Paradise Lost Samael & Ghost Brigade

Paradise Lost, Samael & Ghost Brigade

Ghost BrigadeParadise LostSamael
Leipzig, Conne Island
12.11.2009
Am Abend eines beschaulich-vernieselten Donnerstags steht im Leipziger Conne Island eines der sicher meisterwarteten Konzerte des Herbstes an: Die Briten PARADISE LOST stellen sich und ihre neue Scheibe vor, erstmals auf der Tour mit kompletter Licht- und Videoinstallation, dafür jedoch ohne den familiär verhinderten Leadgitarristen Greg Mackintosh. Dessen Ersatz hört auf den Namen Milly Evans und begleitet PARADISE LOST schon seit Jahren als Gitarrentechniker.
Doch nicht nur PARADISE LOST sind heute Gegenstand des Interesses: Die häufig vertretenen SAMAEL-Shirts zeigen, dass auch die Schweizer trotz wechselhafter Geschichte noch Zugkraft besitzen, während GHOST BRIGADE wohl eher das finnische Finish besorgen – düster, flockig, nicht zu hart. Und damit geht es gegen 20.30 Uhr dann auch mehr als pünktlich los.

GHOST BRIGADE dürften derzeit noch unter der Bezeichnung Geheimtipp firmieren, obwohl die Musik der Finnen ohrenscheinlich sämtliche erfolgreichen Schubladen abdeckt: Die junge Band hat reichlich Melancholie an Bord, der Sänger gibt sich samtig wie ein Tuonelaschwan auf Brautschau, die Gitarren sind bei aller Melodie auf Zurückhaltung bedacht und das Gesamtgebilde atmet einfach diese gewisse Kissenweichheit, die sanfteren Naturen bisweilen das Herz leicht werden lässt.
Rein optisch pflegt man ebenfalls skandinavische Tugenden: Fast scheu wirken die Musiker auf den Brettern, die Bewegungen zwischen unaufdringlich und nicht vorhanden, die Gesten eher angedeutet als tatsächlich ausgeführt – insgesamt eine gute Ergänzung zur HIM-meets-SWALLOW THE SUN-Vertonung einer finnischen Jugend. Nicht ganz die neuen Leiden des jungen W., aber dennoch eine runde Sache, mit welcher der Abend schön eingeleitet wird. [rs]

GHOST BRIGADE darf man ruhig als Gewinner des Abends bezeichnen, fast vollkommen unbekannt können sie sich bei vielen der schon Anwesenden einen Namen machen. 30 Minuten Energie auf der Bühne einer Band, die voll hinter ihrer Musik steht und einfach mal alles gibt, sorgt für mehr als bloßes zustimmendes Nicken. Sänger Manne Ikonen erntet Pluspunkte durch sein TRAGEDY Shirt und die Scheue der Finnen lässt sich auch auf Konzentration auf die Musik deuten, denn bei einer halben Stunde Spielzeit reichen zwei Ansagen. [bjg]

Etwas präsenter geben sich anschließend SAMAEL, deren letzte Scheibe zwar eher zum Holzhacken einlädt, die sich live jedoch auf einen guten und meist tanzbaren Backkatalog stützen können. Dem entsprechend stehen die Reihen dann auch schon deutlich gedrängter, als die Band auf der mittlerweile gut ausgeleuchteten Bühne zu den Waffen ruft. Auffällig ist dabei, dass die aktuellen Stücke wie „Under One Flag“ ohne das Produktionsgepolter des Albums gar nicht mal so übel sind und sich fast nahtlos in den Rest des Sets einfügen. Gut, natürlich gibt es hier weniger Melodie als beispielsweise in „Western Ground“ oder „Slavocracy“, aber insgesamt eine erstaunlich homogene Angelegenheit, die mit ein paar Leckerbissen vom „Passage“-Album schließlich abgerundet wird. [rs]

