3. In Flammen Open Air

3. In Flammen Open Air

CrowdDelta CepheidMathyrPace Of HearseSear BlissTorture Squad
Torgau, Kulturbastion
28.06.2008
So langsam beginnt man sich zu fragen, was in Torgau eigentlich alles noch abgefackelt werden soll. Nachdem in den beiden Jahren zuvor der Brückenkopf in Schutt und Asche gelegt wurde, ist im Jahre 2008 die Kulturbastion an der Reihe. Kompakter und aufs Wesentliche reduziert (was sicherlich den letztlich doch enttäuschenden Besucherzahlen der Vorjahre zu verdanken ist) präsentiert sich das dritte „In Flammen Open Air“ als eintägiges, aber nachmittags- und abendfüllendes Event, das an Härte und musikalischem Abwechslungsreichtum allerdings nichts eingebüßt hat.

Akt 1: Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Manchen Leuten sollte man einfach kein Mikrofon in die Hand drücken, während sich in der der anderen ein leer getrunkenes Bier befindet. Die Leipziger Chaoten von PACE OF HEARSE jedenfalls nutzen ihre Position als Anheizer, um den nötigen Soundcheck mit jeder Menge witzig gemeinten Sprüchen zu veredeln. Getreu dem Motto: Auf niedrigem Niveau beginnen, dann ganz langsam abbauen. Der musikalische Output der AC-DC-Fans passt da wie die Kutte zum Thrash-Gekreische. Schön stumpf und ordentlich auf die niedrigen Instinkte zielend, kommt man nicht umher, den einen oder anderen Sympathiepunkt für die sich selbst nie ernst nehmende Band zu verteilen.

Akt 2: Der Kult, der keiner ist

KULTHEIT gibt’s schon seit 1991, zwar unter anderem Namen, aber eine nicht repräsentative Umfrage bescheinigt den Ersteindruck, dass die Anzahl der Zuschauer, die schon einmal etwas von dieser Band gehört haben, gegen Null tendieren dürfte. Irgendwo im Thrash Metal verwurzelt präsentiert die mit ihrem übereifrig posenden Sänger und seinen jungen Burschen nicht gerade sehr authentisch wirkende Truppe schwer einzusortierende Stücke, die leider auch beim Publikum gnadenlos abprallen. Außer den Ohropax-Resten bleibt da wirklich nicht viel im Ohr.

Akt 3: Die Comedy-Truppe

Schon länger nicht mehr unterwegs gesehen, versuchen nun die Leipziger FACED REALITY, mit ihrem atmosphärischen Death Metal die Messlatte wieder etwas höher zu legen. Mit Keyboard und harten Melodien bewaffnet, gelingt ihnen diese Riffwanderung auch erstaunlich gut. Unglücklicherweise zwingen technische Probleme Sänger Stefan dazu, einen Großteil der spärlichen Zeit mit Kommentaren zu den endlosen Fummeleien seines Bassisten zu vergeuden. Dabei legt die redselige Bowlingkugel zwar einige gute Pointen vor, am Ende scheint das Gerede aber zeitlich gesehen dem Gespielten gegenüber deutlich besser wegzukommen. Sehr schade, da hätte noch was kommen können.

Akt 4: Die Ex-Freundin der Realität

Warum hat man nie eine Wikipedia zur Hand, wenn man mal eine braucht? DELTA CEPHEID jedenfalls dürften aufgrund ihres Bandnamens der schier allwissenden Enzyklopädie jedenfalls einige Hits verschafft haben. Ansonsten darf man als Erklärung immer nur „Ex-DEATH-REALITY“ hören und lesen. Während deren Death Metal aber noch ordentlich das Gehirn weggespült hat, wringen es die Sternenjünger erst einmal gehörig aus, um aus der ausgepressten Masse blutrotes Erdbeergelee zu kochen. Orientalischer Frauengesang und jede Menge fies verfrickelte Gitarrenparts lassen NILE-Fans im Dreieck hüpfen und dem Rest die Bulette aus dem Mundwinkel fallen.

