Shining Hellsaw Skitliv

Shining, Hellsaw, Skitliv

HellsawShiningSkitliv
Bitterfeld, Festung
22.12.2007
"Razors Over Europe" - so steht's in weißen Lettern auf den Tourshirts der schwedischen Band SHINING, die bisweilen eher wie eine persönliche Bespaßungsmaschinerie des Fronters Niklas Kvarforth wirkt. Da der spritzige Auftritt beim Hells Pleasure jedoch unerwartet atmosphärisch verlief, führt der Weg an diesem bitterkalten Abend nach Bitterfeld, wo das Konzert mit SKITLIV und HELLSAW den Abschluss der länderübergreifenden Bildungsreise besorgen soll.

Was mit Beginn des SKITLIV-Auftritts ins Auge fällt ist der desolate Zustand aller Beteiligten: Aus tief ins Gesicht gedrückten Kapuzen und kassenpflichtigen Gesichtsmasken schälen sich im Verlauf der Show ziemlich bedauernswerte Halbmenschen, deren grösstes Problem nach Aussage einer Tourbegleiterin darin besteht, dass man seit nunmehr fast drei Wochen ohne harte Drogen auskommen muss. Die Vorfreude auf den anstehenden Jahreswechsel in Holland ist dementsprechend groß, und so macht man sich daran, der Meute einen lustlosen, bedingt misanthropischen Abschiedsset um die Ohren zu knallen - nach 'ner Flasche Whiskey sieht die Welt gottseidank etwas freundlicher aus.
Musikalisch wirkt das Gebräu trotz - oder wegen - oben geschilderter Zustände recht kohärent, die oft schleppende Drumarbeit wird immer wieder von drückenden Riffs aus eher doomigen Gefilden und reichlich Gräusch durchschnitten, ohne dass dabei der kalt-vernebelte Grundton verloren geht, und wenn man sich dem Scheißleben unvoreingenommen nähert, könnte man wohl mit einem verschmitzten Lächeln den Begriff Blackened Postcore in den Raum werfen. Maniac ist also definitiv nicht mehr ganz true, macht seine Sache aber insgesamt sehr ordentlich und mit etwas Glück merken das beim nächsten Gig auch mehr als 10 Personen.
Einziges Manko des Auftritts - neben diversen Feedback-Orgien - bleibt das mit gefühlten 1000-Watt-Lampen bestückte Kreuz: Nicht invertiert und auf LSD sicher reizvoll, gibt's vom Weihnachtsmann dafür wohl eher den Knüppel.

HELLSAW können im Anschluss mit Corpsepaint aufwarten und bringen erstmals Bewegung in die Menge. Warum genau ist mir persönlich schleierhaft, da der Großteil des gebotenen Materials im Durchschnitt umherdümpelt - hier und da blitzen vor allem in den epischen Teilen zwar gute Ansätze durch, insgesamt aber sind auf dieser Baustelle gerade mal die ersten Gerüste aufgestellt.
Da dies glücklicherweise nicht alle so sehen, können sich die Österreicher über gute Resonanz aus dem Publikum freuen: In den ersten fünf Reihen kreisen ausdauernd die Köpfe, dahinter wird wenigstens rhythmisch mit dem Kopf genickt - mehr kann man in einem traditionell eher um grimme Coolness bemühten Subgenre fast nicht erwarten. Böse gucken und mit verschränkten Armen Bier trinken entfaltet als Abendgestaltung offenbar durchaus meditative Qualitäten...

Meditativ - das war eines der Adjektive, welches den erwähnten SHINING-Gig in Pößneck recht gut beschreiben konnte. Von dieser Atmosphäre allerdings sind die Schweden heute Abend ziemlich weit entfernt und das liegt neben der zu hektischen Beleuchtung auch ein wenig am Publikum, welches in weiten Teilen den Eindruck von Besuchern mittelalterlicher Monströsitätenkabinette macht:
Wird der Elefantenmann sich heute aufschneiden? Blut spucken? Vielleicht sogar seinen furchtbaren Rüssel ins Publikum halten? - Das scheinen die Fragen zu sein, die den gerade von der Talkshow ("Satan hat mein Kind geschwängert!") aufgestandenen Gaffern durch den Kopf gehen, ein bisschen Freakshow hätten wir gern, etwas nach bürgerlichen Maßstäben Extremes, und vielleicht noch was, womit man beim nächsten Kneipenbesuch dem geifernden Nachwuchs ein wohliges Schauern bescheren kann.

Das Tragische an der Geschichte ist, dass Kvarforth aufgrund seiner erworbenen Sucht nach Aufmerksamkeit, seines unbedingten Darstellungswillens, gar nicht anders kann als diese Gelüste zu befriedigen: Das bereits aus Berlin bekannte homoerotische Getue findet seinen Platz neben oralen Whiskey-Austauschmanövern, da wird dem längst unzurechnungsfähigen Maniac in den Mund gekotzt und am Ende bleibt trotz aller erzwungenen Tabubrüche im Schnelldurchlauf die Gewissheit, dass die durchaus vorhandene Ästhetik des Festivalauftritts nach drei Wochen Dauertour einer Schmierenträgödie niederster Machart gewichen ist. Das ist nicht mal mehr Selbstdarstellung, sondern nur noch kalkuliertes Scheinbefriedigen der beim Publikum vermuteten Sensationslust und somit eigentlich Populärkultur in ihrer reinsten Form.
Dass bei all dem Spektakel die musikalische Einzigartigkeit des Phänomens SHINING für beide Seiten vollkommen auf der Strecke bleibt, braucht hier wohl nicht extra erwähnt zu werden: Während Kvarforth sich possenreissend über die Zeit quält, vergisst die andere Seite über das Warten auf - Irgendetwas, dass die Songs der letzten Scheibe ein Meer sind, in dem man einfach nur versinken sollte...
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