Slipknot & We Butter The Bread With Butter

Slipknot & We Butter The Bread With Butter

SlipknotWe Butter The Bread With Butter
Berlin, Columbia Halle
21.06.2011
Zwei Jahre ist es nun her, als SLIPKNOT das letzte Mal eine Headlinershow gaben.Unter anderem liegt das an dem Tod von Bassist Paul Gray, welcher am 24.05.2010 an einer Überdosis Morphium in Kombination einer Herzerkrankung starb. Die Trauer war groß. Doch die acht verbliebenen Maskenmänner wollten so nicht von der Bildfläche verschwinden. Man arrangierte sich mit Donnie Steele als Ersatzbassisten, der bis zuletzt ein guter Freund von Paul und gleichzeitig an der Entstehung SLIPKNOTs 1995 beteiligt war, organisierte eine Tour zum Gedenken von Paul (#2). Teil dieser Tour ist das Sonisphere Festival, welches eigentlich am 21.06.2011 in Sofia, Bulgarien, stattfinden sollte. Mit dem Veranstalter gab es Probleme. SLIPKNOT haben diesen Gig knapp zwei Wochen vorher abgesagt, stattdessen einen Ersatztermin in der Columbia Halle Berlin für diesen Tag gesetzt. Bis dato war kein Deutschland Konzert in die Tour integriert. Zudem sollte dies, abseits vom Sonisphere Festival, die erste Headlinershow 2011 werden. Mit überschwänglicher Euphorie nahm ich diese News auf und besorgte mir ein Ticket.

Die Anspannung war groß. Was würde mich erwarten? Eine grobe Vorstellung hatte ich, aber wie würde es im Gegensatz zu einem Open Air Festival in einer Halle mit ca. 3000 Leuten auf mich wirken? Zunächst einmal war mir nicht klar, ob es an diesem Abend eine Vorband oder direkt auf die Mappe mit „(sic)“, „Eyeless“ „People=Shit“ geben würde. Sehr kurzfristig muss diese Planung gekippt sein und als Vorband spielten WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER. Drei Tage zuvor hatte ich diesbezüglich den Veranstalter kontaktiert, welcher mir erwiderte, es werde keine Vorband geben. Die Verwunderung darüber war nicht bloß mir ins Gesicht geschrieben, wie ich feststellen musste. Um mich herum entsetzte Blicke.

Den Heimvorteil konnten die fünf Burschen für sich nutzen. Von Lübben (Brandenburg) bis Berlin sind es ca. 1 Stunde Autofahrt. Noch während des Intros fragte Paul Bartzsch (Sänger) in die Runde: „Habt ihr Bock auf SLIPKNOT? Wir auch. Habt ihr Bock auf „Alle meine Entchen“?“, und legte los. Die Stimmung war angemessen. Diverse Interaktionen mit dem Publikum und Respekt („eine große Ehre vor einer der weltweit größten Bands zu spielen“) machten den Auftritt ansehnlich. Eine Wall of Death war z.B. mit von der Partie. Die Halle war zu diesem Zeitpunkt fast voll. Lediglich der linke obere Rang war von der Security noch gesperrt. Später sollte sich das ändern. Man mag von der Band halten was man möchte, Wortwitz haben die Jungs. Ein wenig verstörend war jedoch, „Pika Pika“ aus den Konzertboxen zu hören, und so allmählich hatte das Publikum genug von „Hänschen Klein“ & „Superföhn Bananendate“. Mit „World of Warcraft“ war nach knapp 30 Minuten um 20:35 Uhr Schluss.