SAMAEL wirken auf mich nur verstörend, der Gesang ist viel zu leise, der Drumcomputer und das Keyboard kleistern alles zu, so dass man eigentlich Gitarre und Bass nicht gebraucht hätte. Vorphs Anfeuerungsrufen werden vielleicht von 10 Leuten im Publikum begeistert aufgenommen, der Rest der 500 wundert sich was gerade geschieht oder geht nach draußen zum Rauchen. Mein erstes Mal SAMAEL wird definitiv auch mein letztes sein. [bjg]

In der Pause dann rauchen, noch ein Bier von Ashton Kutcher auf die Hand geben lassen und - rauchen. Jetzt wird es nämlich ernst.

PARADISE LOST haben mit „Faith Divides Us…” schon ziemlich gut vorgelegt, machen am heutigen Abend aber endlich auch live ganz viel richtig. Im Vergleich zur letzten Tour wirkt vor Allem Nick Holmes auf der Bühne wieder engagierter, es gibt trotz Projektionen weniger Show und mehr Metal, und zu guter Letzt schlagen die aktuellen Kompositionen im Livegewand noch um Einiges tiefer ein, als auf der ebenfalls guten Platte.
Schon der Einstieg mit „Rise Of Denial“ ist der Stimmung sehr zuträglich, was sich mit dem erstaunlich zeitig nachgeschobenen „Pity The Sadness“ natürlich nicht unbedingt ändert und mit „Erased“ astrein gekontert wird: Wer heute hier ist, um alte Säcke bei ihrer „wir sind 40 und spielen nur noch was ihr 1996 gesehen habt“-Tour zu sehen, wird wohl recht bald die Übergangsjacke nehmen und nach Hause gehen. Alte Sachen gibt es im Verlauf des Abends mit „As I Die“ und vor Allem dem unwirklichen Gänsehautbrocken „Enchantment“ natürlich auch noch, aber die große Erkenntnis des überwiegend aktuellen Sets ist, dass die neuen Stücke diesem Hintergrund mehr als gerecht werden: „First Light“, „The Enemy“, „Requiem“, „Frailty“ oder „I Remain“ – das sind Abrissbirnen, die trotz ihrer Wucht niemals das düster-melodische Erbe der Briten vergessen und durch fast natürliche Songverläufe und Kontraste, durch ihre Mischung aus weltentrückter Anmut und saftigem Punch, in Kopf und Beine gleichzeitig gehen.
Für mich persönlich ein beileibe nicht makelloses, aber in seiner Aussage trotzdem wirklich großes Konzert dieser Band, dem die fast schon kanonische Zugabe die Krone aufsetzt: „Faith Divides Us…“, „The Last Time“ und „Say Just Words“ – besser kann man PARADISE LOST 2009 vielleicht nicht zusammenfassen. [rs]

Ein feines Konzert von PARADISE LOST, auch wenn Nick Holmes schon bekannte Schwächen offenbart: Der ältere Mann trifft nun mal nicht mehr alle Töne. Wer aber Perfektion erwartet, sollte in die Oper und nicht zu einem Rockkonzert gehen. Und das es sich um letzteres handelt, zeigen die Leipziger Fans durch das kräftige Mitsingen der Refrains. Die Briten sind zufrieden und Holmes ist sich seiner Schwächen durchaus bewusst, relativ ungehalten wird zweimal während der 70 Minuten das Mikro getauscht, aber vom Band kommen die Gesangsparts wie beim letzten Mal in Leipzig nicht. So erlebe ich zum zweiten Mal PARADISE LOST und dieses Mal demonstriert die Band wozu sie fähig ist. Einen bisschen ausgewogeneren Sound, eine längere Setlist und einen stimmlich noch besseren Nick Holmes und das Konzert wäre perfekt gewesen, aber wer will das schon? [bjg]

Fotos: Enrico Ahlig - Herzlichen Dank!


www.paradiselost.co.uk
www.samael.info
www.ghostbrigade.net

www.conne-island.de

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