Gehacktes Festival: Poppy Seed Grinder Mastic Scum Retarded Noise Squad Bloodland Endemicy Trakoma

Gehacktes Festival: Poppy Seed Grinder, Mastic Scum, Retarded Noise Squad, Bloodland, Endemicy, Trakoma

EndemicyMastic ScumPoppy Seed GrinderRetarded Noise Squad
Leipzig, Halle 5
23.12.2010
Vegetarisch geht anders: Nachdem man das Fleisch-Festival als Frühjahrstermin etabliert hat, lassen die Metalheadz am heutigen Vorweihnachtsabend mit einer weiteren cholesterinhaltigen Passion die Schwarte krachen - dem appetitlich verpackten Gehacktes-Festival. Die fröhliche Hatz um den Wurstkessel wird von insgesamt sechs Bands überwacht, darunter POPPY SEED GRINDER, MASTIC SCUM und RETARDED NOISE SQUAD, wobei letztere dem gestaltflüchtigen Abendmahl mit Ausblicken auf das kommende Album "Bananas!" eine fruchtige Note verleihen könnten.
Bis es jedoch soweit ist, muss erstens das letzte Fass des leckeren Sachsenobst-Fruchtglühweins das Zeitliche segnen, und zweitens die Raumtemperatur der durch Kürzungen vor dem Aus stehenden Halle 5 gehoben werden.

Job Nummer 2 übernehmen TRAKOMA aus Leipzig, dem ein oder anderen vielleicht vom erwähnten Fleisch-Festival bekannt, für viele indes wahrscheinlich so kryptisch wie die gar nicht mal so rund gerollten Rollen von Qumran.
Analog zu diversen Kirchentagen könnte man den Unwissenden folgendes ins Tafelwerk meißeln: Die Band um Fronter Hellmuth widmet sich einer Melange aus simpel gestricktem Death Metal und zahlreichen Crust-Rosinen, streckenweise hübsch garniert mit deutschen Texten und einer groben Kelle Rumpeligkeit. Das ist nicht schwer zu verfolgen und streckenweise sehr gut nickbar, es lässt andererseits mitunter ein wenig Druck vermissen, und natürlich mangelt es - openertypisch - auch an publikumsseitigem urbi et orbi.
Nach gut 20 Minuten hinterlässt der Gig folglich einen eher zwiespältigen Eindruck: Während die todesmetallischen Passagen auf allen Positionen viel zu basisch angelegt sind, blitzt die gute Laune immer dann auf, wenn sich TRAKOMA dem straight servierten Crust nähern. In diesem Rahmen wirkt der Vierer nicht nur sichtbar lockerer, sondern hier passen auch die heimatsprachlichen Texte und die einzige Ansage des Abends zum Thema Halle 5 ins Bild.
Insofern bietet sich eine Schwerpunktverlagerung förmlich an:

"Schluss mit Tod und Semi-Blasten, punkig crusten kann entlasten!"

Mit diesem Bonmot zum zweiten Leipziger Filetierkommando, ENDEMICY, und was die Herren dort in der Folge veranstalten, ist zunächst und vor allem eines: Ganz schön viel. Es gibt drei Sänger, die sich abwechseln und parallel diverse Saiteninstrumente bearbeiten, und zwar in so ziemlich jeder denkbaren Taktart des christlich geprägten Abendlandes. In den so vereinten Bemühungen sieht der eine seinen technischen Brutal Death, während der andere ein paar schöne MORBID ANGEL-Moshparts mit viel zu viel Gekröse zu erkennen glaubt - beeindruckend auf einem sehr technischen Level darf man das Ganze allerdings getrost bezeichnen, zumal es sich um den ersten Gig der Formation handelt.
Dem mittlerweile etwas dichter stehenden Volke scheint die durchchoreografierte Saitenakrobatik trotz konzentrierter Bewegungslosigkeit auf der Bühne zu gefallen, und wenn es dem Autor nicht nach dem dritten Song die Nackenhaare ausrenken würde, stünde hier wohl auch etwas mehr als "Wand! Woah! Neeisnichwahr! Ei der Daus und Donnerlittchen!" - Musikalisch jedenfalls bieten ENDEMICY für die Zielgruppe ein gefundenes Fressen, das demnächst vielleicht auch in konservierter Form zu haben sein wird.
Aufgrund der absoluten Reizüberflutung halten wir zunächst allerdings fest:

"Mit Noten hätt' ich wen'ger Nöte, wenn sich nur etwas Griff'ges böte!"

Genau hier setzen BLOODLAND an, die nun für gut 30 Minuten den sprichwörtlichen Grind vom Hoden hobeln. Pardon, ich höre gerade, dass es natürlich heißen muss "die sprichwörtliche Sau durchs Dorf treiben", aber nach diesem instanzierten Gewitter aus Röchelgrunz'n'deathophobic Quiekomania ist man als Ottonormalweichei zunächst froh, dass man überhaupt noch etwas hört - den tradierten Sprichwortschatz der Ahnengemeinschaft hat es zu diesem Zeitpunkt bereits aus den Latschen gehauen.
Es regiert jedenfalls der stacheldrahtbestrapste Weltuntergang und vom Banggefühl her weisen die seit zwei Jahren aktiven BLOODLAND durchaus Parallelen zu DEFLORATION oder FLESHLESS auf. Will heißen: Hinreichend nachvollziehbares Riffing trifft auf dicke Teppichwalzen trifft auf feuchtfröhlich-gurgelndes Grunzorgan. Wo besagte Vergleichsmuster allerdings zum Technikmesser greifen würden, entscheiden sich BLOODLAND im Zweifelsfall stets für den offensichtlichen Fluss, also den Schritt in Richtung Chris Barnes' SFU. Das geht barttechnisch in Ordnung (ist ja der 23.12.) und sorgt dafür, dass man den Anhaltinern einen unterhaltsamen Gig bescheinigen kann.
Da sich auch das Publikum langsam warmpropellert, gibt es keinen Zweifel:

"Anhaltiner Riffgeschütze sorgen schnell für Kopfschweißpfütze!"

