Es geht um reale Sachen!


Interview mit Ancst
Black Metal / Crust aus Deutschland - Berlin
Nachdem ich Tom, Sänger und Sprachrohr von ANCST, auf ihrem Konzert in Köln als sehr sympathischen und offenen Menschen kennenlernen durfte, war klar, dass es nicht bei ein paar Bieren nach der Show bleiben konnte. So wurde der erste Kontakt dazu genutzt, eine Fortsetzung unseres Gesprächs nach Abschluss der Tour mit CHILDREN OF GOD zu vereinbaren. Gesagt, getan. Aals ANCST wieder im heimischen Berlin angekommen waren, wurde eine Telefonkonferenz organisiert und aus ein paar Fragen entwickelte sich ein interessantes Gespräch über Musik und alles, was damit einher gehen kann. Viel Vergnügen mit unserem XXL-Interview!

Ich schaue ja immer wieder auf eure Facebookseite und da stand, seitdem ihr von der Tour zurückgekommen seid, dass jetzt erstmal die Depressionen nach der Tour überwunden werden müssen. Habt ihr es geschafft?


Ich denke ja. Ich kann nicht für alle sprechen, aber ich für meinen Teil schon. Das Ding ist ja, wenn wir von der Tour wiederkommen und ins reale Leben zurückkommen, dann sind alle erstmal geknickt, da hat natürlich keiner Bock drauf. Wir nennen das die „Post-Tour-Depression“. Und wenn man sich mal mit anderen Bands unterhält, dann ist das bei denen auf jeden Fall auch so. Bei mir dauert das eine bis zwei Wochen und dann hab ich wieder einigermaßen gute Laune. Aber die erste Woche heißt: Mit keinem reden und zuhause bleiben.

Was vermisst du denn am meisten von den Erfahrungen auf Tour, wenn du wieder zuhause bist?

Ich glaube mir fehlt einfach dieses: Heute in dieser Stadt und morgen in dieser Stadt. Es ist ja schon relativ weit weg vom Alltagsleben. Na klar, du hast zwar auch deinen Alltag auf Tour, aber der ist ein ganz anderer. Und du machst den ganzen Tag, worauf du richtig Bock hast. Ich kann da jetzt nur für mich sprechen, aber wenn du in einer Band spielst, dann ist das einfach das Geilste. Du bist da drei Wochen mit ein paar Leuten in diesem Bus und danach fehlen dir diese Leute. Auch wenn ich manchmal ganz froh bin, die vier Wochen lang nicht sehen zu müssen. Obwohl das auf dieser Tour relativ entspannt war. Klar, und dir fehlt die Musik, dir fehlen die Konzerte, das ganze Drumherum und du kommst nach Hause, die Briefe liegen auf deinem Tisch, hier Rechnungen zahlen, da Rechnungen zahlen und dies musst du machen und das musst du machen, aber eigentlich hast du auf gar nichts Bock, eigentlich willst du nur pennen. Das klingt jetzt alles ein bisschen einfach, aber es ist halt eine Gefühlssache. Ich hab grad nicht so richtig Lust, wieder zur Arbeit zu gehen, obwohl ich nicht den schlimmsten Job habe. Aber wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich mich lieber wieder in einen stinkenden Van setzen.

Zur Tour mit CHILDREN OF GOD hast du jetzt ja ein wenig Abstand gewinnen können. Wie war's?

Es war super, richtig geil! Klar, du hast zwischendurch ein paar Sachen, die nicht so geil liefen, aber im Großen und Ganzen lief die Tour echt super. Wie ich dir in Köln schon erzählt hatte, war das eine zivilisierte Tour. Der Partyanteil war etwas nach unten geschraubt, so bist du halt ein bisschen fitter und hast weniger Stress. Die Tour ist für mich auf jeden Fall ein Highlight gewesen.

Und wenn die Tour ein Highlight war, was war ein Highlight auf der Tour?

