Disillusion - Record-Release-Party

Disillusion - Record-Release-Party

DisillusionMyra
Leipzig, Conne Island
21.10.2006
Und dann war es so weit. Der Moment, auf den so viele zappelnd gewartet hatten. Eingefleischte Fans des vielgelobten DISILLUSION-Debütalbums „Back To Times Of Splendor“ treten nervös von einem Bein aufs andere. Leipziger Metaller, die die Ausnahmeband schon seit Demotagen unterstützen, klammern sich an ihr Bier und reden sich die Köpfe heiß. Der DJ schmeißt dazu alte Schoten von Machine Head und Benediction in den CD-Player.
Anlass ist die Release-Party zu „Gloria“, dem neuen Werk des Progmetal-Trios aus Metalcity LE, das mit gespaltenen Kritiken für allgemeine Aufruhr sorgt. Wer dem heißen Eisen schon vor dem Konzert ein Ohr geliehen hatte, war sicherlich verwirrt, im schlimmsten Fall gar enttäuscht. „Gloria“ wagt nämlich einen „desillusionierten“ Stilwechsel, sagt fast allen metallmusikalischen Ausdrucksmitteln Lebewohl, um vor allem straffere Kompositionen und elektronische Zutaten in den Sound zu integrieren. Wie kommt dieses neue Konzept bei den Fans an, die ein „BTTOS“, Teil 2 erwarten? Wie funktioniert das neue Material mit der immer noch zu dritt auf der Bühne agierenden Band live?

Gegen elf wird der Vorhang geöffnet: Die Videopremiere zur neuen Single „Don’t Go Any Further“ steht zuerst auf dem Programm. Über die Leinwand flimmert eine hübsch ausdesignte Mischung aus David Lynch und Agententhriller, die sich hervorragend mit dem ungewöhnlichen Song ergänzt. Da ist natürlich mehr als Höflichkeitsapplaus drin.
Überschwänglicher Jubel als Andy, Rajk und Jens die vernebelte Bühne betreten und tun, wozu sie hier sind, nämlich Songs von neuen Album vorzustellen. Die funktionieren, um die eingangs gestellte zweite Frage zu beantworten, live auch in Minimalbesetzung tatsächlich prächtig. Klar, kommt hier viel von der Konserve. Das war jedoch auch schon zu „BTTOS“-Zeiten unverzichtbar.
Das Publikum lauscht gespannt den „neuen“ DISILLUSION, schweigt zu den ausufernden, sich wiederholenden, fast hypnotisierenden Soundeskapaden, steht still zu den verzerrten Gesängen, applaudiert jedoch immer begeistert, sogar zu dem rein elektronischen Beat-Instrumental „Aerophobic“, bei dem sich die Band für ein paar Minuten hinter die Nebelschwaden zurückzieht. Die Zurückhaltung gegenüber den neuen Songs ist eindeutig zu vernehmen, wohl aber auch ein deutliches Interesse oder auch der eindringliche Wille, das Dargebotene gut zu finden.

Während die Reaktionen gegenüber dem Unbekannten doch noch etwas skeptisch ausfallen, regiert umso mehr die Euphorie, als die Band die alten Songs raus packt. „And The Mirror Cracked“, „Alone I Stand In Fires“ und die viertelstündige Ausschüttung von Glückshormonen „Back To Times Of Splendor“ sind in ihren wirkungsvollen Wechseln von hektischen Ausbrüchen und stillen Momenten extrem wirkungsvoll und sorgen dementsprechend auch für fliegende Haare beim Publikum.
Sicher werden die Reaktionen über DISILLUSION’s neuen Silberling nach diesen überragenden Konzert immer noch gespalten sein. Ich hab allerdings die Lust mit nach Hause genommen, „Gloria“ noch mehr Zeit zur Entfaltung zu gönnen, aber auch die Erkenntnis, dass die „BTTOS“-Epen doch im Gänsehautfaktor schwerlich zu übertreffen sind.

Stopp! Fast hätten wir hier die Vorband übergangen. Die passte nämlich so gar nicht wirklich zum Hauptact. MYRA sind geballte Leipziger Metalcore-Energie, und haben heute einen derart fetten Sound auf dem Mischer, dass die wie angegossen sitzenden Riffs, Beats und Breaks so cremig, locker und herzhaft lecker rüber kommen wie Gorgonzola-Käse. Wenn die Jungs mal auf Platte einen solchen Sound hinbekommen, würde ich nur noch dazu meine Käsebrötchen verputzen. Fetzige Core-Mucke, bei der einem alles so wunderbar vertraut vorkommt. So richtig spaßig berechenbar! Man weiß genau, was als nächstes passiert, freut sich aber trotzdem wie verrückt darüber. Da können sich auch die wegen DISILLUSION anwesenden Metalheads ein Kopfnicken nicht verkneifen. Bitte so weitermachen!
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