach alle den Schicksalsschlägen vor zehn Jahren dazu entschlossen habt, es noch einmal zu versuchen?

Wir sollten mal ein paar Songs zu einer Geburtstagsparty spielen. Daraufhin ermunterten uns viele alte Freunde, es doch noch einmal zu versuchen. Nach einer zugegeben zähen Anfangsphase und Neuorientierung stellten sich dann die ersten Erfolgserlebnisse ein. Außerdem ist die Musik wie eine Seuche, die man nicht los wird. Es fühlt sich einfach gut an.

Ohne es genau zu wissen, kann ich mir vorstellen, dass der Bandname damals in der DDR auch als Statement beabsichtigt war und aufgenommen wurde. Fiel die Entscheidung für tragische Figur des Macbeth damals auch in Verbindung mit dem Inhalt und den Interpretationen des Dramas? War es mehr eine Entscheidung für die Figur, weil Macbeth als am weitesten verbreitete Schullektüre Shakespeares allgemein bekannt war? Oder hat vielleicht auch der Klang von Macbeth im Vergleich zu zum Beispiel Hamlet eine Rolle gespielt?

Macbeth war für uns in erster Linie ein englischer Name. Das war in der DDR nicht gerne gesehen. Da es sich aber um eine Figur aus der Literatur handelte, konnte man uns diesen Namen nicht verwehren. Natürlich fanden wir die Figur auch äußerst reizvoll und passend für unsere Art der Musik. Heute hätten wir mit Sicherheit einen deutschen Namen, der sicher besser zum Gesamtkonzept passen würde. Aber der Name hat eine lange Geschichte und gehört unwiderruflich zu uns, bis die letzte Klappe fällt.

Seid ihr im Zusammenhang mit eurem Namen, der ja auch eine Geschichte von Aufstieg und Fall in sich trägt, schon mal dem Gedanken einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung begegnet bzw. habt ihr ihn gehabt?

Unsere Bandgeschichte hat schon etwas von Shakespeares Dramen. Erst letztens jährte sich wieder der Geburtstag unseres verstorbenen Schlagzeugers. So etwas zieht Dich auch 20 Jahre danach noch sehr weit runter. Allerdings schöpft man aus diesen Tragödien auch Kraft zum weitermachen. Wir sind der lebendige Beweis dafür, wie unnötig der Freitod unserer Mitstreiter war.

Beim Lesen der Stasiakten über die Band auf eurer Homepage habe ich mehr als nur einmal ungläubig den Kopf geschüttelt. Was waren eure ersten Reaktionen, nachdem ihr die Akten zu Gesicht bekommen habt?

Ungläubiges Staunen und Enttäuschung über die Leute, die uns bespitzelt haben! Da wir aber relativ lange mit den Anträgen gewartet haben, war die Wut nicht mehr ganz so groß. Kurz nach dem Mauerfall hätten wir sicherlich emotionaler reagiert und wären ausgerastet. Da wäre es für die betreffenden Personen nicht so glimpflich abgelaufen.

Nach der Geschichte kommen wir mal in die Gegenwart und zur Musik. Was macht für euch die Faszination der musikalischen und zum Teil auch textlichen Vorlagen wie etwa von Das Boot, „Maikäfer flieg“ oder dem Fritz Haarmann Lied aus, die euch dazu bringt, sie in eine neue, die MACBETH-Form zu übertragen?

„Maikäfer flieg“ stammt aus dem Dreißigjährigen Krieg und hat einen direkten Bezug zum Song. Auch den alten Schlager über Fritz Haarmann fanden wir sehr treffend. Diese beiden Lieder sind das Bindeglied zu der Zeit, aus der sie stammen und machen die Songs authentischer. Beim Boot ist man durch den Film schon emotional auf das Thema eingestellt und Klaus Doldingers Melodie ist natürlich ohnehin nicht zu toppen. Wir waren sehr stolz, dass er uns persönlich die Erlaubnis zur Verwendung erteilte. Das war ganz großes Kino.

Wie läuft in einem solchen Fall der Entscheidungsprozess innerhalb der Band ab? Kommt einer mit dem Original an und sagt, dass ihr das gut in einem eigenen Lied verwerten könntet, oder entstammen solche Ideen einer Diskussion in der Gruppe, wenn es um Ideen für neue Lieder geht?

Die Themen ergeben sich aus Gesprächen untereinander. Irgendjemand hat eine Idee und ich spinne sie dann weiter. Wenn es sich dann ergibt, dass ein alter Song oder eine alte Textzeile gut passen könnte, ist das ein Glücksfall. Generell sind wir aber nicht zwingend auf der Suche nach solchen Artefakten. Wenn es sich ergibt, ist es o.k. Darauf angewiesen sind wir nicht. Hätte uns Klaus Doldinger kein o.k. gegeben, wäre es eben eine eigene Melodie geworden.

