Luca Turilli's Rhapsody Freedom Call Orden Ogan & Vexillum

Luca Turilli's Rhapsody, Freedom Call, Orden Ogan & Vexillum

Freedom CallLuca Turilli's RhapsodyOrden OganVexillum
Köln, Essigfabrik
03.12.2012
Während draußen der Winter mit dem Herbst darum streitet, wer zur Zeit die größere Zielscheibe der sonnenverwöhnten Rheinländer ist, wird es in der Essigfabrik an diesem Abend garantiert warm werden, spätestens wenn der Headliner auf die Kraft der Drachenflamme zurückgreift. Anfangs dagegen ist es drinnen noch nicht die weltbeste Idee, sich nur im Shirt zu bewegen, denn auch ob des frühen Beginns um kurz nach 18:30 verläuft sich das Publikum noch ein wenig.

Ein Glück also, dass VEXILLUM pünktlich loslegen, denn bei der Musik der Italiener kann es einem leicht warm ums Herz werden. Vor einem gewaltigen Backdrop, den das Cover des aktuellen Albums „The Bivouac“ ziert, tragen die fünf Herren mit viel Engagement ihren sehr gefälligen Power Metal mit einer mehr oder weniger deutlichen Folkspur vor, die gelegentlich von einer eingeflochtenen, traditionell klingenden Melodie verdeutlicht wird. Damit auch jeder versteht, welches musikalische Holz sie schnitzen, tragen sie leicht landesuntypisch Kilt und etwas landestypischer ein wenig Farbe um die Augen. Das mag leicht befremdlich klingen, passt durch den homogenen Gesamteindruck zu dem geschlossenen und guten Vortrag, aus dem nur Gitarrist Andrea Calvanico etwas ausschert, weil er doch deutlich zurückhaltender und schüchterner agiert als Gitarrenkollege Michele Gasparri und vor allem Frontmann Dario Vallesi. Ein paar Animationsspielchen später ist der Auftritt vorbei und man darf VEXILLUM getrost zugestehen, dass sie nicht einfach abgeliefert haben, sondern im Rahmen ihrer Möglichkeiten als recht unbekannter Opener ihre Sache gut gemacht haben.

Mit kleinem Heimvorteil ob der nahen sauerländischen Heimat gehen ORDEN OGAN danach an den Start und überzeugen auf ganzer Linie. Trotz der Absage an Cheesyness und Kitsch von Sänger Seeb im Interview wirken die aus Skaterutensilien und einem Autoreifenteil zusammengestellten Bühnenrüstungen nicht gerade sehr apokalyptisch und ernsthaft, aber das müssen sie meiner Meinung nach auch nicht, zumal sie dem Entertainmentfaktor definitiv zuträglich sind. Der Day Off just vor dem Konzert scheint in Bandkreisen für noch mehr gute Laune gesorgt zu haben, zumindest habe ich selten jemand so gut gelaunt auftreten sehen wie Gitarrist Tobi, der pausenlos von Ohr zu Ohr grinst. Das Publikum gibt der Band aber auch ausreichend Anlass dazu und lässt sich nicht nur vom unernstesten Lied ORDEN OGANs, dem als zweites servierten „We Are Pirates“, zu allerlei Schabernack animieren. Kleinen Provokationen wie Seebs Ansage, dass 35 Österreicher seine Spielchen lauter mitgemacht hätten als die heutigen mehreren Hundert, wird mit Einsatz geantwortet, auch bei von der Bühne geschossenen Erinnerungsfotos. Neben dem bemerkenswert guten Draht zwischen Band und Publikum bleiben „To The End“ und „Angels War“ besonders positiv in Erinnerung, einziger Wermutstropfen bei einem sehr unterhaltsamen Auftritt ist, dass die zwei großen Bühnenaufsteller zwar das „Cold, dead and gone“ mitsingen erleichterten, gleichzeitig aber Neudrummer Dirk doch arg versteckt haben.

