Paradise Lost & Neurosonic

Paradise Lost & Neurosonic

Paradise Lost
Leipzig, Hellraiser
28.09.2007
Die Wegbereiter des GothMetal zieht es wieder in die Pleißemetropole. Mit einem umwerfenden Album im Gepäck kann eigentlich nichts schief gehen und viele Fans erhoffen sich eine ähnlich fulminante Show wie 1994 im Easy Auensee. Doch dass sich neben der Zeit auch die Band ändert schlägt sich nicht nur an der gewohnt starken Setlist nieder. Aber das erwartete Best-Of-Programm mit einer guten Mischung aus ganz alten Songs und eben ganz neuen wurde nur zum Teil kredenzt. Aber zunächst bekommen die Newcomer von NEUROSONIC ihre Chance.

Die überall gepriesene Mischung aus Industrialelementen, Metal und Gothic bleibt lediglich auf das Outfit beschränkt. Die vier netten Kanadier gaben gewöhnlichen Hardrock zum Besten, der von Storchenschritt, Haarmützenbanging und Lederkäferoutfit optisch begleitet wurde. Eigentlich gibt es an der Musik nichts weiter auszusetzen, doch das Erstaunen und Lachen ist bei vielen groß als der Sänger beginnt, stimmlich alles niederzusingen. Der Kontrast zwischen Bandhabitus und Musik ist einfach zu groß, dass sich einfach nur gelassene Heiterkeit wie bei einem bestimmten Monty-Python-Gag über Sprachfehler römischer Statthalter breitmachte. Nach der Show erzählte mir dann der Gitarrist, dass sie es gewohnt sind und oftmals krassere Reaktionen (reaktionsloses Gucken beispielsweise) ob ihrer Musik bekommen. Bewegung bedeutet Haltung. Zumindest in Deutschland. [dt]

Dachte ich bisher BILLY TALENT würden den absoluten Nullpunkt im Musikgeschehen markieren, so schafften NEUROSONIC an diesem seligen Abend mal eben neue Tatsachen - reißbretternder Rummelplatzschund für ganz Arme. Quiiiek!

Die deutschen EYES OF EDEN fielen überraschenderweise krankheitsbedingt aus, so dass PARADISE LOST vorzeitig auf die Bühne durften. Dort zeigten die Helden meiner Jugend mit einem prinzipiell gängigen Set, dass der Weg zum Metaller doch etwas steiniger ist, als der Weg zurück zum Metal. In Zeiten, in denen man mit Konzerten förmlich erschlagen wird, reichen professionell abgespulte 70 Minuten nämlich in keinem Fall zu höheren Weihen.

Dramaturgisch war nach dem Opener "Never For The Damned" alles im grünen Bereich: Zwischen neuen Stücken wie "The Enemy", "Ash & Debris", "In Requiem" und "Praise Lamented Shade" streute die Band um den unerwartet schmal wirkenden Nick Holmes "So Much Is Lost" und "One Second" aus der streitbaren Mittelphase, dazu eine gar grässliche Liveversion des eigentlich grandiosen "No Celebration", sowie "Grey" und "Over The Madness" vom selbstbetitelten Comeback.
Fans der älteren Scheiben hingegen hatten erwartungsgemäß das Nachsehen - "Pity The Sadness", "Enchantment" und das unvermeidliche "As I Die" zeigten vor allem, dass Holmes stimmlich mittlerweile viel vom seinem einstigen Charisma eingebüßt hat und gerade in den energischen Momenten nurmehr ein Schatten des Mannes ist, der einst wie kein zweiter zwischen Melancholie und rasender Verzweiflung zu pendeln vermochte. Kein Wunder, dass das glatte Stimmchen durch diverse Backings aus der Konserve aufgehübscht werden musste.

Durch den angemessen guten Sound stand einem schönen Konzert trotz dieser Kleinigkeiten nichts im Wege, wenn da nicht die Sache mit dem Funken wäre: Die merklich reservierten Briten schafften es nicht nur zu keiner Zeit, einen Draht zum Publikum aufzubauen - sie verpassten im Gegenteil mehrere Möglichkeiten, durchaus vorhandene Reserven zu mobilisieren und mit der Tour zu dieser wichtigen Scheibe ein Statement abzugeben. Dafür braucht es meines Erachtens keinen langweiligen Klassikerset mit all den ollen Kamellen - eine Band, die Abend für Abend 90 Minuten mit den Fans lebt, schwitzt und das Gefühl verbreitet, dass sie sich mit dem Gebotenen vollkommen und ohne Ausnahme wohlfühlt, wäre da vollkommen ausreichend. Klingt anstrengend, ist es auch, aber nach all der Zeit gibt es kaum Alternativen, der etwas ausgekühlten Leidenschaft neues Leben einzuhauchen. Umso dringender, da der Ticketpreis mit satten 20+ Euro für 1,5 Bands dann doch verdammt aristokratisch ausfiel.

So hingegen hatte man das Gefühl, dass sich unsichere Musiker und ein nicht ganz überzeugtes Publikum gegenüber standen, kurz beschnupperten und schließlich doch ihre eigenen Wege gingen. Das macht PARADISE LOST und ihre Musik nicht kleiner, nur sollte man aufhören vermeintliche Erwartungen lustlos zu erfüllen und stattdessen versuchen, den Fans das Wesen dieser heutigen Band wieder nahe zu bringen. Das mag dem Kampf ums verlorene Paradies gleichkommen, aber wenn man es jetzt nicht versucht, dürfte die Zeit irgendwann verdammt knapp werden... ...bis dahin bleibt der Backpatch erst mal drauf. [rs]

Nach der viel zu kurzen Show blieb der Eindruck, dass dies nur ein routinierter Gig der Recken war und allabendlich dasselbe Programm abgespult wird. Die Fans 10 Minuten nach zwei Zugaben brüllen zu lassen, gehört wahrscheinlich zum schwarzen Humor der Band, die offensichtlich zwischen kalten Steinfußboden und Toilettentür immer noch ihre englische Würde behält. Aber bei dem straffen Programm, den PL absolvieren, war es ein toller Abend mit guten Songs und einem lautstarken Publikum. [dt]
-