Hell On Earth Tour 2008

Hell On Earth Tour 2008

All Shall PerishBeast War ReturnsCataractStick To Your GunsThe Destiny ProgramThe Red ChordWalls Of Jericho
Essen, Funbox Amalie
27.09.2008
Nutten und die HELL ON EARTH Tour, das gehört fest zusammen. Zumindest, seitdem das Spektakel in der Essener Skaterhalle „Funbox Amalie“ stattfindet, welche unmittelbar am Essener Straßenstrich gelegen ist. So kann ich mich, während ich an einem herrlichen „Indian Summer“ Nachmittag die Helenenstraße entlang cruise, direkt entsprechend auf die kommenden Stunden einstimmen. Wenn da nicht die unsägliche Bundesliga Konferenz auf WDR2 mit ihren ekelhaften Ergebnissen wäre… aber lassen wir das. Fest steht schon mal, dass die HELL ON EARTH Tour trotz einer zweifelhaften Bandzusammenstellung (dazu später mehr) immer noch mächtig zieht; so hat sich schon weit vor Einlass eine lange Schlange von schwarz gekleideten Kids mit vornehmlich kurzen Hosen und diversen Metallteilen im Gesicht gebildet. Schön, dass manche Touren nicht unter akutem Zuschauermangel leiden müssen.

Eröffnet wird das bunte Treiben bei völlig untrven Sonnenlichteinfall auf der Bühne von den lokalen Helden BEAST WAR RETURNS, die mit ihrem hektischen Deathcore die Halle sofort derbe unter Beschuss nehmen. Schon jetzt wird deutlich, dass der Sound heute in der Funbox bestenfalls mäßig rüberkommt – ein trauriger Fakt, der sich im Laufe des Abends nur minimal verbessert. Gut, bei dem undifferenzierten Gekreische des BWR Sängers wäre das im Prinzip sowieso egal, aber nicht mal die Ansagen kommen verständlich durchs Mikro. Die Band zeigt sich natürlich trotzdem durchweg engagiert, vermag es aber nicht, die Masse in ihren Bann zu ziehen, weshalb es meist bei ein paar pseudo-coolen Tänzchen und Höflichkeitsapplaus bleibt. Ob’s auch an den dämlichen Sonnenbrillen der Gitarristen liegt oder daran, dass der Sänger (wenn ich ihn nicht verwechselt habe) später im Krokodilskostüm durchs Publikum läuft, kann hier nicht abschließend geklärt werden.

Den darauf folgenden THE DESTINY PROGRAM merkt man deutlich an, dass sie weitaus mehr Routine und Erfahrung mitbringen als ihre Vorgänger, auch wenn man sich in Sachen Stageacting für meinen Geschmack viel zu sehr zurückhält. Der melodische Metalcore der Norddeutschen geht jedenfalls ziemlich gut rein und kommt auch besser beim Publikum an, allerdings sind die klar gesungenen Passagen ein wenig zu viel des Guten. Der – zumindest live – ziemlich abrupte Wechsel zwischen den Gesangsstilen sorgt eher für Verwirrung als für Freude, und so richtig toll klingt es eigentlich auch nicht. Dennoch ziehen sich die Jungs recht gut aus der Affäre, auch wenn der Auftritt irgendwie ein bisschen lustlos wirkt.

Kurz darauf geht es dann endlich los mit dem „richtigen“ HELL ON EARTH Line Up, denn die Niklas-Faves STICK TO YOUR GUNS entern die Bühne. Und siehe da, sofort ist ein ganz anderer Zug drin, die Kids erwachen aus ihrer Lethargie und kommen endlich in Bewegung. Anscheinend haben die Amis auch bei uns schon einen richtig guten Stand, anders sind die euphorischen Reaktionen in der Funbox nicht zu erklären. Von ungefähr kommt das aber auch nicht, denn die Band wirkt sehr sympathisch und hat ordentlich Hummeln im Hintern. Der Blaupausen Hard/Metalcore der Truppe, der wirklich kein Klischee auslässt, zündet jedenfalls ohne jede Verzögerung und entlockt auch dem inzwischen eingetroffenen Sportskameraden Bach ein anerkennendes Nicken. Nach einer echten Energieleistung, die entsprechend honoriert wird, dürfen sich STICK TO YOUR GUNS als erster Gewinner des Abends fühlen. Daumen hoch! [mh]

