Draconian - Sovran

Draconian - Sovran
Doom Gothic Metal
erschienen am 30.10.2015 bei Napalm Records
dauert 63:15 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Heavy Lies The Crown 6:38
2. The Wretched Tide 6:09
3. Pale Tortured Blue 6:14
4. Stellar Tombs 6:02
5. No Lonelier Star 7:50
6. Dusk Mariner 7:59
7. Dishearten 6:36
8. Rivers Between Us 6:47
9. The Marriage Of Attaris 8:53
10. With Love And Defiance 4:20

Die Bloodchamber meint:

DRACONIANs letzte Scheibe "Sovran" mag zwar schon etwas älter sein, aber da sich die Nordlichter über die Jahre einen besonderen Platz im Herzen der Gothic Doom-Gemeinde erspielt haben dürften, soll uns dies nicht allzu sehr stören.

Die Schweden stehen spätestens seit ihrer singulären Großtat "Arcane Rain Fell" für molllüsternes Drama der breitwandernden Art: Satt strömende Riffgitarren und PARADISE LOST-Leads dienen den meist ausladenden Tracks als melancholisches Fundament, dem mit drückenden Doublebass-Läufen hin und wieder drückende Dynamik beigebracht wird. Zu dieser durch THEATRE OF TRAGEDY geprägten Formel gesellen sich das schönste Beauty-and-the-Beast-Doppel seit Erfindung des Duettgesangs und ebenso herzerweichende wie stilsichere Texte über so ziemlich jeden tragischen Aspekt des menschlichen Daseins. Nimmt man dazu schließlich noch ein paar sinfonische Elemente in Form von Klavier, Violine und Synthesizer, hat man nach meinem vollkommen objektiven Dafürhalten einen unausweichlichen Gewinner - gerne nachzuprüfen auf "Arcane Rain Fell" oder auch "A Rose For The Apocalypse", dem direkten Vorgänger der vorliegenden Scheibe.
"Sovran" hatten DRACONIAN bereits im Vorfeld als Stilwechsel angekündigt, was man von anderen Bands kennt, die seit geraumer Zeit durch die immer gleichen Fluten pflügen. Umso erstaunlicher ist der Umstand, dass diese Freischwimmübung mit Ansage zunächst gar nicht mal so sehr ins Auge fällt: Die musikalischen Basics sind im Großen und Ganzen geblieben, Heike Langhans erweist sich als perfekte Neubesetzung der weiblichen Stimme und auch wenn bereits der erste Durchgang eine gewisse Bewegungsarmut offenbart, sind Songs wie "Heavy Lies The Crown", "The Wretched Tide" oder "Stellar Tombs" nun mal genau der hochklassige Stoff, den man sich von DRACONIAN erwartet. Hier wird zwischen Gitarrenmassiven und Synth-Schleiern gelitten und geschrien, werden Metaphern geklopft wie weiland bei Shakespeare, werden kurz gesagt Emotionen in einer Art und Weise vertont und vertextet, die in der richtigen Stimmung für Drüsenaktivität vom Feinsten sorgen kann. Später drängen sich mit dem drumseitig gepimpten "Dishearten" und der ungewohnt leichtfüßigen Gothic Rock-Nummer "With Love And Defiance" noch zwei Kandidaten in den Kreis unmittelbar auffallender Stücke, was für den Anfang gar kein schlechter Mittelwert zu sein scheint.
Nach mehreren Durchgängen hingegen wird langsam klar, dass "Sovran" als Album an einer Achillesferse leidet, die man von DRACONIAN so bisher nicht kannte: Die gut 64 Minuten sind insgesamt erstaunlich unbeweglich und fühlen sich daher mitunter gestreckt an. "No Lonelier Star" ist so ein Song aus dem Geht-so-Lager, das mit männlichem Klargesang von Daniel Änghede (CRIPPLED BLACK PHOENIX) aufwartende "Rivers Between Us" ebenso, und mit dem dahinplätschernden "Dusk Mariner" hat es gar einen der beiden Longtracks erwischt - trotz des coolen Titels.
All diese Songs sind beileibe nicht schlecht, nur eben nicht auf einem Level mit dem, was DRACONIAN bisher veröffentlicht haben. Und das liegt mutmaßlich an der - vielleicht als Stilbruch verklärten? - Abwendung von agressiveren oder wenigstens satt drückenden Ergänzungen zur hier mitunter überhand nehmenden Brüterei. Auf Albumlänge fehlt "Sovran" ein wenig der verzweifelte Punch, fehlen die Spannungsbögen und das (negativ wie positiv) erlösende Moment, ohne welches erdrückende Melancholie letzten Endes doch nur um sich selbst kreisen kann. Dieser Mangel an Drive ist es letzten Endes dann auch, der das saftig produzierte Rundstück zu einem vergleichsweise (!) schwachen Vertreter des Bandschaffens macht.

Richtig spannend wird es meines Erachtens erst auf dem kommenden Album, denn es gibt noch einen anderen Aspekt, der "Sovran" quasi aus jeder Pore strömt: Mit etwas Abstand, nach einem Blick auf das Cover und die maritimen Splitter vom Suchen und Driften in den Texten, könnten DRACONIAN auf ihrer aktuellen Scheibe gut und gerne eine Band in Verpuppung sein - eine Band also, die den Kopf vielleicht schon längst in anderen musikalischen Gefilden hat.
Nach dieser Interpretation wäre "Sovran" dann ein klassisches Übergangsalbum, auf dem die Schweden ein letztes Mal die allzu vertraute Bühnenpose einnehmen, während die Bretter im Hintergrund bereits für einen neuen Akt hergerichtet werden. Und dieser wird - sollte es so kommen - voraussichtlich nicht mehr übermäßig viel mit Gothic Doom zu tun haben, dafür vielleicht umso mehr mit "Rivers Between Us" und "With Love And Defiance". Wir lassen uns überraschen.
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