Marcel über den Nektar und die Szenepolizei


Interview mit Nocte Obducta
Black Metal aus Deutschland - Mainz
Sie sind mittlerweile zu einer festen Größe in der deutschen Black Metal Szene geworden – dennoch stets unterbewertet, missverstanden, oder einfach nur schlechtgeredet. Dennoch kommen die Mainzer von NOCTE OBDUCTA in regelmäßigen Abständen mit absoluten Hammer Outputs aus ihren Höhlen hervor – die sich vor allem immer durch ihre avantgardistische Art und Weise auszeichnen. Auch ihr neuestes Werk „Nektar Teil 1“ ist einmal mehr ein absolutes Top Album geworden – Grund genug mich einmal mit Bandchef Marcel Va. Tr. Für ein gespräch in Verbindung zu setzen!

Hallo Marcel! Euer neues Album "Nektar Teil 1" ist ja erst vor kurzem erschienen. Erkläre doch bitte mal, worum es sich bei "Nektar" handelt, und warum es ein Zweiteiler ist!


Der erste Teil beschäftigt sich mit vier Geschichten, die auf dem Hintergrund jeweils einer Jahreszeit dargestellt werden, und da wir alleine hiermit schon bei über 50 Minuten sind, erklärt es sich auch, warum der Rest auf eine zweite CD muss. Teil 2 ist in zwei Hälften unterteilt, von denen sich die erste in einer Art Rückblick mit der Zeit beschäftigt, in der der Grundstein für Nektar 1 gelegt wurde, man wird das den Texten anmerken, denke ich. Die zweite Hälfte schaut nach vorne im Sinne eines erneuten Aufraffens, nachdem man sich von dem gestern, das einen zu sehr gefangen hält, gelöst hat.

Und warum erscheinen die beiden Teile nicht gleichzeitig auf einer Doppel CD, wenn sie ja offensichtlich zusammengehören?

Wäre natürlich schöner gewesen, zumal die Alben ja auch gleichzeitig aufgenommen wurden, aber das wäre für die Plattenfirma finanziell wohl eher sinnlos gewesen.

Die Entstehungsdaten der einzelnen Songs auf „Nektar 1“ sind ja teilweise recht alt. Die Grundideen zu den meisten Songs liegen beinahe also schon zehn Jahre zurück, warum werden diese Songideen aber erst jetzt aufgenommen?


Wir hatten und haben halt immer verdammt viel mehr Material als ein normaler Mensch aufnehmen kann. Das Material hatte immer mal auf irgendwelche Alben gesollt, und irgendwann um die Zeit von „Taverne“ herum bekam ich die Idee, eben diese Lieder auf dem Rahmen der vier Jahreszeiten zu veröffentlichen. Da aber dann immer diverse andere Ideen kamen, oder wir mehr oder minder eine Zeit auf Eis lagen, um uns dann mit dem depressiven „Stille“ wieder an die Oberfläche zu trauen, wurde das immer und immer wieder verschoben. Aufgeben wollte ich das Material aber keinesfalls, Nektar 1 ist trotz seiner Komplexität und für den Black Metal vielleicht sehr modernen und fortschrittlichen Spielweise sozusagen das Ur-Nocte-Album.

Nun seid ihr ja bekannt dafür, dass ihr euch nie so richtig in eine Stilrichtung drängen lasst, und vor allen Dingen niemals vorhersehbar seid. Nektar klingt ja auch wieder total anders als der Vorgänger, ist jedoch meiner Meinung nach auch nicht wirklich mit den älteren Veröffentlichungen vergleichbar. Wieso also immer diese "Stilwechsel"?

Stilwechsel würde ich das nicht nennen, Nocte Obducta war schon immer ein sehr, sehr facettenreiches Unternehmen, und es ist halt immer eine andere Facette, die stärker hervortritt. Ich mag Eindimensionalität nicht, und da ich so viel unterschiedliche Musik höre, verstehe ich nicht, warum ich mich immer selbst kopieren sollte. Warte mal ab, was nach Nektar 2 kommt. Ich denke, da wird es mal ein wenig progressiver zugehen, allerdings nie ohne die nötige emotionale und sphärische Tiefe, keine Angst. Atmosphäre ist immer noch ein Hauptcharakteristikum in unserer Musik.
Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Nektar-Alben sozusagen die Quintessenz aller Nocte-Veröffentlichungen darstellen, erweitert um den ein oder anderen Aspekt.