Die erste Band, deren Auftritt ich vollständig verfolgen kann, ist die Schlachtergemeinschaft von ANIMOSITY. Nach der erfolgreichen Interaktion zwischen Publikum und STICK TO YOUR GUNS vorher, gibt es jetzt das volle Brett samt schwer an den Nerven zehrenden Squeal-Vocals. Die nicht unanstrengende Musik lässt auch große Teile der Anwesenden etwas ratlos erscheinen und so gibt es trotz der stattlichen Anzahl an ANIMOSITY Shirts nach den ersten Liedern nur spärlichen Höflichkeitsapplaus. Desto weiter der Auftritt voranschreitet, desto weniger reserviert gibt sich das Publikum, mein Highlight ist aber das YES-Shirt von Sänger Leo, das in etwa so passend wirkt wie eine Porngrind Band auf einer Hochzeit.

Nach den Metzgern von ANIMOSITY ist es Zeit für ein bisschen Entspannung. Was liegt da näher, als sich auf die Frickelfritzen von THE RED CHORD zu freuen. Tatsächlich versuchen einige Mutige eine Art Pit zu veranstalten, können den rasanten Taktwechseln und den auf den ersten Blick unstrukturierten, in Wahrheit vermutlich aber eher überstrukturierten Liedern nicht sehr synchron folgen. Ausgehend von der Körpersprache ist das aber auch nicht der Sinn des Faust- und Schenkelschwingens.
Die schwer zugängliche Musik der amerikanischen Tech-Grind-Death-Coreler macht ihrem Namen bei den anwesenden BC-Redakteuren alle Ehre, zumal glasklarer Sound sich auf jeden Fall anders anhört. So widme ich mich einem „leckeren“ veganen Gyros-Wrap, der ganze zwei Geschmacksnuancen kennt: die Salatgurke gewinnt gegen das Grillgewürz. Der routinierte Auftritt von THE RED CHORD wird dabei von der Galerie aus zu Ende verfolgt und auch von oben sieht man, dass der Funke zwischen Band und Publikum heute nicht wirklich überspringen will. Technisch sauber, emotional mäßig. [mba]

Same procedure as last year, Miss Sophie? Same procedure as every year, James!
Genau das kommt einem fast schon in den Sinn, wenn man diese smarten jungen Herren auf der Bühne sieht. Mit ALL SHALL PERISH hatten wir auf der letzten Hell on Earth-Tour das Vergnügen (für die anderen anwesenden Bloodchamber-Redakteure eher ein zweifelhaftes Vergnügen). Was jedoch den Unterhaltungswert der ganzen Anglegenheit keineswegs eindämmt - hat man doch das Gefühl, dass die Band noch mehr Gas gibt, noch mehr frickelt, noch mehr brüllkreischquiekt, noch mehr Späße mit dem Publikum treibt und noch mehr Anhänger dazu gewonnen hat. Sicher diskutierenswürdig, ob die dritte Deathcore-Frickel-Kombo in Folge dem Abwechslungsreichtum des Abendprogramms zugute kommt, aber dennoch eine platt walzende Show. [yb]

Die stundenlange Bearbeitung durch die Weltvernichtungstrümmertruppen hinterlässt ihre Spuren und so ist die Vorfreude auf CATARACT bei mir heute besonders groß. Die Schweizer Dampframme eröffnet ihr Set mit dem Instrumental „Tonight We Dine In Hell“ vom aktuellen Album, bevor Sänger Fedi auf die Bühne stürmt. Die nachvollziehbareren Liedstrukturen sorgen sofort für ansehnliche Bewegung vor der Bühne samt von der Band geforderten Circle Pits. Die Besetzungswechsel der letzten zwei Jahre spürt man in der als Einheit auftretenden Band zu keiner Zeit und die Herren lassen sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als erstmals an diesem Abend die Bühne nicht nur von ein paar Divern besucht, sondern gleich von einer ganzen Horde geentert wird.
Bei aller Freude, die durch die Energie und mitreißende Wucht von CATARACT aufkommt, kann ein Kritikpunkt, der oft mit der Band in Verbindung gebracht wird, auch heute nicht ganz entkräftet werden: die Ähnlichkeit vieler Lieder. Unterstützt von den den ganzen Abend über akustisch kaum verständlichen Ansagen fällt damit die Setlist aus. Kurz zusammengefasst kann ich aber sagen: der Schwerpunkt lag auf den letzten beiden Alben, es gab stumpf ordentlich ins Gesicht, der Kopf wurde geschüttelt, es hat Spaß gemacht und es wurde gegen Nazis gewettert. CATARACT, für mich live immer eine Bank. [mba]