Das ist schwer zu sagen, weil im Grunde alles Highlights sind. So viele verschiedene Länder in denen du noch nie warst. Aber wenn ich überlege, was auf jeden Fall ein Highlight war, das war in einer Halfpipe zu spielen in Tschechien und das ganze Drumherum mit den Leuten von GATTACA war megageil. Wien war auf jeden Fall gut wie immer, bei Andreas, der uns dort immer bucht, wird sich um dich gekümmert, die Leute sind nachher noch gesprächig, du kannst wie in Köln den ganzen Abend noch quatschen, die Atmo stimmt einfach. Freiburg war auf jeden Fall auch noch gut. Das war ein Riesending mit vielleicht 200 Leuten. London war noch ganz okay, bzw. UK insgesamt, aber damit verbinde ich sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen. Und dann noch die letzte Show in Berlin, wo wir alle schon megadurch waren, da war's nochmal richtig voll, all unsere Freunde waren da... Ich tu mich da echt schwer, vielleicht komm ich im Gespräch noch auf ein paar Sachen.
Das hat noch nicht mal allein was mit den Konzerten zu tun, es ist das ganze Drumherum. Durch Gent laufen und sich dort die riesigen Kathedralen angucken, zusammen mit deinen besten Freunden. Oder in London am Off-Day hatten Stefan und ich keine Knete mehr, um in die Innenstadt zu fahren, da sind wir eben in dem Bus geblieben, in dem wir nachts schon geschlafen hatten, auf irgendeinem schäbigen Parkplatz in einem der weniger gut betuchten Viertel in London und dann haben wir halt einen Arnold Schwarzenegger-Film angemacht und einen Joint geraucht und den ganzen Tag so verbracht.

Dann kommen wir doch mal zum letzten Release von euch, eurer Split mit AST. Es gibt da ja personelle Verknüpfungen zwischen ANCST und AST. Kannst du uns mal genauer erklären, wie die beiden Bands zusammenhängen, bzw. wie sie aneinander geraten sind?

AST ist die Band von Nico, der bei ANCST Gitarre spielt. Die Story dahinter ist ein wenig länger. Nico und ich haben noch diese andere Band, AFTERLIFE KIDS, da habe ich Drums gespielt. Und dann hieß es, Nico kommt aus Ulm nach Berlin gezogen. Dazu muss man sagen, dass Andi, unser anderer Gitarrist, auch aus Ulm ist. Und dann kam eins zum anderen. Nico ist aus Ulm nach Berlin gekommen, ich habe meinen Posten am Schlagzeug aufgegeben und Nico ist neuer Schlagzeuger von AFTERLIFE KIDS geworden, hilft ab uns zu auch mal bei HENRY FONDA aus, wenn mal ein Konzert ist, bei den John, unser Drummer, nicht spielen kann. Dann haben wir auch noch zusammen gewohnt. Er ist nach Berlin gekommen und hat erstmal ein halbes Jahr woanders gewohnt und ist dann mit seiner Freundin in meine alte WG gezogen. Die Rolle für den Gitarristen ist sowieso eine recht problematische gewesen, weil einige Leute da ran sollten und Nico ist immerhin schon der Dritte auf dem Posten gewesen. AST gibt es schon ein wenig länger, ich glaube, die gibt es noch aus Zeiten in Ulm. Nico macht das auch nicht ganz alleine, sondern mit seinem Kumpel Bene zusammen, der spielt sonst noch bei I SAW DAYLIGHT, ein Band, die Modern Hardcore macht.
Und wie kam nun eins zum anderen? Nico ist also bei uns eingestiegen, wir haben dann das erste AST-Tape nochmal aufgelegt und haben uns gesagt: Lass uns eine Split machen. Wir haben dann Stefan von Vendetta gefragt, ob er das veröffentlichen würde. Nico war natürlich megahappy, das war schließlich das erste AST-Release auf Vinyl. Da ist dann auch eine Split unkompliziert, wenn der Typ, mit dem du die Split machst, im Nebenzimmer wohnt.

Nachvollziehbar! Was habt ihr für Reaktionen bekommen?

Durch die Bank weg gute Reaktionen. Ich habe eine Menge gutes Feedback bekommen von Leuten, die Reviews schreiben und von denen, die die Band seit der ersten Stunde supporten und da freue ich mich richtig drüber.