Wo wir eben bei guter Laune sind, dürfen die Könige des Happy Metal, FREEDOM CALL, natürlich nicht weit sein und wie das oft bei den Auftritten der Nürnberger so ist, lässt man sich anfangs gerne anstecken. Neben der musikalischen Qualität liegt das an der, ehrlich gesagt, überraschend natürlich wirkenden Fröhlichkeit, die die Musiker allesamt ausstrahlen, so dass „Freedom Call“ nur noch den Zündfunken liefern muss, um beachtliche Teile des Publikums zu mobilisieren. Nach bandeinheitlichen Kilts und Rüstungen konzentriert sich die Aufmerksamkeit jetzt mehr auf eine Person, den passend zu „Rockstars“ obenrum nur in eine Lederweste gehüllten Bandleader Chris Bay. Allerdings ist gerade dieses Lied vom aktuellen Album „Land Of The Crimson Dawn“ für mich auch ein Indiz dafür, dass FREEDOM CALL es mit dem Happy Metal langsam aber sicher übertreiben. Hüftschwünge und Oberarmposing sowie das Fordern von „Power & Glory“ Rufen, wenn Chris beim gleichnamigen Lied (ebenfalls vom aktuellen Album) seine (eher scheußlich aussehende) eckige, weiße Gitarre liftet und auf sein Gemächt verweist, sind trotz an selige „Keepers“-Zeiten erinnerndem Gesang nah an der Grenze zum zu viel des Guten. Überschritten wird die Grenze endgültig bei dem schon leicht realsatirisch anmutenden Refrain „Oh, the time has come, for power and glory, and tonight, for a happy metal party“, und das dreimalige Wiederholen eines Liedendes aus Partygründen muss auch nicht sein. Fröhlicher Metal in allen Ehren, doch für mich bleibt am Ende ein fader Beigeschmack.

Zuletzt will das monströse Wortkonstrukt „Ascending To Infinity - Cinematic World Tour“ mit Leben gefüllt werden, schließlich ist es die erste längere Tour von LUCA TURILLI’S RHAPSODY seit der Zweiteilung der ursprünglichen Band. Tatsächlich ist der Aufwand bemerkenswert, den die Band für eine Tour dieser Größenordnung betreibt: Opulente Trailer und Einspieler flimmern über eine Leinwand im Bühnenhintergrund, als musikalischen Gast hat man die Sängerin Sassy Bernert dabei, die für jeden ihrer drei Einsätze in ein anderes Gewand schlüpft, für den Showeffekt gibt es die Tänzerin Nadia Bellir, die in einem lichtschlauchdurchsetzten Engelskostüm über die Bühne wogt und um nicht auf mehr Samples als nötig zurückgreifen zu müssen, gibt Mikko Härkin (u.a. Ex-SONATA ARCTICA) den Tourkeyboarder – das hätte FREEDOM CALL bei ihrer Menge an Samples übrigens auch gut zu Gesicht gestanden. Dagegen könnte die Band, die im Vergleich ziemlich bodenständig wirkt, alt aussehen, wäre sie nicht so gut aufeinander abgestimmt und hätte sie nicht eine so unterhaltsame Setlist zusammengestellt.
Es ist eine sympathische Idee, die verschiedenen Nationalitäten der Bandmitglieder spielerisch bei Solokämpfen gegeneinander antreten zu lassen - Punktsieg Deutschland dank Schlagzeuger Alex Landenburg, wobei der Bandleader selbstverständlich außer Konkurrenz steht -, außerdem passt das ganze Brimborium wie die Faust aufs Auge zur maximal theatralischen Musik und der Einzug der Technik wirkt nicht zwingend seelenloser, sondern vor allem wesentlich bombastischer als die Schwerter und Feuerschalen vor zwölf Jahren. Der von den Fans mit ein bisschen Zurückhaltung empfangene Alessandro Conti erweist sich als absolut geeigneter Frontmann für LUCA TURILLI’S RHAPSODY, auch weil er keinerlei Scheu vor dem Publikum zeigt, und der größte Strahlemann ist Luca Turilli, obwohl es wie eh und je albern aussieht, dass er seine Gitarre nur knapp unter dem Kinn trägt.
Nach dem frühen Höhepunkt „Riding The Winds Of Eternity“ wird es zwar im Mittelteil vor allem bei den neueren Stücken, die längst nicht so viele Zuschauer präsent haben respektive von denen sie sich nicht so zum Mitmachen eingeladen fühlen, ein wenig ruhiger und man lässt sich lieber von der Inszenierung als der Musik erschlagen. Im letzten Drittel wird jedoch der Bock mit Anlauf umgestoßen: Das fantastische „Ancient Forest Of Elves“ von Lucas erstem Soloalbum und in der ebenso verlangten wie eingeplanten Zugabe zwei der größten und ältesten Hits, „Emerald Sword“ und „Warrior Of Ice“ samt „Ira Tenax“-Intro, schütten bei jedem alteingesessenen RHAPSODY bzw. Luca Turilli Fan eine Menge Glückshormone aus, so dass man den alles in allem sehr gelungenen Abend noch lange in guter Erinnerung behalten wird.
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