Eine halbe Stunde dauerte der Umbau inklusive Soundcheck. 21:05 Uhr war es soweit. Paul Gray betrat die Bühne. Wie das möglich ist? Auf einem Metallständer spannte man Pauls roten Overall mit seiner Schweinemaske auf. Daneben platzierte man zwischen Craig (#5) und Joey (#1) seinen Bass. Das Intro ertönte als Mix aus „Iowa“, „Circle“ und „Danger Keep Away“. Mit roten Overalls und alten Masken betraten sie die Bühne, ließen 1999-Flair sprießen. Clown (#6) trug Joey (#1) auf den Schultern zu seinem Drumkit. Donnie war während der Show nicht zu sehen. Er stand hinter Joeys Kit, fernab der Bühne. Die Meute hinter dem Wellenbrecher kochte. Craig (#5) startete "742617000027", und man wusste genau, welcher Song nun folgen sollte: "(sic)". Die Nervosität war ihnen anzusehen. Mick (#7) staffierte hin und her, konnte die Hände nicht still halten.

Dann ging es mit lautem Knall los! „Get your hands in the air!“, schrie Corey (#8), und die Halle stand Kopf! Was zuletzt oft bei ihm bemängelt wurde, war seine Stimme. An diesem Abend funktionierte sie blendend, wie zu besten "Iowa"-Zeiten. Nach dem Song musste ein Roadie die Percussion von Clown (#6) neu richten. Es war aus der Markierungszone verrutscht. „Eyeless“, das gleiche verrückte Schauspiel. „Wait and Bleed“ der helle Wahnsinn! Clown (#6) legte mit seinen 41 Jahren einen Frontflip auf den Rücken hin, womit er sich ´99 jenen ramponierte. Ohne Probleme, gleich wieder an die Percussions und die Sticks hinterrücks auf Sids Turntables geworfen, der sich nicht bitten ließ und den Stick zurück an Clowns Kopf warf. Mit „The Blister Exists“ kamen die Snares von Clown (#6) und Chris (#3) wieder zum Einsatz.

„Guten Abend meine Freunde! Wie geht es euch? Oh, wunderbar, wunderbar! Dankeschön, dankeschön Deutschland!“, glänzte Corey mit seinem im Laufe der Jahre erworbenen Deutschwortschatz, nachdem er seine „All Hope is Gone“-Maske aufgesetzt hatte. „We really weren’t supposed to be here… But god damn it, Slipknot is in Berlin tonight! Are you happy?” Jawohl, alle sind glücklich, Herr Taylor. “That is exactly the feeling that I want, that is exactly the feeling that I wanna hold on to. This is a celebration!” Und weiter: “And this is what I need. I need to see a fist in the air and I need to feel this whole room shake, because we’re all gonna jump. Mr. Seven start this for Berlin tonight…” Liberate.

Es ist schon erstaunlich, wie in der Kürze der Zeit die Pyrotechnik perfekt geplant und installiert wurde. „Before I Forget“ lieferte eine Feuershow seinesgleichen. Die Feuerbälle verpufften nahe der Decke, es wurde spürbar wärmer und roch nach Barbecue. Die Feier wurde buchstäblich zu einer Grillfete. Clown (#6) schlug mit seinem Baseballschläger gegen das an seiner Percussion montierte Ölfass, und man könnte meinen, dies sei der Auslöser für die in Richtung des Publikums geschossenen Feuerbälle gewesen. Definitiv was für‘ s Auge! Als hätte jemand direkt die Feuerwehr gerufen, ertönte eine Sirene. Dies war keineswegs die Feuerwehr. Es war der nächste Song: „Pulse of the Maggots“. Bekannterweise bieten SLIPKNOT ein psychisch zermürbendes Ambiente als Teil ihrer Bühnenperformance. Athen und Istanbul mussten auf dieses Schauspiel verzichten, aber Berlin wurde belohnt: „Frail Limb Nursery“ … „Purity“.