Ihr habt ja auch Ambient-Releases draußen. Was haben die denn für einen Stellenwert im Vergleich zu dem Material, das ich von euch live erlebt habe?

Ich weiß gar nicht, wie die Intention war, damit anzufangen. Bei unserer anderen Band AFTERLIFE KIDS hatten wir damit angefangen. Wie du bei unserem Set gesehen hast, hatten wir Drones am Anfang, bei AFTERLIFE KIDS war der Drone-Anteil allerdings noch höher, zwischen den Songs z.B. und es gab relativ viel Effektboard-Haschereien. Dann haben wir irgendwann ein Tape gemacht, auf dem nur Ambient und Drone-Sachen drauf war. Das ging schnell und wir hatten auch keine hohe Auflage, aber es gab genug Leute, die das cool fanden, aber auch genug Leute, die das überhaupt nicht verstanden haben: „Hey, ich hab mir das Tape gekauft, aber da ist ja gar keine Musik drauf!“
Der Stellenwert... Ich steh halt total auf den ganzen Dark Ambient Kram. Das geht auch mit dem, wie ich ANCST sehe, mit dem Visuellen und so weiter, gut einher. Wir hatten ja schon immer ein paar Ambient-Parts drin, auf dem ersten Demo, der „Humane Condition“. Es ist auf jeden Fall ein bisschen zurückgegangen. Auf der Split findet man das ja nicht mehr so. Das ist halt eine andere Seite der Band. Ich fand's lustig, zweigleisig zu fahren und wenn ich Bock drauf habe, dann mach ich halt auch einfach nur einen Ambientrelease.

Aber eine Ambient-LP kann man von euch nicht erwarten, oder?

Mit Ambient-LPs ist es ja so eine Sache. Wenn du nach der Spiellänge gehst, dann hätten wir ja sowas. Die „Taima“ EP ist ja relativ lang. Da kommt bestimmt noch mal eine Ambient-LP und vielleicht findet sich ja auch jemand, der sagt, er hätte Bock, das auf einem größeren Format zu machen. Bis jetzt machen wir das halt auf Tape über unser kleines Kassettenlabel. Und es macht auch einfach Spaß, Release nach Release rauszukloppen. Das heißt nicht, dass wir uns keine Mühe damit geben, aber der Ambientkram ist halt auch schnell gemacht. Das ist alles eben viel Improvisation und first takes und entweder stimmt der Song oder er stimmt halt nicht.

Ich war ja live einigermaßen überrascht, weil ich vorher gar nicht auf dem Schirm hatte, dass ihr keinen Drummer habt. Wenn man sich euer Studiomaterial anhört, dann finde ich, dass ich selten eine Band gehört habe, die mit einem Drumcomputer arbeitet, der so organisch klingt. Häufig klingen Drumcomputer deutlich steriler und technoider. Wie macht sich die Tatsache, dass ihr mit einem Drumcomputer arbeitet, eigentlich beim Prozess des Songwriting oder um Proberaum bemerkbar? Ich stell mir das ja recht schwierig vor. Oder arbeitet ihr in solchen Situationen auch mal mit einem Live-Schlagzeug?

