Edguy - Tinnitus Sanctus

Edguy - Tinnitus Sanctus
Melodic Heavy Metal
erschienen am 14.11.2008 bei Nuclear Blast
dauert 53:30 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Ministry Of Saints
2. Sex Fire Religion
3. The Pride Of Creation
4. Nine Lives
5. Wake Up Dreaming Black
6. Dragonfly
7. Thorn Without A Rose
8. 9-2-9
9. Speedhoven
10. Dead Or Rock
11. Aren't You A Little Pervert Too?! (Bonustrack feat. Granato Rambocco And The Killers)

Die Bloodchamber meint:

Wie das so ist mit den Propheten im eigenen Lande, gehören Diskussionen über eine Band ab einem gewissen Bekanntheitsgrad offenbar zum „guten“ Ton in Deutschland. Bei EDGUY gibt es diese Diskussionen nicht erst seit gestern, aber man vergisst oft, dass sie in den seltensten Fällen mit der musikalischen Qualität der Band zu tun haben, denn fast immer geht es um das Auftreten und den etwas eigenen Humor von Frontmann Tobias Sammet. Aber selbst dem ironiefreiesten Stahlschädel sollte auffallen, dass Meister Sammet trotz des vermeintlichen Kaspertums nie den Sinn für das Schreiben guter Musik verloren hat (Grüße an True Warrior of True Steel DeMaio an dieser Stelle!), weder bei AVANTASIA noch bei EDGUY.

Zwar wird die Hoffnung vieler nicht erfüllt, dass EDGUY auf dem neuen Album „Tinnitus Sanctus“ den Weg zurück zu dem kernigen Power Metal alter Alben wie „Theater Of Salvation“ finden, womit auch ich nach dem etwas sanfteren letzten AVANTASIA Album „The Scarecrow“ gerechnet hatte, aber die Uhren der Weiterentwicklung lassen sich nun mal nicht beliebig zurückdrehen. Und die Uhren stehen bei Fuldas Finest mittlerweile eben an der Grenze von Heavy Metal und Hard Rock, woran es nach dem unachtsam im ersten Moment entfahrenen Seufzer auch nichts auszusetzen gibt.

Dass jegliche Form von Genrediskussion an musikalischer Qualität so oder so nicht rütteln kann, wird dem Hörer klar, wenn er sich dabei ertappt, wie er schon beim ersten Hören des Albums den Refrain des Openers „Ministry Of Saints“ bei zweiter Gelegenheit zumindest mitsummt, wenn nicht mitsingt. Denn auch wenn die Zeiten von „Babylon“ oder „Mysteria“ vorbei sind, haben EDGUY eins nicht verlernt: wie man Hymnen schreibt und ansprechend umsetzt. Desto länger man sich von „Tinnitus Sanctus“ verwöhnen lässt, desto deutlicher wird, dass im Vergleich zu früheren Alben die Hitdichte sogar noch gesteigert wurde. Die Mehrzahl der Lieder, egal ob es lässig und zurückgelehnt rockt, sofort mitreißt oder für den Anflug einer Gänsehaut sorgt, sind Volltreffer, und greifen nebenbei bandeigene Trademarks auf wie die mit Stimme und Gitarre vollführten Steigerungen in „Speedhoven“. Einzig das stampfende „Sex Fire Religion“ und die Ballade „Thorn Without A Rose“ wollen nicht 100%ig zünden und auch ein, zwei andere Songs können nicht ganz das sehr hohe Niveau der übrigen Kracher halten, aber vielleicht ist das auch nur eine Einzelmeinung.

Zwar muss man, um das Album würdigen zu können, schon ein offenes Ohr für positiven Gute-Laune-Metal haben und auch Tobis Stimme mögen, aber wenn diese Vorraussetzungen erfüllt sind, hat man die perfekte musikalische Hängematte gefunden: anmachen, reinlegen und 50 Minuten wohl fühlen. Zugegeben, wie eine Hängematte ist auch „Tinnitus Sanctus“ nicht eben eine Ausgeburt der Komplexität, aber das fällt selbst nach vielen Durchgängen in keiner Weise negativ auf, weil die Lieder immer noch einen Heidenspaß machen.

Tobias Sammet und EDGUY haben eines dieser seltenen, aber immer sympathischen, Alben aufgenommen, denen man die kindliche Freude über das Glück den persönlichen Traum von der eigenen Musik leben zu können zu jeder Minute anhört, und die es dann auch noch verstehen, diese Freude auf den Hörer zu übertragen. Da die Limited Edition nicht mit überflüssigen Making Of Videos sondern einer praktisch vollwertigen, zusätzlichen Live CD (aufgenommen in Los Angeles) glänzen kann, kann es nur ein Fazit geben: Spitze!
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