Akt 5: Von der Menge für die Menge

Nach der anstrengenden Kopfmusik folgt nun weitaus massentauglicheres Material von der Leipziger Todesschwadron CROWD. Nackentaugliche Midtempo-Kracher wie man sie gewohnt ist, beruhigen das Gemüt und sorgen für ein breites Grinsen. Nüchtern betrachtet scheint aber das Kürzerwerden der Haare von Brüllfrosch Stewa die einzig aufregende Neuerung der Band zu sein. Musikalisch ähneln sich die Stücke einfach zu sehr, man nimmt sie aber dank druckvoller Präsentation dennoch dankend an.

Akt 6: Die Schwarzmaler

Die Sonne hält sich zwar hartnäckig am Firmament, nichtsdestotrotz unternehmen die Thüringer von MATHYR einen weiteren ernsthaften Versuch, den Himmel zu verdunkeln. Mit einem packendem Mix aus Death und Black Metal und ohne irgendwelche Showeinlagen wird hier der kontrollierte Abbau angestauter Emotionen zelebriert. Stets nach vorn gerichtet, aber immer mit einem geschickten Händchen für Zurückhaltung an der richtigen Stelle.

Akt 7: Der Ex-Freund der Ex-Freundin

Aus den Resten von ORPHANAGE stammen die Holländer von CILICE. Und die sind scheinbar ebenso angepisst von der vorherigen Beziehung wie ihre Kollegen zuvor. Und auch genauso verwirrt. In einer wahnwitzigen Tour, die uns einmal nach MESHUGGAH, DILLIGER ESCAPE PLAN, dem hiesigen Gitarrenfriedhof und wieder zurück führt, klappen beim Versuch, dem Dargebotenen zu folgen, mindestens drei Leute bewusstlos zusammen. Ja, das Leben ist hart, diese Musik ist härter.

Akt 8: Die Band aus der Stadt, wo wir ins Halbfinale kamen

ATRITAS haben einen langen Weg aus Basel hinter sich. Melodischen, keyboardunterstützten Black Metal haben sie mitgebracht. Manch einem scheint das wenig originell, nichtsdestotrotz gehen die dargebotenen Stücke sehr leicht ins Ohr und es bleibt genügend Resthärte, um ohne komische Blicke dem Bewegungsgott zu huldigen. Etwas steif und distanziert wirken sie zwar schon, aber glücklicherweise kann man das als Deutscher wie immer auf deren Nationalität schieben. Erscheint aber irgendwie recht kurz – wie der Auftritt der Schweizer Nationalmannschaft eben…

Akt 9: Brasilianer sind die besseren Deutschen

Brasilien – ein Land, dem es nicht gerade rosig geht. Aber jammern die deswegen rum wie wir Deutschen? Nein! Die brüllen ihre Wut einfach heraus, strahlen übers ganze Gesicht, verbreiten damit jede Menge gute Laune und zerbrechen sich einfach nicht so sehr den Kopf. Gut, den stumpfen Thrash haben TORTURE SQUAD zwar auch nur von uns geklaut, aber dafür bringen sie ihn technisch einwandfrei und sehr mitreißend rüber. Läge Brasilien In Europa, wer weiß, wie da die EM ausgegangen wäre.

Akt 10: Die finale Fanfare

Nun rächen sich all die kleinen Verzögerungen und die teils langatmigen Umbaupausen. SEAR BLISS haben scheinbar kein Glück beim „In Flammen“. Bereits letztes Jahr blieb kaum Spielzeit und auch heute erscheint der Auftritt erschreckend kurz. Zudem verschwenden die Ungarn mit einem langsamen Mid-tempo-Stück jede Menge Zeit, so dass sich die einzigartige Atmosphäre der Black Metal-Trompeter kaum entfalten kann. Das wenige Gebotene macht aber Laune und unterstreicht einmal mehr die natürliche Begabung der Band, einzigartige mitreißende Melodien zu kreieren. Auf eine Zugabe hofft man vergebens – plötzlich ist einfach Schluss.

www.in-flammen.com
Fotos von Madlen Krell

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