Sober Truth Deformed & Etecc

Sober Truth, Deformed & Etecc

DeformedEteccSober Truth
Bonn-Bad Godesberg, Klangstation
01.10.2011
Zum wiederholten Mal binnen kurzer Zeit trägt die Zusammenarbeit einer lokalen Band mit den noch gar nicht so alten Bret Hard Records Früchte in Form einer besonderen Release-Party: Neben der Livebeschallung erhält jeder Besucher des Konzerts eben jenen Release - dieses Mal den Re-Release der ausverkauften letzten SOBER TRUTH Scheibe „Outta Hell“, vorher z.B. ALCHERAs aktuelles Werk „Era“. Zusätzlich wird die banale Konzertunterhaltung mit dem ein oder anderen Schmankerl versüßt, wie man später sehen wird. So ein gutes Geschäft mit zudem einer anerkannt sehenswerten Liveband wie dem heutigen Headliner lassen sich eine ganze Reihe Bonner Metallköpfe nicht entgehen, obwohl schon ein paar mehr Leute in die Klangstation gepasst hätten.

Die Eröffnung wird von den Wolfsburgern ETECC gegeben, die sich am ersten Oktoberwochenende die Ochsentour Hamburg – Bonn – München geben, in der Heimat des Rekordmeisters allerdings in erster Linie die Wiesn unsicher machen wollen. Das sympathische Quartett kann einige kleine Erfolge bei der Animation des Publikums erzielen, was dadurch vereinfacht wird, dass ihr wuchtig groovender moderner Thrash prädestiniert ist für Liveauftritte. Den Preis für besondere Agilität und gute Laune staubt Bassist und Sänger Rouven ab, der für besonders aggressives Gucken geht an Rhythmusgitarrist Marc und Leadgitarrist Souhaieb erhält immerhin noch den Ehrenpreis „Bangende Bohnenstange“. Obwohl die Eigenkompositionen allesamt zu gefallen wissen, gibt es einen größeren Hit im Programm von ETECC: Das vergleichsweise selten gecoverte „A New Level“ von PANTERA, dessen Auswahl Rouven im späteren Smalltalk als Ausdruck und Selbstvergewisserung der stetigen eigenen Verbesserung begründet. Das darf man so machen und es reiht sich prima in das sehr ansprechende Gesamtbild der Band ein.

Musikalisch aus anderem Holz geschnitzt sind die hessischen DEFORMED, die es gerne roher und härter mögen. Neben dem Rhythmusgitarristen, der heute nicht dabei ist, müssen sie vielleicht auch deshalb auf größere Mengen des Publikums verzichten. Mit ähnlich treibendem Groove, so ausgeprägt wie er auf Konserve ist, wäre es vermutlich einfacher gefallen, mehr Leute vor der Bühne zu halten. So scheitert der Circle, gerade mal zwei und später sechs bewegungsfreudige Jungspunde balgen munter vor der Bühne rum, zusätzlich animiert von einer kleinen CD-Aufmerksamkeit der Band, die zwar bemüht ist und musikalisch prinzipiell überzeugen kann, sich aber für meinen Geschmack mit Dauer des Auftritts auch ziemlich abnutzt. Also wandert das Auge zu dem kurz geschnittenen, doch bis nah an die Mundwinkel reichenden Backenbart von Frontmann Björn, der einsatzmäßig weit vorne ist, und dem Herrn im besten Alter mit der (selbst-?) bemalten PRIEST Jacke, der es sich am Pitrand auf einem Barhocker bequem macht. Jeder nach seiner Fasson…

Bevor der heiß erwartete Mainact die Bühne besteigt gibt es ein wenig Videokunst zu bewundern, für einen der neuen Titel (“F.R.E.A.K.“) durfte Fronter Torsten ein wenig Waldsport auf der Jagd nach der holden Maid und dem Schurken in der engen Lederhose machen, dann wird es aber auch Zeit loszulegen für SOBER TRUTH. Sämtliche Raucher und andere Draußensitzer haben sich reinbewegt und sehen von vorne bis hinten einen wunderbar unterhaltsamen Auftritt. Um etwas mehr körperliche Dynamik auf die sehr kleine Bühne der Klangstation bringen zu können, ist ein kleiner, leicht tieferer Steg vorne angebaut worden, der abwechselnd von den Musikern, die sich mit Instrument bewegen können, in Beschlag genommen wird. Besonders schick ist das auf dem Steg gefühlt mitten im Publikum stattfindende simultane Umgreifen an den Griffbrettern von Bassist Tobias und Leadgitarrist Hamid, während die erste Spezialeinlage – bei drei Liedern tanzt und entblättert sich jeweils eine burleske Dame bis zu den Nippelpropellern und der Unterhose, also alles noch FSK 16 – selbst Torsten seinem Blick nach ein wenig aus der Fassung bringt.
Der Titel für die beste Performance der drei Damen geht übrigens eindeutig an die blonde Lia Luna, die zu „Victim“, dem lauthals mitgesungenen Smashhit der Band, weniger tänzelt und mehr bangt und Action macht. Da können weder Marie Antoinette noch die Staubwedelfee Kitti Gowild mithalten. Der oben erwähnte Herr mit der PRIEST-Jacke ist zu Ehren der Damen übrigens mitsamt Hocker direkt rechts vorne an die Bühne gewechselt, seinen Avancen wird jedoch routiniert widerstanden…
Aber zurück zur Musik: SOBER TRUTH sind eine eingespielte Einheit, die sichtlich Spaß hat, sich live zu produzieren. Man hätte Torsten gerne etwas mehr Power auf das Mikro geben können, damit er sich gerade bei den vielen Stimmungswechseln im tosenden Donner besser behaupten kann, aber das liegt wohl weniger am Soundmann als am zur Verfügung stehenden Equipment. Tobias mit schickem Naturbass grinst mehr oder weniger ununterbrochen wie ein Honigkuchenpferd während Hamid mit grünen Blubberblasen auf violett-orangenem Grund eine der scheußlichsten Bemalungen, die ich in meinem Leben auf einer Gitarre gesehen habe, nur gerade so mit dem „Thrasher“-Shirt ausgleichen kann. Wie harmonisch es im SOBER-Lager zugeht, zeigt die Einlage von Urgitarrist Daniel Buchberger, der bei drei Liedern beweist, dass er immer noch zum einen fit am Instrument ist und zum anderen die Bühne richtig genießen kann. Neben „Victim“ begeistert (wie erwartet) „Taste“ besonders und ein „Roots“-Cover ist immer gern genommen.

Ein Preis-Leistungsverhältnis sondergleichen, ungewöhnliche Sondereinlagen und dazu zwei überzeugende und eine in Ordnung gehende Band. Man konnte sich schon mal mehr beklagen.
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