Wie ausgewechselt verhalten sich die Knots, wirr, orientierungslos. Sid (#0) krallte sich an Coreys Hosenbein, und dieser schleifte ihn hinter sich her. Während des gesamten Songs ging Corey (#8) in die Knie und legte sich am Ende, fürs Auge des Zuschauers, erschöpft nieder. Wieder bei Kräften und einem Schluck Wasser ging es mit „Left Behind“ und „Disasterpiece“ weiter. „Psychosocial“ und „Heretic Anthem“ sind im Set feste Bestandteile und sollten auch in Berlin nicht fehlen. Einmal mehr glänzte Corey (#8) mit seiner Stimmgewalt „You’re full of shit; you had a dream but this ain’t it. If you’re 555… Then I’m 666!”

Nun folgte mein persönliches Highlight und gleichzeitig der Gänsehaut Moment der Show. „As you all know, we are here to celebrate our brother Paul Gray. That’s why this is a celebration. He is with us. Can you feel it; can you feel he is here? He hasn’t left us. So with that in mind I would like to ask you, if you would like to help me sing a song for Paul Gray?” "Duality". Plötzlich hörte ich wie jemand sagte: “Der springt da gleich runter!” Wer? Wo? Sid (#0) stand auf der linken Tribüne zwischen den Fans. Er wird doch nicht? Er wird. Nach der ersten Strophe sprang er hinunter in die Menge, wurde gefangen und robbte sich zurück auf die Bühne, als wäre nichts passiert. Passend dazu Sprechchöre „It’ s the only thing that slowly stops the ache. If the pain goes on…”

Bereits bei der letzten Tour 2009 war „Only One” fester Bestandteil in der Setlist. In Berlin spielte man ihn ebenfalls. Nach einem kurzen Break beendete man diesen Klassiker und startete die Legende „Spit it Out“. Jeder wusste, was zu tun ist, und das „Jump da fuck up“ war schnell erledigt. Das Feld wurde geräumt, die Bühne verlassen. Klar war, es fehlen noch zwei Klassiker. Also ließen sich die Knots mit Zugabe Rufen hervor locken. "People = Shit". Clown fing während des Songs ein nasses Shirt, welches aus dem Publikum geworfen wurde. Ganz cool roch er an diesem, wischte sich symbolisch den Hintern damit ab und warf es zurück. Ohne Mätzchen machte er weiter und hüpfte wie bekloppt herum. Rausschmeißer des Abends war „Surfacing“, wobei Jim (#4), der mittlerweile auch zur „All Hope is Gone“-Maske gewechselt hatte, und Mick (#7), der zu diesem Song seine dritte Gitarre des Abends bespielte, nochmal besonders die Sause steigen ließen. Via Playback spielte man „Till We Die“. Man entledigte sich der letzten Sticks, Plektren und ein junger Bursche mit Mütze kam auf die Bühne, umarmte Clown (#6) herzlich, warf ebenfalls einige Sticks in die Menge. Nach einem Roadie oder Fan sah er nicht aus. Möglicherweise war es sein Sohn. Lässt jedenfalls Raum für Spekulation.

Joey (#1) kam von seinem Drumkit hervor und umarmte die Überreste von Paul innig. Danach ging auch er Backstage, vermutlich unter die Dusche. Wenn dies das Ende und einschließlich letzte SLIPKNOT-Konzert in Deutschland gewesen ist, kann sich kein Anwesender beklagen. Die Knaben haben aufgelegt wie in jüngsten Tagen und man merkte nicht, dass zehn Jahre dazwischen liegen. Offen bleibt, ob nach dieser Tour, die im September mit „Rock in Rio“ endet, an einem neuen Album oder anderer Weise gemeinsam gearbeitet wird. Diverse Anzeichen sind da, dass es nicht weiter geht. Anderes spricht dagegen. All hope is, noch nicht, gone.

SETLIST

Intro [Iowa, Circle, Danger Keep Away]
742617000027
(sic)
Eyeless
Wait and Bleed
The Blister Exists
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Liberate
Before I Forget
Pulse of the Maggots
Frail Limb Nursery
Purity
Left Behind
Disasterpiece
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Psychosocial
The Heretic Anthem
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Duality
Only One
Spit it Out
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People = Shit
Surfacing
Til We Die

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