Stimmungsvoller Doom und Gedanken über unser Dasein


Interview mit Ophis
Death Doom Metal aus Deutschland - Hamburg / Kiel
Mit „Nostrae Mortis Signaculum“ haben die in Norddeutschland hausenden Ophis (griechisch für Schlange) eine Mini CD mit schwer-stampfendem, düsteren Doom inklusive einem guten Schuss Death Metal rausgehauen, die schleppend, zermalmend und atmosphärisch dahinwalzt. Dazu fügen sich Texte, welche schlechte und leidvolle Seiten der Welt beleuchten… Also gleich mal Gitarrist, Sänger und Hauptkomponist Phillip „Phil“ Kruppa zur Rede gestellt:

Sei gegrüßt, Phil, Du bist ja der Gründer von Ophis und scheinst auch der Kopf der Band zu sein. Komponierst Du die Lieder weitgehend selbst, geben die anderen Muskier dem Ganzen letzendlich eine eigene Note oder sind sie gänzlich mit involviert?


Hi Stefan. Die anderen Bandmitglieder sind durchaus in den Songwriting-Prozeß integriert. In der Regel läuft es so ab, dass ich die Songs im Großen und Ganzen alleine zu Hause schreibe und dann in den Proberaum mitbringe, wo wir gemeinsam die Stücke ausarbeiten. In erster Linie kümmern wir uns dann um die Arrangements, und Jan arbeitet gegebenenfalls eine Zweite Gitarrenstimme zum Hauptriff aus. Oft fügen die anderen auch noch Riffs an, die sie zu Hause geschrieben haben, oder wir entwickeln gemeinsam zusätzliche Riffs im Proberaum. Von daher könnte man sagen, dass ich die Stücke erschaffe, und wir sie zusammen zu dem machen, was sie letzten Endes sind. Wobei der Einfluss der anderen mal sehr ausgeprägt ist, wie in „Convert To Nihilism“, mal stammt auch alles von mir (wie bei „Funeral“).

Wenn ich richtig übersetzt habe lautet der lateinische Titel Eurer aktuellen CD „Nostrae Mortis Signaculum“ auf deutsch „Das Zeichen unseres Todes“. Welche Bedeutung hat dieser?

Deine Übersetzung ist korrekt, wobei wir allerdings signaculum mit Abbild übersetzt haben. Unsere Songs setzen sich halt sehr oft mit dem Tod auseinander, auch mit der „Sterblichkeit“ von Dingen und Gefühlen, so dass man die MCD vielleicht ein wenig als ein Spiegelbild dieser Mortalität sehen kann. Die Platte hat eine gewisse suizidale Atmosphäre, so dass uns der Titel passend erschien. Durch das Latein bekommt er zusätzlich noch etwas prophetisches, das die Unausweichlichkeit der Vergänglichkeit verdeutlicht. Unsere Musik soll in gewisser Weise auch immer ein wenig an die Sterblichkeit erinnern. Viele Menschen leben meiner Meinung nach, als habe alles ewigen Bestand...

Bei den Dankesworten im Booklet schreibst Du leicht zynisch „And the world as a whole for being such a piece of shit, so that my inspiration will never lay down!“
Bist Du ein pessimistischer, weltkritischer Mensch und ist Ophis eine Art Ventil für Dich?


Ja, das kann man schon so sagen. Ich bin auf jeden Fall ein Pessimist und ich gehöre auch nicht zu den Leuten, die von allem immer nur die Sonnenseite sehen. Keine Ahnung warum, so war ich schon als kleines Kind. Das ist also kein Prinzip von mir, sondern steckt einfach so in mir. Wobei ich aber betonen möchte, dass ich nicht nur zu Hause rumsitze und vor mich hin grummele. Man sucht sich halt Nischen, die einem das geben, was man sucht, auch wenn das immer mit Mühe verbunden ist. Ich finde nun mal, dass die Welt mehr Dreck als schöne Dinge zu bieten hat. Mir setzt die Oberflächlichkeit unserer Gesellschaft oft extrem zu, die Konsum-Mentalität, der ganze Herdentrieb. Manchmal könnte ich echt kotzen, vor allem wenn ich die Glotze anmache. Von der Politik möchte ich gar nicht erst anfangen, da kann man ja auch nur noch resignieren. Der Voranschritt der Zweiklassengesellschaft, die Volksverdummung, der Prominenz-Hype, die immer intimere Datenerfassung der Bevölkerung, der Bildungsabbau... Und auf der anderen Seite die ständigen Auseinandersetzungen mit anderen Individuen und die Enttäuschungen daraus.
Ich habe durchaus eine Menge Spaß im Leben und gute Freunde, aber ich versuche halt immer, von diesem Einerlei wegzukommen. Ich will nicht sagen, dass ich es immer schaffe, aber ich versuche, meinen Alltag, mich selbst und die Menschen um mich herum so gut wie möglich zu reflektieren, und dabei hilft mir Ophis. Meistens fließen die Ergebnisse dieser oft sehr langwierigen
Reflexionen in unsere Musik, und natürlich auch die Texte. Der von Dir zitierte Satz aus dem Booklet ist natürlich eine zynische Übertreibung die mein Weltbild nicht komplett umschreibt, aber es steckt schon etwas Wahrheit darin: es wird immer genug Scheiße passieren, die einen deprimieren kann. Und ich bin nun mal zynisch veranlagt.

