Weihnachtsscheddel - Manos Corz Retarded Noise Squad Zahnfleischbluten

Weihnachtsscheddel - Manos, Corz, Retarded Noise Squad, Zahnfleischbluten

ManosRetarded Noise Squad
Leipzig, Kulturbundhaus
25.12.2005
„Heavy Metal, nix im Scheddel“ - seit Jahren steht dieser Name nun schon für harte Musik und echte Männer, die sich infolge massloser Selbstüberschätzung (manche würden sagen: Dummheit) mit Alkoholika impfen, bis die letzte Synapse jammerlich um Erlösung bettelt und erwachsene Lebern nach der Gummizelle schreien. Was uns zu der Frage führen könnte, ob Synapsen eigentlich weinen...
Weinen ist für den Liebhaber technischer bzw. anspruchsvoller Musik jedenfalls angesichts der teilnehmenden Kapellen angesagt: Manos lesen wir da, Zahnfleischbluten sind auch da und haben Corz mitgebracht, bevor zu guter Letzt Retarded Noise Squad ins Auge stechen, die trotz ihres Namens definitiv die mit Abstand versierteste Band des Abends sind. Na dann mal Weihnachtsscheddel ahoi!

"Ruf Teddybär Eins-Vier..."

Den Auftakt besorgen recht pünktlich und in bester Truckermanier die komplett kaputten ZFB: Als LKWs verkleidet betreten nicht ausgelaste(r)te Musiker der Lokalheroen Tothamon die Bretter, um die anwesenden Hundertschaften ins Land des GagaGrindPunks zu entführen, wo wir im Verlaufe der Show auch Roland Kaiser (Udo Jürgens? Beide?) und andere Schlagersickos über den Asphalt verspritzen werden – eine Show jedenfalls, die Gott so nicht gewollt haben kann. Zwischen den Songs gibt es reichlich Improvisation, Lastfahrerlatein sowie dem Anlass entsprechend Geschenke in Hülle und Fülle, die von Bier über Duftbäume bis hin zu gebrauchten Pornoheften so ziemlich alle Facetten des modernen Lebens abdecken und teilweise auch längerfristig bei der Daseinsbewältigung nützlich sein könnten. Fakt ist soviel: Wenn Manos irgendwann den Tannenbaum abgeben, steht mit Zahnfleischbluten adäquater Ersatz in der Werkstatt.

"Trve Wvrstmaching"

Direkt im Anschluss betreten die corpsegepainteten Düsterheimer von Retarded die Bühne, um der Menge mit ihrer Version des Trve Anhaltian Black Metal einzuheizen – nee quatsch, nach einem angespielten Song verlassen uns die DeathGrinder, um sich schnell noch „in was Bequemes“ zu werfen. Zum verlängerten Intro der aktuellen Scheibe („Norwegisch-Uniform-Schwarz“) wirft sich dann eine skurrile Mischung aus S/M-Tamponfetischisten und dem Clown von ES ins Scheinwerferlicht und steigt dem Weihnachtsklaus mit „Red Alert“ gleich mal brachialst auf die Filzstiefel – meine Herren, was für eine unbändige Energie! Neben allen Hits von „Plastic Surgery...“ (Titeltrack, „Mind asleep“, „Homo Homini...“, „Walls of frozen flesh“ und der ganze Rest) gibt es auch einen neuen Song, der unter anderem durch sein äusserst kvltverdächtiges Wvrstmacher-Intro auffällt: „...gibt es etwas erniedrigenderes, als ein Tier zu töten, nur um es anschliessend in seine eigenen Eingeweide zu stopfen...?“ - Spiel's noch einmal, Sam...
Neben gutem Sound fällt bei Retarded auch die Beleuchtung positiv auf, die den härtesten und subjektiv besten Gig des Abends beeindruckend untermalt und so vielleicht mithilft, diese Band zur Weltherrschaft zu führen. In Anbetracht der guten Publikumsreaktionen und des hochklassigen Songmaterials wäre das nur verdient...

"Nazi-Drecksau - mit dem Rüssel in die Scheisse!"

Corz haben es danach vor allem deswegen leicht, weil sie im Kulturbundhaus quasi zum Heimspiel antreten und den Kindern nicht nur knackigen Auffe-Fresse-Sound, sondern auch tolle Sachen für zum Rumschmeissen mitbringen: Ballenweise Papierstreifen sowie die immer noch präsente LKW-Pappe von ZFB sorgen für kurzweilige Unterhaltung, während musikalisch dem RockPunkMetal mit tief- bis unsinnigen Texten gehuldigt wird. Hier und da 'ne Prise Attitüde, erstaunlich amüsante Zwischenbemerkungen und der Geist alternativer WG-Runden am 1. Mai passen bei Corz einfach gut zusammen und machen Lust auf mehr. Das anwesende Volk sieht es ähnlich und feiert die Leipziger entsprechend ab - Klasse Auftritt.

"Hol' mir mal 'ne Bockwurst..."

Mehr gibt's dann auch – allerdings von Manos. Diese Band ist ein Phänomen, eine Bank, eine einfache Steuererklärung, eine willkommene Benzinpreiserhöhung, ein... ...ein Unding eben.
Man fragt sich vor allem, woher die Kerle die Energie nehmen, ihre Masche derart konsequent und bis zum Äussersten durchzuziehen – und wie sie damit letztendlich doch wieder den Moshpit füllen: Tannenbaum, Stagediver, Bockwurst, blaues Auge, man kennt die Abläufe, aber auch heute muss man der Band einfach zu Gute halten, dass sie das Haus rocken, wenn man sich nur drauf einlässt. Manos bieten erwartungsgemäss keinen Übergig, doch spätestens, wenn man nach 20 Minuten durstig aus dem Pit wankt, um das letzte, wirklich allerletzte (naja...) Bier klar zu machen, hat man ein gutes Gefühl und kann sich völlig beruhigt anderen Sachen widmen. Verpassen tut man nämlich auch nichts.

Fazit: Der Weihnachtsscheddel wird seinem Ruf als Extremsport erneut vollkommen gerecht und bleibt in dieser Form momentan auch ziemlich konkurrenzlos – härter ist eigentlich nur der Scheddel am Tag danach. Aber wo gibt's denn heute noch was umsonst....

www.scheddel.de
www.morbidrecords.de/bands/manos/deutsch.htm
www.retardednoise.de
www.corz.de
-