Ja, da muss man auch mal wieder ein bisschen länger ausholen. Ich hab die Band 2011 gestartet und habe zwei Demotracks aufgenommen, die dann auch das erste Demo geworden sind. Die lagen dann rum, bis ich im Freundeskreis gefragt habe, wer denn mal Bock hat, da ein bisschen was draufzuschreien. Nach ein bisschen Hin und Her bin ich dann auf Torsten gekommen, den ich von Konzerten kenne. Ich fand schon immer seine Stimme geil, weil die schön brutal ist. Dann hab ich ihn gefragt, wir haben ein bisschen was aufgenommen und das war richtig geil und so ist ANCST entstanden. Wir halten das immer noch so. Ich schreibe einen Großteil der Songs zuhause, produziere die hier auch vor und dann studieren wir die zusammen ein.
Was jetzt auch noch dazu kommt, auf der neuen LP und auch live haben wir schon drei Songs davon gespielt, sind Songs von Andi. Du musst dir das so vorstellen: Wir bewerben das ja quasi als das „Kollektiv“. Und am Anfang war es auch so, dass jeder von unseren Freunden hier mal was eingespielt hat und da mal was gemacht hat. Mittlerweile sind wir aber eine richtige Band. Dementsprechend ist das auch immer mehr verflochten. Und Andi, der eh schon mit mir bei AFTERLIFE KIDS und HENRY FONDA spielt und der ein absolut talentierter Typ ist, der fängt nun auch an, Songs zu schreiben. Er schickt mir ab und zu ein Demo rüber oder ich geb ihm eine Drumspur und sag ihm: „Spiel mal was drauf!“, und so läuft das bei uns. Es ist schon ein bisschen komplizierter als bei einer herkömmlichen Band, du kannst halt nicht in den Proberaum gehen und sagen „Wir machen jetzt mal.“ Das funktioniert bei uns nicht.

Du hast grad was von einem neuen Album gesagt. Was gibt es denn da zu wissen?

Eigentlich sollte das ja schon zur Tour fertig sein. Aber da wir ja auch manchmal ganz schön faule Säcke sind und lange brauchen, um was aufzunehmen, hat sich das ganz schön verzögert. Wir haben die Hälfte eines neuen Albums fertig. Es wird höchstwahrscheinlich zehn Songs haben. Ja... die selbe Scheiße wie immer, würd ich jetzt mal sagen. Vom Sound her ist alles ein bisschen glatt produzierter. Es kommt über Vendetta raus und über Halo of Flies, das ist ein US-Label, das der Typ von PROTESTANT macht.
Was kann ich sonst noch dazu sagen? Es hat noch keinen Namen und es fehlen noch fünf mal Texte und Gesang. Ansonsten ist es komplett gemixt und gemastert. Es wird auf jeden Fall geil, denn es ist das erste Release, von dem ich sagen würde, dass ich damit echt zufrieden bin. Mal gucken, wie der Rest der Welt das sieht.

Kommen wir mal zu was anderem. Seid ihr eine politische Band?

Ja. Definitiv!

Was heißt das?

Wir setzen uns inhaltlich in den Songs und in der Band mit politischen Fragen auseinander, manchmal ein bisschen kryptisch und manchmal nicht so. Dann haben wir ein politisches Image nach außen hin, damit sich die Spreu vom Weizen trennt. Das war am Anfang so, dass wir direkt gesagt haben, wir wollen keinen NSBM-Scheiß und wir wollen auch nicht, dass die Leute das hören. Wir sind aber auch keine richtige Metalband. Gib es zu, du hast uns ja live gesehen! Keiner trägt lange Haare, keiner trägt Lederklamotten, kein Corpsepaint und so einen Kram. Wir sind halt Hardcore-Kids, da wir aus der Hardcore und Punk Subkultur kommen, wo es ja eh viel um Politik geht. Da ist das ein ganz natürlicher Schritt. Es gibt aber auch Bands, die aus Hardcore-Kids bestehen und die Black Metal spielen, die dann sagen, sie wollen keine politische Attitüde dahinter haben. Uns ist das auch bei den anderen Bands und als Privatpersonen eine relativ wichtige Sache. Hab ich die Frage so beantwortet?

Einigermaßen.

Wir können uns da auch gerne noch länger drüber unterhalten.

Lass mich doch mal in eine andere Richtung fragen. Die Black Metal Szene ist ja eher unpolitisch, bzw. du findest einiges an rechter Scheiße in dem Bereich. Ich selbst bin jemand, der stärker im Metal verwurzelt ist als im Hardcore und bin als Black Metal Hörer auf euch gestoßen. Euer Sound ist natürlich kein klassisch norwegischer Black Metal, aber er ist für jemanden aus der Szene ein Sound, der unheimlich zugängig ist. Wie siehst du das eigentlich selber, wenn du sagst, ihr seid keine Metalband? Ist das Hardcore? Ist es Crust? Oder wie würdest du euren Schwerpunkt selber beschreiben?

