The Ocean Intronaut & Nahemah

The Ocean, Intronaut & Nahemah

IntronautNahemaHThe Ocean
Leipzig, Conne Island
07.11.2007
In 10 Minuten gehts rein...

INTRONAUT sind mir schon eine Weile bekannt und haben mit „Void“ ein überragendes Werk komplexer Tonkunst im Gepäck und sind der eigentliche Grund meines Erscheinens im mittwöchlichen Leipziger Conne Island. THE OCEAN kannte ich nur auszugsweise und NAHEMAH gar nicht. Also im Internet nach Hörbarem gesucht, fündig geworden und freudig die Hände gerieben, alles schien für einen gemütlichen Konzertabend gerüstet. Schnell noch das fotografierende Blutkammer Damendoppel aufgepickt und los ging’s.
Ich schäme mich fast, dass zu sagen, aber: WIR WAREN DIE ERSTEN!!!! So etwas ist mir ja noch nie passiert! Natürlich war die Türe zu und die Bands hatten noch Soundcheck. Die lokalen Tür ABVs versprachen uns, dass es in 10 Minuten hinein ginge. Aus den 10 Minuten ist dann locker eine Dreiviertelstunde geworden, so hatte man genug Zeit, die letzten Forenaufreger zu diskutieren oder über Musik im allgemeinen zu fachsimpeln. So verging die Zeit dann doch recht flott und es gesellten sich nach und nach doch noch ein paar Wartende zu uns.

Dann gings relativ schnell, nach etwas Aufregung am Einlass waren wir dann alle drin, tranken, rauchten oder standen blöde rum, quatschten Dünnes und warteten wieder, dass der musikalische Teil des Abends endlich eröffnet werde.
Als erstes enterten die Spanier NAHEMAH die Bühne und zogen die ersten Leute in die Nähe der Bühne. Sie boten ein handwerklich sehr gutes Konzert mit zwei herausragenden Gitarristen und einem Sänger, bei dem scheinbar jemand seinen Gehstock im Arsch vergessen hat...na ja, nicht ganz aber die etwas gockelhaft-steife Art des Sängers wirkte schon recht eigenartig und auf Nachfrage bestätigten mir anwesende Damen, dass das nur bedingt erotisierend wirkt. Sei’s drum, musikalisch alles im Lot. OPETH trifft auf neuere KATATONIA und kulminiert in lavaartigen breitwandigen Klangeruptionen quasiNEUROSISschem Ausmaßes. Trotz albernem, aber gutem Sänger, eine hervorragende Eröffnungsband, die ausgestattet mit sehr differenziertem Klang immer mehr Leute begeisterte.

INTRONAUT, die kurz vor der Tour den zweiten Gitarristen austauschten, standen dann auf dem Programm, und ich freute mich schon wochenlang darauf. Was soll ich sagen, es fing erst mal Scheiße an: Technische Probleme bei den Gitarristen, die sich im übrigen durch das ganze Konzert ziehen sollten und so die Band zwangen, das eh schon kurze Konzert um zwei Titel zu kürzen. Das war echt Mist.
Was die Band und vor allem die Rhythmusgruppe trotz der Widrigkeiten bot war schlichtweg atemberaubend. Das Duo Joe Lester (Bass) und Danny Walker (Schlagzeug) standen ganz im Zentrum der Aufführung und zelebrierten das Komplexe mit einer so unglaublichen Leichtigkeit, dass es ein Genuss war beiden zuzusehen. Dass die beiden Gitarristen/Sänger links und rechts am Rande standen, ihre Sache meist ordentlich machten oder mit sich, ihrem Schicksal oder den Umständen haderten tat dem exzellenten Konzert keinen Abbruch. Eine Show gab’s nicht, rumstehen, musizieren und rumschreien, fertig. Der Sound bei INTRONAUT war wie der Rest. Bass und Schlagzeug klangen exzellent, die Gitarren waren etwas weit weg und undifferenziert. Ich war trotzdem begeistert und bei optimalen Bedingungen hauen INTRONAUT sicher jeden aus den Schuhen, so hat der Ringrichter nur bis 5 gezählt...Den immer zahlreicher erschienenen Fans gefiel es ebenso, und sie verabschiedeten die Kalifornier mit anständigem Gebrüll und vehementen Zugabeforderungen, die aber aufgrund des engen Zeitrahmens nicht gewährt wurden.

