Carnivore + Raging Speedhorn

Carnivore + Raging Speedhorn

CarnivoreRaging Speedhorn
Saarbrücken, Roxy
08.12.2007
Irgendwann wird der Tag kommen, an dem ich dafür plädiere, den Veranstaltern des Roxy und der Garage einen Altar bauen zu lassen oder – alternativ – sie für einen Nobelpreis vorzuschlagen. Alles, was wir im schönsten kleinen Bundesland über Jahre so sehr vermissten, wird nun innerhalb eines Jahres nachgeholt. Hätte mir vor 2 Jahren jemand erzählt, daß ich in Saarbrücken einmal Bands wie EXODUS, ANTHRAX in Originalbesetzung oder die besten schwedischen Death Metal-Acts auf einem Haufen sehen würde, hätte ich ihm wohl ohne Umschweife den Vogel gezeigt. Selbigen ageschossen hat man nun, indem man die Achziger-Kult-Band CARNIVORE ins Roxy gelockt hat. Wer hätte daran gedacht, Pete Steele mit seiner einzig wahren Band einmal auf einer kleinen Club-Bühne erleben zu dürfen?

Bevor der hühnenhafte New Yorker aber die Bühne bestieg, mussten die recht zahlreich erschienenen Besucher erst einmal den Support-Act RAGING SPEEDHORN über sich ergehen lassen. 6 Vollhampels, von denen 2 für das Bellen zuständig sind, machen einen auf krank, wären gerne SLIPKNOT ohne Maske, und nervten zumindest den Schreiber dieser Zeilen wie die Sau. Einige gute Ansätze sind in den Songs der Engländer durchaus vorhanden, werden aber durch das krampfhaft auf freakig getrimmte Stageacting und vor allem den Gesang innerhalb von Sekunden zunichte gemacht. Einige im Publikum scheinen das aber anders zu sehen und gehen ganz gut mit, während ich erst mal zur Theke flüchte und hoffe, daß der Mist ganz schnell wieder vorbei geht!

Nach einer halben Stunde ist der Spuk endlich vorbei, und man hat während der Umbaupause (während der man abwechselnd mit CRADLE OF FILTH, OZZY und RIGHT SAID FRED beschallt wird) Gelegeneheit, sich auf das kommende Spektakel vorzubereiten. Eine TYPE O NEGATIVE- und somit auch CARNIVORE-Show steht oder fällt immer mit der Laune eines Herrn Steele. Ist der hühnenhafte Playgirl-Exibitionist gut drauf, oder kann man sich eher auf ein mittelschweres Disaster einstellen? Die Spannung steigt ins Unermessliche, die „Political Correctness“ wird ganz unten in der Hosentasche versenkt, und dann geht auch schon das Licht aus. Joey Z. (LIFE OF AGONY), Paul Bento und Steve Tobin betreten zusammen mit Pete Steele die Bühne, warten das Intro (das aus einem Klassik-Stück und der Filmmusik des „Weißen Hais“ besteht) ab, stöpseln ihre Instrumente ein und stimmen unter lauten Rückkopplungen auf die nächsten 80 Minuten ein. Der erste Abgang nach 2 Minuten irritiert Teile des Publikums dann erst einmal (TYPE O-Fans dürften diesen „Klassiker“, der von „You suck“-Rufen und Pete´s Antwort „I know“ begleitet wird, von früheren Shows her kennen)…