Ich versuch dir das mal so zu erklären: Ich bin ja selber 50:50. Ich bin mit Extremmetal aufgewachsen als Kind und Jugendlicher. Und ich habe dann irgendwann, weil es mir zu unpolitisch war und weil die Strömungen, die ich im Black Metal mochte, immer mehr in Richtung NS ging oder einfach nur in Richtung Ignoranz. Das fand ich scheiße. Und dann habe ich Hardcore für mich entdeckt und habe gesagt, dass das mein Ding ist. Da geht es um reale Sachen und nicht um Drachen und Elfen, sondern um Dinge, in die ich mich reinversetzen kann.
Das Zauberwort für ANCST ist wohl „Crossover“. Ganz einfach. Alle von uns hören auch Extremmetal und sind mit Extremmetal sozialisiert worden. Alle Einflüsse, die wir als Individuen haben, spiegeln sich in der Band wider. Ich habe auch das ganze Metalcore-Ding mitgemacht und davor die 90er Jahre Norsecore-Geschichte und Crust, Grind. Das fließt alles ein bisschen mit ein. Ich höre zuhause auch Mainstream Rock, wenn ich da Bock drauf habe. Natürlich hast du die klassischen Trademarks von Black Metal da drin, du hast aber auch Hardcore drin und Death Metal und Metalcore natürlich.
Wir sind so eben keine klassische Metalband und fallen da raus. Natürlich gibt es auch im Metalbands, die politisch sind, die nicht diese Bierzelt-Mentalität haben. Wenn man das verallgemeinert, dann ist es halt so, dass Metal eher unpolitisch ist, auch wenn es Bands gibt, die über Jahrzehnte immer wieder was Politisches gemacht haben. Denk an Bands wie NAPALM DEATH oder alle möglichen Thrash Metal Bands, die immer wieder kleine politische Sachen gemacht haben.

Mir fallen da z.B. KREATOR ein.

Ja, auf jeden Fall! Und ANCST ist halt somit ein Crossover aus vielen verschiedenen Sachen. Und das ganze Punk- und DIY-Ding ist schon eine große Sache in meinem Leben, das verfolgt mich schon lange, weil ich mich da wiederfinde und mich damit sehr gut identifizieren kann. Natürlich gibt es das auch im Metal, aber nicht so nach außen gekehrt, wie im Punk / Hardcore.

Ich würde gerne noch auf euren Bandnamen kommen, wo wir grad beim Politischen sind. Ihr versteht euch als politische Band und dann heißt die Band ANCST, nur eben mit C geschrieben. Ich habe gelesen, dass ihr ursprünglich mal mit G geschrieben wurdet, gab es da irgendwelche Querelen mit einer anderen Band oder was ist der Grund für die Schreibweise mit C?

Es sollte eigentlich nur ein Demo geben. Alle bei uns im Freundeskreis nehmen zuhause auf, machen Demos als Ein-Mann-Bands. Sie nehmen was auf, machen ein Tape und dann verläuft sich das wieder. So sollte das mit unserem ersten Demo auch sein, aber dann hab ich doch noch was gemacht, weil ich es geil fand. Wir hießen eigentlich ANGST mit G, weil es mit einem Demo eigentlich scheißegal war. Und dann waren es doch die anderen Bands mit G, weil wir weiter machen wollten. Und das ist auch noch so eine Sache: Mit einem G im Namen findet man uns nicht. Und dann hatte ich das Logo vor mir und dachte mir: „Du musst ja eigentlich nur einen Strich wegnehmen.“ Dann haben wir das so gemacht. Da steckt nicht sonderlich viel dahinter. Und den Namen haben wir gefunden und dachten, dass das geil klingt. Wie bei vielen Bands steckt halt nicht so viel dahinter, weil die Intention am Anfang noch gar nicht klar war.

Ach so, denn ich wollte dich eigentlich fragen, was der Name heute für dich für eine Bedeutung hat. Angst ist ja auch ein großes politisches Thema. Leben wir im Moment in besonders ängstlichen Zeiten? Terrorismus, Klimakatastrophe, Kapitalismuskrise...