Ihr steht ja anscheinend auf immer mal wieder zwischendurch eingeschobene Alben, die für euch einen noch krasseren Wechsel darstellen als es sonst üblich ist . "Schwarzmetall" war ja verdammt roh und "Stille" wie der Titel schon sagt richtig ruhig und verhalten – Wird es in absehbarer Zukunft wieder so etwas geben? - Habt ihr schon Pläne? Und wenn nicht, was könntest du dir vorstellen noch zu machen?

Sowas kommt ja nicht geplant. Was nach Nektar 2 kommt, ist wie gesagt schon relativ klar, das wird das wohl bislang dahin abwechslungsreichste Album werden. Was wiederum danach kommt, das werden wir dann sehen, ich weiß es ja selber noch nicht.


Euer Besetzungskarussell scheint ja leider auch kaum still zu stehen - vor kurzem hat euch erst wieder euer Keyboarder verlassen. Woran liegt das, dass ihr da immer so viele Probleme habt? Und überhaupt - gibts nicht öfters mal Zeitprobleme oder Überschneidungen, wenn die Mitglieder auch in anderen Bands tätig sind wie zum Beispiel Matthias (drums) bei Agathodaimon?

Es waren immer Leute in der Band, die es nicht nötig hatten, sich auf den Arsch zu setzen, das ist ein Problem, das man halt immer wieder hat. Man kann es den Leuten nicht verübeln, dass sie für Nocte nicht die nötige Energie aufbringen, aber man kann es ihnen verübeln, dass sie dann trotzdem bei uns spielen und die Band behindern. Im Falle von Steffen waren es jetzt halt die Überschneidungen mit seiner Band Misanthropic, deshalb wurde dieser Schritt, der allen Beteiligten schwer gefallen ist, nötig. Matthias hat ja bis vor kurzem auch bei Misanthropic gespielt, das ist nun nicht mehr der Fall. Die Überschneidungen mit Agathodaimon sind nicht allzu problematisch, aber sollten sie es werden, dann muss man eben wieder mal das Messer ansetzen, so bitter es auch ausgehen mag.

Inwiefern ist denn der Bandcharakter eigentlich da? Du machst ja eigentlich alles im Alleingang? Wie sieht das denn dann aus? Kommst du dann mit allem fix und fertig in den Proberaum und sagst nur, was die anderen zu tun haben? Bist du ein Diktator oder gibts auch demokratische Elemente in der Band ?

Nun, die demokratischen Elemente halten sich schwer in Grenzen, aber das hat ja nicht gleich eine Diktatur zu bedeuten. Ich denke, Torsten drückt der Musik als Sänger schon seinen Stempel auf, und vor allem Matthias Drumming, das er ja logischer Weise zum Großteil selber entwickelt, ist ein ganz wichtiges Merkmal von Nocte. Was die Kompositionen angeht und in der Regel auch das Arrangement, hatte bislang tatsächlich niemand wirklich Freiräume außer Matthias, aber auch das soll sich für die nächsten Aufnahmen ändern, da ich ein paar Ideen der anderen ganz einfach gerne dabei hätte. Was die Texte angeht, so werde ich da allerdings niemals irgendwen reinreden lassen, denke ich.

Gut, dass du die Texte ansprichst! Wie wichtig sind Dir denn deine Lyrics? Wenn ich mir die so durchlese erkenne ich da sehr viel persönliches darin.

Sehr wichtig, deshalb bleiben die ja auch bei mir, und dass sie sehr persönlich sind, ist bei emotionaler Musik, die auch Inhalte transportiert, klar. Zumal mittlerweile das autobiographische Element, das sich mit tatsächlich Geschehenem beschäftigt, immer stärker wird. Die ersten drei Lieder auf Nektar 2 werden ja nicht umsonst den Übertitel „Desîhras Tagebuch“ tragen.

