Sepultura Legion Of The Damned Flotsam And Jetsam & Mortillery

Sepultura, Legion Of The Damned, Flotsam And Jetsam & Mortillery

Flotsam And JetsamLegion Of The DamnedMortillerySepultura
Bochum, Matrix
07.02.2014
Es spricht für das Selbstbewusstsein der aktuellen SEPULTURA, sich auf einer Tour nicht mit stillschweigend löhnenden No-Names zu umgeben, sondern ein Paket zu schnüren, das mit aufstrebendem Nachwuchs, alten Helden mit neuem Schwung und einer frisch regenerierten Maschine drei Vorbands mit Qualität anbietet, denen der Headliner sich jeden Abend stellen muss. Auch vom Ruhrgebiet wird das goutiert, wenn man das frühe Erscheinen von großen Teilen des Publikums betrachtet. Das Interviewtiming mit LEGION OF THE DAMNED verhindert allerdings leider, dass ich mir ein eigenes Bild von MORTILLERY machen kann, die Kommentare zu der kanadischen Truppe um Frontfrau Cara sind aber durchweg positiv.

Noch nicht offiziell sind am Konzertabend die Besetzungswechsel im Hause FLOTSAM & JETSAM, Steve und Mike sind aber wie 2013 schon Teil der Livebesetzung. Ob es nun mit den frischen Kräften, dem noch fehlenden Tourstress oder einer generell guten Konstitution zusammenhängt, weiß ich nicht, aber es macht sofort Laune, wie schwungvoll die Band von Anfang an zu Werke geht. Bei 40 Minuten Spielzeit bleibt nur wenig Zeit für Experimente, was mit Blick auf das letzte Album „Ugly Noise“ weniger schlimm scheint als es sich im Auslassen allen epischen „The Cold“ Dramas auswirkt. Das ist vermutlich jedoch eher (m)eine Minderheitenmeinung, zumal man sich der Power, die Frontmann Eric A.K. in den Ring wirft, weder widersetzen kann noch will. Die leichte Ähnlichkeit zu Helge Schneider paart der ewige FLOTSAM-Sänger nämlich mit einer Energieleistung, die kaum hinter dem König der Bühnenaction, OVERKILLs Blitz, zurücksteht. Deshalb kann man der Band am Ende nur eine von vorne bis hinten gelungenen Veranstaltung attestieren, die ihren (Stimmungs-)Höhepunkt in „I Kill – You Die!“ hat und nur eine Frage offen lässt: Warum trägt Drummer Kelly eigentlich ein Mikro, wenn man ihn doch nicht hört?

Einen anderen Ansatz verfolgen LEGION OF THE DAMNED, denn gleich die Hälfte der zehn Songs starken Setlist stammt vom neuen Werk „Ravenous Plague“. Das ist aus zwei Gründen sinnig, denn so hat das neue Gitarrenduo, bestehend aus Twan van Geel & Livemann Hein Willekens, ein sicheres Fundament an „eigenen“ Liedern, außerdem fehlen so selbst den größten Meckerfritzen die Argumente, LOTD auf die Ein-Lied-Formel zu reduzieren, weil nicht nur „Doom Priest“ andere Facetten der Niederländer zeigt. Die Möglichkeit eines Stimmungstiefs dank längerer Etappen mit neuen Liedern umschifft die Band problemlos und feuert mit „Son Of The Jackal“ an zweiter Stelle gleich den perfekten Kracher ab, um mindestens die vordere Hälfte des Saals auf die folgende Orgie des Zerstörungsthrash einzunorden. Während die ganze Band enorm präsent und willig wirkt - besonders Frontmann Maurice Swinkels ist überall zu finden und strahlt vor positiver Energie, wie ein frisch ins Wasser zurückbeförderter Fisch - fällt auf, dass Twan sich (anfangs) zum Solieren noch von der Menge abdreht und dabei arg konzentriert aus der Wäsche schaut. Statt von Schüchternheit oder Unsicherheit zu spekulieren, darf man das aber getrost auf den ersten Tourabend schieben, an dem noch nicht jeder Handgriff automatisch sitzt. So oder so bleibt festzuhalten, dass es eine Bereicherung ist, LEGION OF THE DAMNED wieder mit altem Hunger auf der Bühne zu sehen, nicht nur wegen der Klassiker wie dem großen Finale „Legion Of The Damned“.

Ein Gegenpol zu den frisch zurückgekehrten Niederländern sind die in den letzten Jahren auffallend fleißigen SEPULTURA, die längst nicht mehr nur vom Ruhm der Vergangenheit zehren, sondern heute mit Sicherheit auch einige Zuschauer angelockt haben, weil sie im letzten Jahr als Clubheadliner und auf dem Rock Hard Festival absolut überzeugt haben. Abgesehen davon, dass die Tour natürlich auch eine Promofunktion für das aktuelle Album mit dem langen Namen hat, spielt wohl auch die erarbeitete breite Selbstverständnisbrust eine Rolle für den leicht gewagten Einstieg mit zwei neuen Liedern, „Trauma Of War“ & „The Vatican“, und dem ebenfalls noch recht frischen Semihit „Kairos“. Vielleicht wollten die Brasilianer aber auch einfach nur die Fotografen schonen, die wie meist nach dem dritten Lied den Graben räumen müssen, um Platz für Security und etwaige Crowdsurfer zu machen. Diese lassen auch nicht lange auf sich warten, denn mit „Propaganda“ folgt unmittelbar der erste alte Gassenhauer, bei dem die Stimmungsunterschiede sich ziemlich deutlich zeigen: Vor dem Mischpult ist bei jedem Lied Action und Stimmung, hinter dem Mischpult wird alles nach 1995 veröffentlichte eher nüchtern zur Kenntnis genommen. Minimal darf man das heute der Band selbst anlasten, denn bei aller guten Laune und allem an den Tag gelegten Engagement, fehlen ein paar Kleinigkeiten zur überragenden 2013er Form: Drummer Eloy fällt ungewöhnlich wenig auf, die Gesangsversuche von Derrick bei „The Hunt“ und Nörgelstimme Andreas bei dem „Da Lama Ao Caos“-Cover wenig positiv. Aber wir wären nicht bei SEPULTURA, wenn der Abend nicht mit einem Hitfeuerwerk enden würde, und das hat es mit der Aufeinanderfolge von „Innerself“, „Territory“, „Refuse/Resist“, „Arise“ sowie den obligatorischen Zugaben „Ratamahatta“ und „Roots Blood Roots“ gewaltig in sich und entlässt die Zuschauer ebenso schweißnass wie glücklich in die Nacht.

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