Ich will mal ganz ehrlich sein. Ich habe den Namen noch nie damit in Verbindung gebracht. Ich find das total schön, dass du sagst, dass du ihn mit all dem in Verbindung bringst, aber ich will ganz ehrlich sein. Ich hab da noch nie drüber nachgedacht. Aber ich merk mir das mal fürs nächste Interview.

Von meinem Höreindruck hatte ich euch unterstellt, dass die Musik, die ihr unter dem Namen ANCST macht, eine Kompensationsform für die Angst ist, die einem das Leben oder die Welt machen kann. Der Versuch, die eigene Angst in blanke Wut umzuwandeln und so habe ich euch auch live erlebt, weil euer Sound ja sehr geradeheraus ist. Das ist schon spannend, was allein ein Name und das Kopfkino des Zuhörers alles bewirken kann.

Ich find es auch gerade sehr cool, das Feedback von dir zu bekommen. Man kommt manchmal gar nicht auf solche Ideen. Man braucht dann halt andere Leute, die sagen, für mich klingt das so und so, das ist mein Eindruck. Das freut mich auf jeden Fall!

Ich würde gerne an dieser Stelle eine Art Spielchen mit dir spielen, ein Assoziationsspiel. Ich nenne dir einen Begriff und du sagst mir, was dir dazu einfällt.
Erster Begriff: Bandcamp.


Super Erfindung! Ich bin Fan. Auf jeden Fall! Bei uns läuft ja alles über Bandcamp. Ich lasse den Shop darüber laufen und das ist für Bands ein guter Deal, den du da hast. Ich surfe jeden Tag auf Bandcamp und höre mir neue Sachen an und kaufe mir neue Sachen. Für mich ist das eine Super-Möglichkeit, neue Musik zu entdecken, zumal ich kein Youtube-Fan bin. Und das alles in CD-Qualität. Da kannst du nicht viel falsch machen.

True Norwegian Black Metal

True Norwegian Black Metal... Ja... Was fällt mir dazu ein? Mir fällt dazu diese Tagline von einem DARKTHRONE Album ein: Norsk Arisk Black Metal. Ich find's doof. Die waren eh nur zweite Welle. Es gibt ein paar geile Bands, aber ganz ehrlich: Die meisten norwegischen Bands find ich kacke. Mir fallen drei, vier Bands ein, die ich cool finde, aber daher bedeutet mir True Norwegian Black Metal eigentlich nichts.

Metal-Kreuzfahrten

Hahaha, ich habe eine Kurzdoku dazu gesehen und es war sehr unterhaltsam! Torsten, unser anderer Sänger, sagt immer, er will unbedingt mit ANCST mal auf so einer Metal-Kreuzfahrt spielen. Natürlich sagt er das auch mit Augenzwinkern. Ich glaube nicht, dass man mich auf so ein Schiff kriegen würde. Ich find es lustig, aber … wie viel kostet so ein Ticket? Weißt du das? Richtig arschteuer! Ich würde mich nicht auf ein Kreuzfahrtschiff begeben, auch wenn da die ganze Zeit Metal läuft. Aber es ist eine lustige Idee.

Veganismus

Kann ich dir nicht viel zu sagen, weil ich nicht vegan bin, aber es gibt Leute in unserer Band, die vegan sind. Mich verfolgt das auch schon ein paar Jahre. Wenn du als DIY-Band in Deutschland tourst, dann kriegst du immer veganes Essen. Als ich angefangen habe Shows zu spielen, da war das noch ganz verrückt für mich. Da war ich noch relativ jung und hatte keine Ahnung. Grundsätzlich finde ich das super, aber es ist nicht mein Ding. Ich esse alles, aber nachdem meine Freundin vegan geworden ist, koche ich auch zuhause immer mehr vegan. Ich glaube aber, ich bleibe dabei, wie es ist.

