Fields Of The Nephilim - Mourning Sun

Fields Of The Nephilim - Mourning Sun
Gothic Rock
erschienen am 25.11.2005
dauert 55:00 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Shroud (Exordium)
2. Straight to the light
3. New god dawn
4. Requiem XIII-33 (Le veilleur silencieux)
5. Xiberia (Seasons in the ice cage)
6. She
7. Mourning sun

Die Bloodchamber meint:

"Cover his face, so that he may not see the light..." - mit diesen Worten beginnt eine Scheibe, die in mehrfacher Hinsicht Bezug auf das Thema Licht und dessen Abwesenheit nimmt. Zum Einen waren die FIELDS OF THE NEPHILIM selbst für geraume Zeit im Zwielicht verschwunden, widmeten sich Soloprojekten und dem Streit mit Plattenlabels (die Demo-Veröffentlichung "Fallen" war ein Resultat dieser Wirren); zum Anderen verströmt "Mourning Sun" eine derart profunde Dunkelheit, dass man angesichts seiner mystisch durchtränkten, dichten Atmosphäre nur ohnmächtig staunen kann. Schauen wir uns das Quasi-Comeback der dunklen Brüder der SISTERS OF MERCY im Folgenden also etwas genauer an.

Schon immer setzten sich die Werke der Briten aus zwei gleichwertigen Bestandteilen zusammen: Auf der einen Seite pulsierende, bassgetriebene Singlekandidaten im Stile des klassischen Goth-Rocks, auf der anderen Seite unheimliche Klangmalereien, die vor allem Stimmungen transportieren und - durch Rezitation und Samples - tieferes Eintauchen in eine bizarre Gedankenwelt ermöglichen sollten. Da Meister McCoy seit Jahrzehnten seine ganz eigene Suppe aus alternativen Realitäten, Esoterik und apokryphen Überlieferungen strickt, lässt sich das Eine nicht ohne das Andere verstehen - ganz abgesehen davon, dass ein Album wie "Elizium" (1990) als Gesamtkunstwerk zwischen Konzeptalbum, Akte X und ritueller Messe wahrgenommen werden muss, damit es seine Magie vollends entfalten kann.
Das jüngste Werk "Mourning Sun" fügt dem bekannten Rezept nach dem unheimlichen Intro "Shroud" zunächst die Härte von McCoys superben Soloprojekt THE NEFILIM hinzu: Kracher wie das ungestüme "Straight To The Light" mit seinen charismatischen Grunts, oder später das im Mittelteil stark industriallastige "Xiberia", hätten auf NEFILIMs "ZOON" sehr gut bestanden und führen die auf "Fallen" angedeutete Veränderung des FOTN-Gesamtsounds (dort "Subsanity") perfekt fort. Hier stehen Basslinien für die Ewigkeit neben mehrschichtigen Chören, Orchestersamples reiben sich an allerlei elektronischer Statik, und so entsteht Stück für Stück ein unheimlich dichtes Klanggerüst, über welches der düstere Beschwörer Carl McCoy seine Evangelien grollt.
Auch das eher klassische "New God Dawn" verlässt sich nach verhaltenem Auftakt auf die Macht des Tieftöners, zögert den endgültigen Ausbruch jedoch immer wieder hinaus, während "Requiem XIII 33" anschließend einen gelungenen Kontrapunkt setzt: Schwebende Keyboardlandschaften, Kirchglocken und unverzerrte Gitarren sorgen in Verbindung mit der - ich wiederhole mich gern - unglaublich vereinnahmenden Stimme für ein Gefühl zwischen Hoffnung und erwartungsvoller Ehrfurcht, das man nur schwer beschreiben kann. Glücklicherweise folgt mit dem bereits erwähnten "Xiberia" das extrem tanzbare Erwachen, welches durch diverse technoide Anleihen, wuchtige Drums und verzerrte Gesangspassagen unaufhaltsam nach oben, aus dem Eis und der Starre hinaus, drängt.
"She" wiederum lebt ganz von Carl McCoy und dessen pathetischer Interpretation der an Pathos ohnehin nicht armen Lyrics - ein ruhig dahintreibender Einblick in einen Geist, der auf dieser Erde und in diesem Leben nur auf Durchreise ist:

"We were never really here
We are ...waiting for the rain here..."

Das finale Titelstück schließlich verbindet in seinen mehr als zehn Minuten alles, was diese Platte ausmacht - eine düstere Vision, die nach Erlösung lechzt, die zetert und flüstert, bettelt und gebietet, und dabei von romantischen Klischees über Mad Max und Film Noir so ziemlich alles zitiert, was dem zugrunde liegenden Konzept zu Diensten sein kann. Das besondere Verdienst hierbei liegt freilich darin, dass "Mourning Sun" aus diesen Zutaten eine ganz eigene Welt erschafft, die ebenso bedrohlich wie voller Versprechen ist, die aus all ihrer mystisch umwölkten Schönheit und all der düsteren Dramatik schließlich ein ganz eigenes Licht gewinnt.

Fans der Band haben bei diesem Edelstein ohnehin zugegriffen, allen anderen sei hiermit dringendst zum Kauf der Scheibe geraten, da man diese Form der Musik gewordenen Dunkelheit auf diesem Planeten nur einmal findet. Durch die wuchtige Produktion und den partiellen Härtezuwachs sollte "Mourning Sun" nämlich auch für Leute interessant sein, die mit Gothic (wie man ihn heute wahrnimmt) ansonsten nicht viel am Hut haben. Nach mittlerweile über zwei Jahren noch immer ein ganz großes Stück Musik.

Abschließend noch zwei Verweise zum Thema:

Hörproben: hier und hier
Lyrics: hier
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