Enslaved & Ghost Brigade

Enslaved & Ghost Brigade

EnslavedGhost Brigade
München, Backstage
29.02.2012
Ein etwas ungleiches Duo macht auf ihrer Tournee einen kurzen Zwischenstopp in der bayerischen Landeshauptstadt. Die Rede ist von ENSLAVED und GHOST BRIGADE. Während die einen maßgeblich an der Entwicklung des Metal beteiligt waren und eine gefühlte Ewigkeit dabei sind, existiert der Tourpartner erst seit 2005 und ist dabei nicht gerade für seine Innovationen berühmt. Und dennoch scheint es, als seien die meisten nur wegen GHOST BRIGADE und ihrem depressiven Doom Metal erschienen. Doch viele Fans waren es auf beiden Seiten nicht. Die ohnehin etwas kleinere Halle war zu jedem Zeitpunkt überschaubar, und man musste definitiv keine Angst haben, sein Bier zu verschütten.

Nach 30 Minuten Wartezeit schlendern GHOST BRIGADE langsam auf die Bühne, eine Wagenpanne hat die Finnen im Zeitplan nach hinten geworfen und so wird auch die Setliste gekürzt, um wenigstens etwas von der verlorenen Zeit wieder reinzuholen. Ihre depressiv angehauchte Musik mit der stimmungsdrückenden Lethargie lässt, unterlegt von dunklem Scheinwerferlicht, dieses Missgeschick aber schnell wieder vergessen. Es sind eher die langsamen Rhythmen und die spärlichen Melodien, an die man nun denken muss.
Ohne einen richtigen Kontakt zum Publikum und mit nur sehr wenigen Songansagen spielen sich die Jungs durch das Programm, mit dabei ihre wohl bekanntesten Songs „22.22 Nihil“, „Clawmaster“ und „Deliberately“. Im Großen und Ganzen kann man aber nur von ca. 20-30 Minuten spannungsgeladener Bühnenshow reden, bevor die monotone Musik ihren Reiz verliert, die ständig blau leuchtenden Scheinwerfer an den Nerven zerren und das kontaktarme Gebaren der Musiker einen viel zu distanzierten Charakter erreicht.

Da erscheint schon das regelrechte Stürmen der Bühne durch ENSLAVED als sehr starker Kontrast. Das Licht wirkt auf einmal mit seinen vielen Gelbanteilen viel spaßiger, die Norweger amüsieren sich schon vor dem ersten Lied köstlich und als sie dann letztendlich die ersten Takte zu „Axioma“ anstimmen, ist die neu gewonnene, konträre Atmosphäre perfekt. Von Anfang an können die alten Hasen durch ihre Mischung aus Spaß an der Musik und professioneller Spielweise überzeugen. Hier geht alles Hand in Hand und das Posen auf den Monitorboxen kommt dabei auch nicht zu knapp. Anfangs dominieren noch ganz klar die Songs aus der neuesten Schaffensperiode. „Axioma“, „Ethica Odini“ oder „Giants“ sind dabei die richtige Auswahl von ihrem letzten Album „Axioma Ethica Odini“ und verfehlen ihre Wirkung nicht. Im Gegenteil, trotz der immer noch etwas spärlich gefüllten Halle herrscht eine grandiose Stimmung, angeheizt von der Musik und den lockeren Sprüchen von Grutle zwischen den Songs. Langsam aber sicher gehen die Norweger dann über zu älteren Klassikern wie z.B. „Ruun“ vom gleichnamigen 2006er Album oder dem 2003er Song „As Fire Swept Clean the Earth“. Und als ich schon denke, es kann gar nicht mehr besser werden, verlassen die Jungs die Bühne, jedoch nur um kurz darauf mit der besten Zugabe, die ich je gehört habe, zurückzukehren: Ein kurzes Drumsolo, gefolgt von dem - wie sie es selber nennen – großartigsten Song von LED ZEPPELIN, dem "Immigrant Song", in einer ENSLAVED-typisch progressiven und richtig harten Coverversion.

Irgendwie will man nach so einem Auftritt die Halle gar nicht mehr verlassen, doch nach dem zweiten Feierabendbier werden die noch wenigen verbleibenden Gäste rausgeworfen, es sei denn wir würden beim Abbau helfen, weswegen die nächstgelegene Kneipe doch die bessere Alternativ zu sein scheint. Jedenfalls haben ENSLAVED die Performance von GHOST BRIGADE um das Dreifache gesteigert und mir persönlich den Abend gerettet. Es ist eine interessante Kombination und definitiv ein ungleiches Duo. Für mich als eher dem Doom Metal abgeneigten Hörer steht der Sieger ganz klar fest. Doch ohne den vorherigen langsamen Part von GHOST BRIGADE und dem kontrastreichen Übergang wäre wohl auch der Auftritt von ENSLAVED bei weitem nicht so atemberaubend geworden.
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