Neben dem Thema „Tod“ behandelt Wiedergaenger meiner Meinung nach vor allem moralische Fragen, wie zum Beispiel bei „Stueck fuer Stueck“. Dabei habe ich den Eindruck, dass es euch nicht um das Liefern von Antworten geht, sondern um Beispiele, bei denen kaum eine eindeutige, moralisch „richtige“ Entscheidung möglich ist. Liege ich damit richtig, dass ihr textlich eher Fragen aufwerfen als Antworten liefern wollt?

Wir sehen uns eher als Geschichtenerzähler und wollen gar keine Wertungen abgeben. Das sorgt manchmal für Irritationen wie z.B. beim Song „April“ (Robert Steinhäuser) oder „Gotteskrieger“. Wir beschreiben nur Situationen und machen keine Songs mit erhobenem Zeigefinger. Wer zwischen die Zeilen hört, weiß dass wir weder Gewalt verherrlichen noch dazu aufrufen. Insofern stimme ich Dir zu, dass wir mehr Fragen aufwerfen als Antworten liefern. Die Leute sollen sich selbst ihre Gedanken machen. Das ist spannender!

Selbst wenn die behandelten Extremsituationen absolute Einzelfälle („Stueck fuer Stueck“) sind oder im heutigen Mitteleuropa ziemlich Unwahrscheinliches wie ein Gemetzel mit dem Ausmaß von Stalingrad behandeln: Wie groß ist euer Vertrauen in die moralische Entscheidungsfähigkeit der „jungen“ Generation in Deutschland, die nach der Wende und ohne einen innerdeutschen ideologischen Konflikt aufgewachsen ist?

Die moralische Decke ist nach wie vor sehr dünn. Ich glaube, dass bei genügend einseitiger Propaganda über die Medien jederzeit die größten Grausamkeiten möglich wären. Und das natürlich nicht nur in Deutschland. Wozu Menschen aus sogenannten zivilisierten Ländern fähig sind, sieht man doch tagtäglich im TV. Alte Vorurteile zu schüren ist doch eine leichte Übung und klappt immer wieder.

Ich vermute, dass ihr bei Konzerten immer noch das ein oder andere ganz alte Lied spielt, aber wer hatte denn die - meiner Meinung nach sehr gute - Idee, die vier Lieder des ersten Demos neu aufzunehmen und als Bonustracks einer speziellen Edition von „Wiedergänger“ zu veröffentlichen?

Natürlich spielen wir auf unseren Konzerten auch alte Songs aus den 80ern. Die gehören eben dazu. Leider gibt es keine brauchbaren Aufnahmen mehr aus der Zeit. Deshalb haben wir beschlossen, dass alte Demo von 1985 noch einmal neu einzuspielen, damit die Songs endlich
für alle Zeiten konserviert sind. Die Idee stammt übrigens von unserem alten Drummer und jetzigen Produzenten Patrick W. Engel.

Ich gehe davon aus, dass längere Touren aufgrund der Hauptberufe und Familiensituationen für euch in den letzten Jahren nicht in Frage kamen und das vermutlich auch in absehbarer Zeit so bleiben wird, aber wenn ich die Auftrittsorte der letzten Jahre so durchgehe, gibt es kaum Auftritte von MACBETH im „Westen“ Deutschlands. Woran liegt das?

An uns liegt es nicht. Wir würden gerne mehr im Westen unterwegs sein, da uns auch viele Leute deswegen ansprechen. Wir hoffen mal, dass der eine oder andere Veranstalter auf uns aufmerksam wird.

Letzte Frage: Welche DDR-Bands sind heute mehr oder weniger vergessen, hätten eurer Meinung nach aber eine Nachbetrachtung oder Neuauflage ihres Schaffens verdient?

Aus dem Metalbereich leider nicht allzu viele, da die Akzeptanz der meisten Bands mit eigenem Material nicht sehr groß war. Die meisten Bands mussten die Helden aus dem Westen covern, weil die Fans die Originale nicht sehen konnten. Wir hatten das „Glück“, verboten worden zu sein. Das machte uns auch mit eigenem Material für die Leute interessant. Eine sehr gute Band war BLITZZ aus Erfurt. Die brauchten sich musikalisch vor niemanden zu verstecken. Leider löste sich die Band kurz nach der Wende auf.
(Immerhin gibt es eine BLITZZ-Seite bei MySpace, auf der man sich einen kleinen Eindruck von der Band machen kann.)

(Bild 1 von links nach rechts: Hanjo Papst, Alex Kopp, Ralf Klein, Oliver Hippauf & Simon Mengs)
-