Verarbeitest Du bei „Kennel Of Estrangement“ eine persönliche Erfahrung? Hattest Du Gefühle für jemanden, die nicht erwidert wurden? Wenn die Frage zu persönlich ist, musst Du sie nicht beantworten.

Ja, aber ich habe da nicht nur eine Erfahrung verarbeitet, sondern mehrere. All meine Texte beruhen bislang auf persönlichen Erfahrungen. Ich habe schon oft etwas für Menschen empfunden, was nicht erwidert wurde. „Kennel Of Estrangement“ bezieht sich aber nicht nur auf unerwiderte Liebe, sondern allgemein auch darauf, dass persönliche Emotionen von anderen nicht bemerkt oder verstanden werden. Ich habe oft das Gefühl, dass meine Art zu denken und zu fühlen für andere oft unnachvollziehbar ist, so dass ich manchmal ein Gefühl der Isolation bekomme. Obwohl ich mit vielen Menschen gut klar komme, habe ich nur selten das Gefühl, mit Ihnen in einer wirklichen Verbindung zu stehen, die über bloße Kommunikation hinausgeht. Meistens ist mir das scheißegal, aber manchmal nagt dieses Gefühl sehr stark an mir, wenn man sich wünscht, mit einer bestimmten Person verbunden zu sein, aber da gibt es keinen Schmelzpunkt. Das ist einer der schlimmsten Schmerzen, finde ich.

Bezieht sich „Convert To Nihilism“ darauf, dass aufgrund des endgültigen, absoluten Todes alles nichtig ist?

Hey, Du bist gut! Exakt das sagt der Text aus. Als ich den Text seinerzeit schrieb, ging es mir wahnsinnig dreckig, und ich habe mit den Lyrics einfach den Wert von allem verneint, um es mir kurzfristig etwas leichter und erträglicher zu machen, es war mehr ein Wut-Ventil. Aber letzten Endes steckt doch die Nichtigkeit im Moment des Ablebens als Grundgedanke dahinter. Wenn Du stirbst, hat alles was Du warst und getan hast nur noch für die Lebenden Bedeutung, denn Du selbst existierst nicht mehr. Dinge, die wir tun und sagen erfüllen natürlich einen Sinn im Leben, aber dieser Sinn ist nur künstlich von uns auferlegt, er ist eine rein subjektive Interpretation. Es gibt keinen wirklichen, übergeordneten Sinn im Leben, meiner Meinung nach. Wir existieren einfach, und um diese Zeit angenehm zu verbringen, müssen wir Dinge erschaffen und ihnen einen Sinn geben. Aber im Moment des Ablebens zerfällt das Sinn-System, das man sich konstruiert hat. Von daher ist es oft traurig, dass man sich über so viele Dinge einen Kopf machen muss, obwohl sie eigentlich gar nicht real sind, wie Besitz zum Beispiel.

Was kannst Du zum Nihilismus (bzw. allgemein Gedanken in dieser Richtung) sagen und bedeutet er für Dich etwas?

Kommt drauf an, was man darunter versteht. Ich denke, dass wirklicher Nihilismus praktisch kaum durchführbar ist, da es solange man lebt immer etwas gibt, woran man sich festhält, und sei es auch nur eine Illusion. Ich
denke, dass der totale Nihilismus früher oder später nur zum Suizid führen kann. Für mich bedeutet Nihilismus eher das, was ich in der vorigen Frage angedeutet habe, die objektive Nichtigkeit des Seins. Ich denke, dass jeder Sinn, den jemand in etwas finden mag, eine rein subjektive, fiktive Sache ist. Es ist eine Definition, nicht mehr. Ein Philosoph würde das wahrscheinlich nicht als Nihilismus bezeichnen, aber darauf kommt es mir auch nicht an. Ich bezeichne mich nicht als Nihilisten im strengen Sinne, ich habe durchaus (positive) Werte an die ich glaube. Ich weiß halt nur, dass das subjektive Werte sind, die sich niemals universell verifizieren lassen. Unser Leben erfüllt keinen Sinn und Zweck.