5 Minuten später sieht die Welt aber glücklicherweise wieder rosiger aus. Der Opener „Carnivore“ löst wohl nicht nur in mir eine totale Euphorie aus. Einen besseren Start kann es wohl kaum geben. Und mit dem folgenden „Race War“ stellt man auch sofort unter Beweis, daß die politische Unkorrektheit der frühen Tage und der Sarkasmus der Band keinesfalls im heimischen New York zurückgelassen wurde. Während man noch überlegt, ob der mittlerweile recht kaputt aussehende Fronter (der sich den Gesang mit Gitarrist Joey teilt) tatsächlich bis unter die Dachkante dicht ist oder einfach nur den Psycho spielt, klingen die bekannten Kotzgeräusche („Jack Daniels And Pizza“) aus den Boxen, um auf den „Retaliation“-Opener „Angry Neurotic Catholics“ einzustimmen und das Publikum weiter zum Ausrasten zu bringen. Die Band läßt sich von dieser Freude sichtlich anstacheln, schreckt vor kurzen Jam Sessions (die in einer kurzen Version von „Smoke On The Water“ gipfelte) nicht zurück und gibt mit den Göttergaben „Male Supremacy“, „Inner Conflict“, „Technophobia“ und „Predator“ wieder alles, nur um danach wieder einmal für Verwirrung zu sorgen: „Das Riff kenne ich doch!“ Nach kurzer Überlegung erkennt der alte MÖTLEY CRÜE-Fan in mir auch endlich das „Helter Skelter“-Cover und freut sich wie ein Kleinkind, bevor das räudige „S.M.D.“ und die kontroverse Hymne „Jesus Hitler“ (inkl. Intro, das aus einer Collage einer Hitler-Rede und Chorälen besteht) mich wieder auf den Boden zurück knallt und den „offiziellen“ Konzertteil beendet.

Bevor es dann mit dem Zugabenteil weiter ging, hatte man ein paar Minuten Zeit, das gerade gesehene zu verarbeiten, sich mal wieder über den grandiosen Monolog des Drill-Seargant Hartmann aus dem Film „Full Metal Jacket“, der laut aus den Lautsprechern drang, zu amüsieren und sich zu wundern, daß heutzutage wohl schon das Headbangen in der ersten Reihe verboten wird, wenn ein weiblicher Fan sich dabei gestört fühlt, Lümmel-Pete anzuschmachten. Erstens sieht der Typ mittlerweile richtig scheiße aus, zweitens ist eine CARNIVORE-Show kein TAKE THAT-Konzert, und drittens fällt mir nix mehr ein, wenn ein Fan nur wegen irgendwelchen (zugegebenermaßen ekstatischen) Körperbewegungen von der Security „abgeführt“ wird!

Die Frau neben mir hatte danach glücklicherweise wieder ihren Spaß und durfte Pete Steele während der beiden Zugaben, die aus den obligatorischen Killern „World War III & VI und „Sex And Violence“ bestanden, weiter mit ihren Blicken ausziehen. Ob dieser und seine Mitstreiter extra für diese Dame für das Restprogramm in blutigen Metzgerschürzen auflaufen, konnte bis dato nicht geklärt werden. Zumindest vermittlet gerade dieses Auftreten und das anschließende blutige-Tampons-Werfen aus Plastiktüten, für das extra ein paar leicht bekleidete Hupfdohlen auf die Bühne gezerrt wurden, den Spirit früherer Tage (bei früheren Konzerten warf die Band öfter mal Tierblut und Kadaverteile ins Publikum) und beendet stilecht mit einer qualmenden Monitorbox eine grandiose, ziemlich verstörende Show, die mit nichts vergleichbar ist, was ich bisher auf einer Bühne erleben durfte.

Nun hoffe ich nur, daß diese Show nicht die letzte war und CARNIVORE nächstes Mal für 25 Euro qualitativ bessere Shirts am Start haben, beschissene Vorbands zuhause lassen und auf das Rockstargehabe verzichten, nur für 10 Euro erworbene Poster zu signieren. Diese Mankos fallen angesichts der Killer-Show aber eher wenig ins Gewicht und konnten an diesem Abend zumindest die Stimmung nur sehr marginal trüben.

P.S.: Vielen Dank an Simone Ewenz von www.neckbreaker.de dafür, daß sie mir die hier abgebildeten Fotos zur Verfügung gestellt hat. Vielleicht schaffe ich es ja im nächsten Jahr, mir endlich eine vernünftige Kamera zu holen!

Bildergalerie

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