Wie geht man denn damit um, dass man von den marktführenden Magazinen als "Dilletanten" Band bezeichnet wird, und anscheinend von vielen nicht verstanden wird?

Nun, dass uns viele nicht verstehen, das ist mir eigentlich ganz recht, wir machen keine Musik für die Massen. Und dass man uns einmal als Dilettanten bezeichnet hat, das zeigt nur, dass uns wieder mal jemand nicht verstanden hat. Wirklich, mag jeder uns so Scheiße finden, wie er will, aber von uns auf dem Hintergrund der ganzen Bands, die es gibt als Dilettanten zu sprechen ,das zeugt von Taubheit und übelstem journalistischem Stil. Oder Drogen, die ich nicht ausprobieren will. Aber was soll’s, wenn einen alle als technisch herausragend bezeichnen, und dann meint einer, wir könnten unsere Instrumente nicht halten... einer, der uns noch nie gemocht hat. Wer nimmt denn sowas ernst? Und wer liest schon dieses Magazin?

Und wie sieht es mit Übrigen "Szenehütern" aus? Wie habt ihrs denn eigentlich geschafft, eine Art "Feindbild" für die ganz truen zu werden?

Wir sind nicht zu kategorisieren, und da wir es trotzdem verdammt ernst meinen und das glaubhaft rüberbringen, ohne uns irgendwelcher Klischees zu bedienen, sind wir den Leuten wohl ein Dorn im Auge. Wir sind schwer zu fassen, und das ist nichts für biedere, starre, spießige, eindimensionale Menschen. Und aus solchen besteht die Szenepolizei. Mir aber egal, ich will mit dem ganzen Scheißdreck nichts mehr zu tun haben, so wie er jetzt ist, dazu ist mir Musik zu wichtig.

Ihr habt ja kürzlich erst am Metallic Noise Festival gespielt und wurdet von irgendwelchen komischen Leuten mit Eiern beworfen. Wie geht man mit sowas um? Ich meine haben die Leute keine anderen Probleme als euch mit Eiern zu bewerfen?

Also Black Metal ist das ungefähr null Prozent. Und anscheinend haben die Leute eben tatsächlich keine anderen Probleme. Wie man mit sowas umgeht? Beim nächsten mal werden wir das Konzert abbrechen bis das Publikum uns die schuldigen mit möglichst roher Gewalt vor die Bühne gezerrt haben. Billig, aber lustig. Und wir sind doch so lustig, nicht wahr?

Wie kommt denn eigentlich euer Faible für Becks ? Immerhin lichtet ihr euch ja damit auch in euren Booklets ab - meiner Meinung nach ist die Plörre ziemlich ekelig - und ich muss das wissen als Franke – wir haben hier nämlich gutes Bier!

Also, das war eigentlich früher immer Matzes Lieblingsbier, und so kam es, dass wir’s halt irgendwann alle ständig getrunken haben. Die Anwesenheit auf den Bildern ist nicht bewusst und hat auch nix mit der Marke zu tun, könnte auch jede andere Marke oder auch gar nichts sein. Ich mag das Bier schon gerne, aber ich trinke es eigentlich nicht mehr öfter als beispielsweise Radeberger. Und was willst Du als Franke wissen? Scherzkeks.

Was ist denn eigentlich dein persönliches Lieblingsalbum von Nocte Obducta - ihr seid ja wie schon gesagt sehr vielfältig. Ich kenne viele Leute die nur ein Album von euch mögen, und jeder ein anderes..

Hm, das kann ich nicht sagen... absolut nicht. Eines der frühen vielleicht... nee, keine Ahnung.

Alles klar - Das wars dann auch schon. Vielen Dank, dass du Dir die Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten. Platz für deine letzten Worte ist hier:

Platz ja, Ideen nein.

So sei es denn – warten wir gespannt auf „Nektar Teil 2“
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