Langer Umbau, die Vorbandbackline weg und los ging’s mit den Hauptstädtern THE OCEAN. Das Kollektiv, heute bestehend aus 6 1/2 Leuten und einem Computer, versprühte so viel Charme wie eine Rolle Klingeldraht und fiel mir erst mal negativ mit gefühlt dreifacher Lautstärke im Vergleich zu den Vorbands auf. So was find ich immer absolut Kacke, aber egal. Das Konzert an sich war sehr gut, es hat geballert, geschoben und gedrückt. Man bediente sich bei ISIS, NEUROSIS oder den MELVINS oder PANTERA und schaffte so eine ganz eigene Melange, und ist eine der ganz wenigen deutschen Bands, die nicht provinziell klingen.
Den Abwechslungsreichtum, den sie auf ihren CDs gekonnt präsentieren, können THE OCEAN zumindest heute live nicht darbieten, vielmehr regiert der rohe Schnitzelhammer und hämmert fast pausenlos im beschwingten Midtempo aber auch mal stark abbremsend und, das zwar weit weniger und auch weniger überzeugend, sehr schnell. Die Präsentation ist einer Band wie THE OCEAN extrem wichtig und sie verstehen es, Titel mit Synthieeinspielern zu verbinden. Das machen sie im Grunde auch sehr gut und an diesem Abend auch mit weitem Abstand am besten, jedoch kann so etwas auch wie ein Pferdefuß zurückkommen.

Jetzt kommt die oben erwähnte halbe Person in Form des Hemdchenverkäufers/Mädchen für alles ins Spiel. Die gelblich/grüne Lichtstimmung des ersten Teils des Konzertes soll gewechselt werden, wie wird das nun bewerkstelligt? Eben jener einsame Held tauscht, während die Band von der Bühne verschwindet und vom Computer ein sphärisches, wenn auch unspektakuläres Synthieteilchen dudelt bei komplett abgedunkelter Bühne im Alleingang mindestens 12 Lichtfilter aus. Applaus für den Helden und Tadel für die Band. Das hat dem Konzert nicht gut getan und den Fluß jäh unterbrochen. Die Band schaffte es zwar leicht, die Anwesenden im mittlerweile gut gefüllten Conne Island wieder an sich zu binden, dennoch fand ich das nur suboptimal. Ich bin mir sicher, dass das nur eine Verlegenheitslösung war, denn wenn der Lichtwechsel auf rot unmittelbar und ohne Pause vonstatten gegangen wäre, wäre das ein hammergeiler Effekt gewesen, denn mit dem Lichtwechsel schaltete auch die Band einen Gang hoch und drosch auch mal drauf, frickelte und präsentierte sich wesentlich zubeißender. So war’s ne nervige Pause und die Idee und die Dynamik, die in ihr ruht, hat sich im Schweiße des emsigen Helfers aufgelöst.

Es war ein hervorragendes Konzert mit ausnahmslos guten Bands, die hier und da mit verschiedenen Problemchen umzugehen hatten. THE OCEAN sind mit voller Show und optimal abgestimmter Bühne mit Sicherheit ein ganz großes und vielschichtiges Erlebnis, so war’s nur sehr gut. INTRONAUT bestachen durch Handwerk, ohne Schnickschnack und bildeten so den Gegenpol zu den Berlinern. NAHEMAH waren musikalisch sehr überzeugend und haben die Leute gut unterhalten. Auch mir hat’s als Konzert gefallen, zu Hause bräuchte ich’s nicht.


Fotos von Yvonne

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