Bisher scheint Ihr ja hauptsächlich im Raum Hamburg, bevorzugt im Headbanger’s Ballrom, aufgetreten zu sein. Wie schaut es mit Konzerten in Zukunft aus, gerade auch bei uns hier im Süden Deutschlands?

Leider hast Du schon wieder recht. Wir würden liebend gerne woanders auftreten, in ganz Deutschland und auch im näheren Ausland wie Holland beispielsweise. Bislang hat sich nichts ergeben in dieser Hinsicht. Wir arbeiten aber daran und sind recht zuverlässig, dieses Jahr auch noch mal aus Hamburg rauszukommen. Bei Euch im Süden würden wir sehr gerne spielen. Wenn Du was weißt, sag bescheid, und wir sind da und brauchen nicht mehr als `nen Schlafplatz und Benzingeld. Immer her damit. Dass wir hier in HH immer im Headbanger´s Ballroom auftreten, ist eigentlich eher Zufall (oder jedenfalls kein bewusster Plan von uns), und liegt auch daran, dass wir den Besitzer sehr gut kennen, und daher auch mal gute Möglichkeiten bekommen. Peinlicherweise gibt es hier in der Millionenmetropole gerade mal drei, vier Clubs, die Underground-Bands aus dem Metal-Bereich überhaupt auftreten lassen. Das Headbanger´s ist ideal auch von der Größe her und da kann man sicher sein, auch ein entsprechendes Publikum zu erreichen.

Auch wenn „Nostrae Mortis Signaculum“ eine Mini CD ist, sind fünf Euro doch eher billig. Allerdings klingt die Produktion keineswegs billig, zumindest von der Qualität her…. Wie viele Exemplare wurden produziert und wie kommt es, dass Ihr die CD relativ günstig vertreibt?

Die Erstauflage lag bei lediglich 500 Stück, aber wir werden wohl nachpressen lassen, sobald die weg sind. Dafür dass wir keinen Vertrieb im Rücken haben, läuft die CD nicht schlecht, sie ist immerhin außer bei uns auch bei vielen Mailordern auf der ganzen Welt erhältlich. Die Aufnahmen haben wir aus eigener Tasche bezahlt, und betrachten das nicht als eine Investition, die wir wieder erwirtschaften wollen, sondern schlicht als Ausgabe. Soo teuer war das Studio auch nicht, da Jens Ballaschke, der Betreiber auch nicht so sehr auf´s Geld schaut, sondern in erster Linie für die Leidenschaft arbeitet, was ich ihm hoch anrechne.
Vor allem ist der Preis aber so günstig, da unser Label Cxxt Bxxcher Records nicht gewinnorientiert arbeitet, sondern lediglich kostendeckend. Da wir die Recordings selbst bezahlt haben, trägt das Label die Vervielfältigungs- und Veröffentlichungskosten sowie die Promokosten, was aber bei kostendeckender Arbeitsweise mit 5 Euro pro CD machbar ist. Das heißt natürlich auch, dass wir an der CD keinen Cent verdienen, aber wen interessiert das schon? Doom Metal ist halt nix zum Geld verdienen. Dass die
Scheibe bei einigen Mailordern bis zu acht Euro kostet, liegt nicht in unserer Hand. Wir brauchen halt unsere 5 Euro pro Scheibe, und die Mailorder wollen ja auch ne Kleinigkeit verdienen, daher schlagen sie etwas Kohle drauf, was auch verständlich ist. Aber ich denke selbst acht Euro ist kein teurer Preis.

Was für Aussichten hast Du bezüglich Ophis? Was habt Ihr so vor?

Also, abgesehen von den üblichen Dingen wie das Ergreifen der Weltherrschaft und das Verbieten des Fahrrad fahren auf Zone 50 Straßen wollen wir erst mal ordentlich live spielen, wie schon weiter oben gesagt. Außerdem sind wir auf der Suche nach einem etwas größeren Label, dass vielleicht ein paar mehr Möglichkeiten bietet, was Vertrieb und Budget angeht. Wir haben also schon gewissen professionelle Ambitionen und sind keine Feierabend-Garagen-Combo. Allerdings geht es in erster Linie um die Verwirklichung unseres Sounds und das Erschaffen von gutem Doom Material, der ganze Business-Kram steht da hinten an.

Ich bedanke mich für das Interview. Die abschließenden Worte gehören Dir.

Wir haben zu danken, Stefan, für das interessante Interview und Euren Support. War mir eine Freude. Ferner grüßen wir alle Doom Jünger da draußen, ob sie Ophis nun kennen oder nicht (wenn nicht, wird´s aber Zeit : ) ). Danke an alle, die uns bisher supportet haben. Ach ja, und boykottiert Nu Metal und haltet Clubs und Szene frei von diesem Dreck.
Hail Metal!
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