Und diese Tendenz setzt sich fort: RETARDED NOISE SQUAD sind in the house, um im Jargon unserer Jugend zu bleiben; heute zwar ohne den Mansfelder, aber dafür mit einem skurrilen Kostümmix und wirklich überzeugenden Backings von Grindhardt. Im Zeichen der sehnsüchtig erwarteten goldgelben Frucht (...die Ossis wieder) kredenzt das Starkochensemble um Vorkoster Krawallo einen bunten Strauß verträumter Melodien, zeitgemäß aufgepeppt mit synthetischem Eiweiß (Stichwort Formfleisch) und einem gerüttelt Maß lausbübischen Humors. Geballert wird natürlich ebenfalls - in dieser Szene findet man Harmonie bekanntlich auf den mondgebleichten Seitenstreifen von Autobahnen und für irgendwas sind wir 1989 ja... ...aber ich schweife ab.
Höhepunkt des Gigs - Achtung, Schleimspur! - war übrigens keineswegs der wieder ins Programm gerutschte Schlüpferstürmer "Supersheriff" (O-Ton: "...alle Bands freuen sich tierisch, wenn die Leute die Coverversionen lieber haben als die eigenen Songs..."), sondern neben den neuen Stücken auch die gelifteten Klassiker. Während erstere im positiven Sinne weiter draußen sind als die Schönheits-OP, kommen letztere dank angepasstem Klanggewand noch immer frisch und dynamisch rüber - ein paar Samples hier und da haben bekanntlich noch niemandem geschadet.
Diese musikalische Botox-Kur passt letzten Endes auch viel besser zum jugendlichen Charme, den sich die Truppe mit dem neuen Gitarrengott Robert in den Keller geholt hat. Sobald dessen Tanzduett mit Grindhardt einstudiert ist, dürfte der Weltherrschaft im Hause RNS dann wirklich gar nichts mehr im Wege stehen...
In Erinnerung bleibt (nicht zuletzt dank des engagierten Rudels am Bühnenrand) ein wirklich guter und neugierig machender Auftritt, der auf mehrfachen Wunsch gern noch ein, zwei Lieder länger hätte ausfallen dürfen. Da dies in der Abendplanung offenbar nicht vorgesehen ist, rufen wir mit schallendem Organ ein letztes "Alles auf die Knie!" und verabschieden die Recken mit folgendem Vers nach Halle:

"Wenn der Mob sich nicht geniert nach dem Ordnungsmann zu schreien,
gebt ihm, falls es konveniert, bald die neuen Fruchtanleihen!"


Weiter im Programm - wir sind bei MASTIC SCUM. Wer diesen sympathischen kleinen Paarreim gerade verpasst hat, dem sei gesagt: Keine Angst, Geschenke gibt's trotzdem. In diesem Falle ziemlich angepissten Death/Grind mit moderner Schlagseite, der im Publikum durchaus Köpfe zu bewegen weiß und aufgrund der nicht unerheblichen Erfahrung des Ensembles angemessen tight auf die Schlachteplatte gewuchtet wird.
Ein großer Pluspunkt ist auf jeden Fall die angenehme Bühnenpräsenz der Österreicher, die den auf Dauer etwas gleichförmigen Set ohne Wenn und Aber verschmerzen lässt. Denn selbst wenn heute ein paar Nuancen der Musik im sehr direkten Sound verschwinden (wie zuvor die Samples von RNS), so zocken MASTIC SCUM für meine Begriffe einfach schlecht gelaunte Gute-Laune-Musik, die man nach mittlerweile 4 Bands dann auch gerne mal bei einem Bier genießt. Nicht unbedingt spektakulär, aber dank guter Umsetzung zumindest ein fluffiger Happen für die Aktivposten der Gemeinde, so dass am Ende beide Seiten ihren Spaß haben.

Das abrupte Ende deutet es bereits an: Die etwas später angereisten POPPY SEED GRINDER fallen für mich heute aus. Nicht nur, dass mir die Reime ausgehen, nein - nach fünf bereits erlebten Bands ist die Aussicht auf Ostblock-Grind nicht unbedingt geeignet, die vom sächsischen Obst geschwächten Lebensgeister in neue Höhen zu prügeln. Auch wenn ich die Truppe per se recht unterhaltsam finde.
Unabhängig davon war das von den Metalheadz Markkleeberg und dem Dresdner SkullCrusher-Team organisierte Gehacktes-Festival ein echter Leckerbissen. Die Bandauswahl vielseitig und dennoch passend, der Preis für Leipzig schwer in Ordnung, der Sound teilweise etwas grob, aber insgesamt ebenfalls okay und vor allem nicht zu laut. Laut, aber nicht schmerzhaft - das ist im gefühlten Wettrüsten der Soundmänner eine wahre Wohltat.
Insofern ein durchweg positives Gefühl und die Hoffnung auf mehr Schabefleisch im kommenden Jahr - tierisches Eiweiß ist eben doch besser verdaulich... ;-)


www.m-metalheadz.de
www.skullcrusher-dresden.de



Videos zum Festival findet ihr bei Brutalsounds.tv unter folgendem Link:

www.brutalsounds.tv/?p=1391

Bildergalerie

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