Zu guter Letzt dürfen die Detroiter WALLS OF JERICHO beweisen, dass sie würdig sind, die HELL ON EARTH Tour im zweiten Jahr in Folge zu headlinen. Und sie unterstreichen heute Abend mal wieder mit Nachdruck, dass sie ihrem Status mehr als nur gerecht werden. Trotz eines Mammutprogramms mit insgesamt acht Bands explodiert die Halle noch mal, als Candace und ihre Jungs auf der Bühne erscheinen und ein brutales Geschoss nach dem anderen in die immer noch hungrige Menge feuern. Ausgestattet mit den Brechern der neuen Platte „The American Dream“ und denen des Vorgängers „With Devils Amongst Us All“ sowie einigen wenigen Ausflügen zu älteren, Hardcore-lastigeren Zeiten, machen WALLS OF JERICHO keine Gefangenen und animieren den Mob zu wüsten Circle Pit Aktionen, wobei einer gar um das Mischpult herumführt und somit etwa 2/3 der Funbox einnimmt. Beeindruckend! Nicht minder beeindruckend ist auch der Auftritt der Band, denn die Jungs sind ständig in Bewegung und wirbeln mit ihren Instrumenten herum, während Candace wie ein teuflischer Flummi auf Speed über die Bühne wütet und einige Kilometer abreißt. Ihr Gekreische ist zwar nicht wirklich verständlich (was sicherlich auch am immer noch nicht optimalen Sound liegt), aber die von ihr vorgelebte Mischung aus Raserei, Aggressivität und Spaß überträgt sich sofort aufs Publikum und lässt über dieses Manko gerne hinwegsehen. Spätestens wenn bei der obligatorischen Mitgröl Zugabe „Revivals Never Go Out Of Style“ wieder die halbe Funbox mit auf der Bühne steht, wird jedem klar, welche Ausnahmeposition diese Truppe mittlerweile inne hat. Grandios!

Fazit: mit fairen Eintritts- und Merchandise Preisen ist die HELL ON EARTH Tour trotz kleiner Unstimmigkeiten nach wie vor an der Spitze der Großveranstaltungen im Bereich des modernen Hard/Metalcore. Für den durchweg schwachen Sound mache ich einfach mal die Halle verantwortlich, unterm Strich war es halbwegs okay. Die Getränkepreise sind mit 2,50 für ein 0,3er Pils noch gerade so im normalen Bereich, allerdings sollte man überlegen, ob es bei so einer langen Veranstaltung wirklich mit einem einzigen Essensstand, der dazu ausschließlich vegane Gyros Wraps (!) kredenzt, getan ist. Ich meine, straight edge war wohl kaum jemand in der Halle (Stichwort „Nikotin Nazis“ ;-) ), und wenn man die Leute mit Alkohol und Zigaretten versorgen kann, warum nicht auch mit „richtigem“ Essen für nicht-Veganer?
Kritisch bewerten muss man zudem zweifellos die unglückliche Bandzusammenstellung, denn dass mit WALLS OF JERICHO und ALL SHALL PERISH gleich zwei Bands vom letzten Jahr dabei waren, ist eindeutig zuviel des Guten. Zudem passte das sperrige Geholze von ANIMOSITY und THE RED CHORD in meinen Augen nicht wirklich ins Bild.
Egal, Spaß gemacht hat es natürlich trotzdem, und auch heute wurde das Zusammengehörigkeitsgefühl der Szene wieder deutlich hervorgehoben, denn trotz des teilweise sehr krassen Violent Dancings bemühten sich alle, Rücksicht aufeinander zu nehmen.
Leider kam es anschließend nicht mehr zu ähnlichen Ass Tou Mouth Eskapaden wie im letzten Jahr, aber auch darüber kann ich mit einem lachenden und weinenden Auge hinwegsehen. Manch anderer wahrscheinlich auch. [mh]


Vor Ort waren:
Yvonne Bielig [yb]
Michael Bach [mba]
Michael Hauptmann [mh]
Niklas Trimborn [ntr]

Fotos von Yvonne

Bildergalerie

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