Orplid - Greifenherz

Orplid - Greifenherz
Gothic / Ambient / Neofolk / Industrial / Elektro
erschienen am 21.11.2008 bei Auerbach Tonträger
dauert 54:19 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Falken-Eid I
2. Luzifer
3. Schwertgesang
4. ...
5. Totenesche
6. Myrmidonenklage
7. Des Sperbers Geheimnis
8. ...
9. Schlaf im Mohn
10. Traum von Blashyrkh
11. ...
12. Der Anarchist
13. Gesang an den Horusfalken
14. Falken-Eid II

Die Bloodchamber meint:

Seit 1996 geistert ein deutsches Projekt durch die gotische Musikszene, das auf den Namen ORPLID hört. Belesen scheinen die beiden romantischen jungen Herren im Matrosenkostüm zu sein, weil der Projektname von einem Gedicht Eduard Mörikes ("Weylas Gesang") entlehnt ist. So weit so gut. Die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem romantischen und vielleicht auch düsteren Dichter weist auf eine profunde Kenntnis der deutschen Literaturgeschichte hin. Denn das Musikprojekt könnte die Vermutung im Raum stehen lassen, eine gewisse Nähe zu militaristischen Kreisen zu suchen. Aber wer sich mit der nationalsozialistischen Ausgrenzung des Werks von E. Mörike (1804-1875) beschäftigt und die industrielle Ästhetik heutiger Martialambient und Apokalyptic Folk-Projekte kennt, weiß, dass man hier bedenkenlos zugreifen kann.

"Du bist Orplid, mein Land! Das ferne leuchtet.", heißt es im oben genannten Mörike-Gedicht. Und so kann auch die Musik von ORPLID verstanden werden. Da lockt die blaue Blume der Romantik, die Toteninsel und ein wenig kulturelle Verklärung. Das Zusammenspiel von Gothic, Elektro, Industrial und Ambient und ein wenig wenig Folk besitzt klangliche und textliche Tiefe, vertreibt jede sonnige Stimmung aus dem Gemüt, weil ja oberflächlich, und marschiert schnurstracks in den Geist eines jeden Tee trinkenden Naturromantikers, der die menschliche Nähe meidet. Wie schon beim Vorgänger "Sterbender Satyr" (die intellektuelle Verneinung von Ausschweifung und Omnipotenz) singt auch Sandra Fink bei zwei Liedern mit. Gedichte von Frank Wedekind (1864-1918) und Rolf Schilling (* 1950) wurden ebenso vertont ("Der Anarchist" und "Luzifer") wie eine Hommage an den Gletscher Blashyrk. Ja, ihr lest richtig. IMMORTAL, die 1993 / 94 ihre Lobpreisung an den Gletscher Blashyrk vertonten und damit einen echten Hit schufen, werden mit dem "Traum von Blashyrk" noch einmal in Erinnerung gerufen.

Musikalisch arbeitet das Duo mit marschierender Rhythmik, kalten und elektronischen Klängen, verfremdet sie zuweilen und kann einerseits somnambule sowie mit Text unterlegte Ambientstücke mit Struktur ("Schlaf im Mohn") und andererseits, in Anlehnung an die deutsche DEPECHE MODE-Rezeption der Achtziger und Neunziger, geschniegelt saubere Lieder abliefern. Dominiert werden die Songs vom knödelig tiefen Gesang, der für die deutsche Gothicszene schon genretypisch ist.

Wer also diesem Bereich zugetan ist, sollte in diese Veröffentlichung reinhören und ihr eine Chance geben. Für mich als Nicht-Kenner dieser Materie hat sich das Werk ganz gut erschlossen, ohne dass ich irgendwelche Anbiederungen und kitschige Ausflüge (weder textlich noch musikalisch) erkennen kann.
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