Letzter Begriff: Berlin

Ich bin ja wirklich einer der wenigen, die in Berlin geboren und im Speckgürtel aufgewachsen sind. Auf der einen Seite mag ich Berlin, auf der anderen Seite muss ich sagen, dass ich hier irgendwann mal weg muss. Es nervt, Großstädte nerven an sich und irgendwann kannst du die ganzen verrückten Leute nicht mehr sehen. Die Mieten werden höher, die ganze Gentrifizierung ist ein großes Thema. Auf der anderen Seite: Kulturell und subkulturell gesehen geht nichts Besseres. Du hast jeden Tag Shows, du hast tausend Locations, wo man hingehen kann, wo man selber was machen kann. Die Szene ist relativ groß, in der Beziehung macht Berlin ordentlich Spaß. Und für mich ist das Heimat, wenn man es so nennen kann. Hier komme ich her und hier habe ich mein ganzes Leben verbracht. Das ist schon okay.

Jetzt will ich dir die Möglichkeit geben, ein bisschen Werbung zu machen. Wenn du in der letzten Zeit auf eine Band aus dem Underground gestoßen bist, von der du sagen würdest, dass die einfach mehr Menschen kennen müssen, welche Band würdest du empfehlen?

Das ist eine ganz, ganz schwere Frage, muss ich dir ehrlich sagen. Ich stoße dauern auf neue Bands, die ich megageil finde. Aber lass uns doch einfach mal auf die Tour beschränken. Ich nenn dir aus dem Zusammenhang ein paar Bands, von denen ich denke, dass man sich die unbedingt mal geben muss.
Eine tschechisch Band namens GATTACA. Die sind relativ bekannt, aber das schadet nichts. Die sind live der Hammer, die leben DIY, sind sehr politisch und zudem echt nette Leute. Die haben uns bei zwei Shows in Tschechien begleitet, bzw. die haben das organisiert. Das war ganz toll. Die Leute waren super, die Shows waren super. Eine Band, die man sich auf jeden Fall anhören sollte, wenn man sie nicht kennt. Die Musik geht in Richtung Neocrust, ist sehr emotional, wie ich finde. Ganz tolle Band!
Als nächstes haben wir in Utrecht mit einer Band gespielt, die kennt hier bestimmt noch keiner. Die heißen NEFAST und spielen Black Metal und sind zu dritt. Teilweise gehen die in Richtung EMPEROR. Was ich von denen gesehen habe, war der Oberhammer, richtig geil gespielt. Und der Sänger fängt auf einmal bei einer Nummer mit diesem Kehlkopf- oder Obertongesang an. Die spielen irgendwann im September in Mülheim.
Und DAWN RAY'D. Es gab in UK eine Band, die hieß WE CAME OUT LIKE TIGERS und haben sich aufgelöst und drei von denen machen jetzt Black Metal. Ich hab die in London gesehen, da haben die ihre erste Show gespielt und das war unglaublich geil. Zu dritt sind die schon eine ganz schöne Wand. Dann haben die einen Sänger, der sich die ganze Zeit bewegt und der peformt, als wär das der letzte Tag auf Erden und dann spielt der nebenbei noch Violine. Das Ganze klingt manchmal ein wenig holzig, wie aus dem Wald, hat auch ein wenig Hardcore-Einflüsse drin, aber nicht sonderlich viel. Und es ist auch noch eine politische Band, da geht mir das Herz auf, wenn ich mitkriege, es interessieren sich Leute für mehr als nur für Musik. Die sind im Mai auch auf Tour mit THRÄNENKIND und AST.

Ich würde gerne langsam zum Schluss kommen, aber die letzten Worte an die Menschen, die dieses Interview lesen, gehören dir.

Das ist nett! Ich möchte mich an dieser Stelle bei all den Leuten bedanken, die die Tour möglich gemacht haben, die uns seit Jahren supporten, Leuten, die uns hinterher reisen, die die Platten kaufen, die T-Shirts aus irgendwelchen Ländern in der Welt bestellen, von denen ich nicht gedacht hätte, dass es dort Menschen gibt, die sich mit sowas beschäftigen. Das alles ist megageil und, ich freu mich darüber! Man sieht sich!
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