Lamb Of God - Wrath

Lamb Of God - Wrath
Modern Thrash Metal
erschienen am 20.02.2009 bei Roadrunner Records
dauert 44:50 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. The Passing
2. In Your Words
3. Set To Fail
4. Contractor
5. Fake Messiah
6. Grace
7. Broken Hands
8. Dead Seeds
9. Everything To Nothing
10. Choke Sermon
11. Reclamation

Die Bloodchamber meint:

Da ist sie nun, die neue Scheibe der Heavy Metal Band aus Richmond, Virginia. Warum Heavy Metal? Nun, die Band tituliert sich selbst als „Heavy Metal Band, die Punk spielt“. Gut, da wir ja immer kleine Schubladen benötigen, um Musik zu kategorisieren, stimme ich dieser stilistischen Einordnung von Bassist John Campbell nicht zu. LAMB OF GOD waren mal ziemlich brachialer Metalcore (New American Gospel), wurden hochtechnischer moderner Thrash Metal (bis zur "Ashes of the Wake") und haben mit "Sacrament" angefangen, epischere, stark produzierte Klänge von sich zu geben. Man sieht eine gewisse Stringenz, allerdings kann man der Band nicht vorwerfen, sich nicht zu entwickeln. Wohin führt also nun die Reise mit „Wrath“?

Nach "Sacrament" stand LAMB OF GOD etwas unter Druck, da dieses Album den hohen Erwartungen des Vorgängers "Ashes of the Wake" nicht ganz gerecht werden konnte. Vielen fehlte die brachiale Wucht der Riffs und auch die „Eingängigkeit“ der Vocals. Dies lag sicherlich an der schwierigen Situation des Sängers Randy Blythe, der bei "Wrath" seit langem das erste Mal im Pre-Production Prozess regelmäßig mit der Band geprobt hat. Aber anstatt uns, wie bei „Ashes of the Wake“ mit brachialen Klängen von Anfang an in den Sessel zu drücken, eröffnet "Wrath" die Szenerie –

Mit einem akustischen Gitarrenintro?! Nun, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Lagerfeuerattitüde steht visuell aus Althippies bestehenden Band gut zu Gesicht, überraschte mich jedoch stark. Zugegeben, die erste Woche war ich vom neuen Album recht ernüchtert, da ich mich auch stark an "Sacrament" gewöhnt hatte (MIR machte die high end Produktion Spaß, da man immer was Neues entdecken konnte). Nachdem also das Instrumentale „The Passing“ wirklich atmosphärisch passend die CD eröffnet, knallt „In Your Words“ in bester Tradition ein wuchtiges Riff mit präzisem Hammerschlag-Drumming auf die Ohren. Aber nein, man macht es einem ja nicht einfach – die nächste Neuerung, „so etwas wie“ cleane Vokals von Randy Blythe. Hat der Dauerbesuch bei Melissa Cross etwa dazu geführt, dass alle Sänger (man erinnere sich nur an ALL THAT REMAINS Heulbojengesang) nun cleane Vocals benutzen wollen? Gott sei Dank nein, denn die Ausbrüche von Randy begrenzen sich auf die ersten beiden wirklichen Songs und, im Gegensatz zur genannten Band, passen stilistisch und sind wesentlich besser geshoutet/sungen/grunzt. Hier aber was durchweg positives: Mit diesem Album sollte sich Randy Blythe an die Spitze der Modern Thrash Shouter katapultiert haben. Soviel Abwechslung, Emotion und technisches Können wie bei "Wrath" habe ich, bis zur Veröffentlichung der Rezension, noch nicht gehört. Klar, er singt keine cleanen Balladen, aber wer will so etwas schon bei LAMB OF GOD?

So prügelt sich die Band durch 11 Songs, wobei man gottlob auf keinen wirklichen Totalausfall trifft. Die erste Veröffentlichung, „Contractor“ (dreht sich um die Menschen, die ohne Rücksicht auf Verluste zur Zeiten der Kriegsbeteiligung der USA in Nahost junge Menschen unter Vertrag und ins Verderben zogen), fällt zwar im Vergleich zu den restlichen Songs hinten runter, ist aber immer noch eine gute (und brutal schnelle) Nummer. Als wirkliches Highlight kann man aber die Gitarrensoli von Mark Morton und Willi Adler (so denn er welche eingespielt hat, das weiß man ja nie so genau) bezeichnen, die ihren blueslastigen Stil extrem ausgebaut haben und den Solis einen extrem hohen Wiedererkennungswert geben, ohne technisch abzufallen. Chris Adler ist sowieso jenseits von Gut und Böse, Polyrhythmiken und sonstige Scherze scheinen ihn ja im Schlaf zu verfolgen, wie immer großes Kino. Ihm sei aber auch positiv vermerkt, dass er extremes Gezocke zugunsten von Songdienlichkeit zurückgeschraubt hat – die Songs wirken flüssiger und auch Eskapaden wie bei „Fake Messiah“ passen in den Hörfluss. Besonders hervorzuheben sind meiner Meinung nach „Grace“, das auch mit akustischem Intro und einem Hammer Riff aufwartet, „Dead Seeds“, die Dicke-Hosen Nummer „Broken Hands“ (Live ein Garant für Violent Dancing, Moshpit, Circlepit und das alles auf einmal) sowie die Thrash Granaten „Everything to Nothing“ und „Choke Sermon“, denen man auch die Live-Komposition anmerkt. Das für die Bandverhältnisse recht lange und sperrige „Reclamation“ (dystopische apokalyptische Vision über den Untergang der Welt und das Recht der Natur/Erde, sich alles zurück zu nehmen, übrigens auch mit super heftigen technischen Passagen) ist sicher Geschmackssache, manchmal höre ich es gerne, ab und an kommt aber hier die „Zurück zum Anfang“ Fingerbewegung.

Der Produktion, der ich normalerweise wenig Beachtung schenke, weil ich mich einfach nicht adäquat auskenne, möchte ich aber auch ein paar Zeilen widmen. Josh Wilbur, seines Zeichens Gitarren- und Schlagzeug-Engineer bei "Sacrament", hat hier den Komplettmix übernommen, Machine hatte die Finger diesmal nicht am Hebel. Meiner Meinung ein guter Schritt – "Sacrament" wäre in Sachen von produktionstechnischen Effekten eh nicht zu toppen gewesen und Wilbur hat die Band extra zurück zu ihren Roots geholt. Dies bedeutet: Mehr Wucht, rohere Gitarren und erstmalig in der Bandgeschichte ein wirklich wahrzunehmender Bass-Sound. Dies gibt ein runderes Paket, wenngleich es mit den klinischen Produktionen der ersten Tage nichts mehr am Hut hat. Rein subjektiv aber ein absolut logischer und richtiger Schritt.

Fazit: Erfreulicherweise ist der Gesang die größte Steigerung bei LAMB OF GOD. Dennoch wird es genügend PANTERA-Fans geben, die sagen „logische Weiterführung von PANTERA mit schlechtem Gesang“. Gut, sollen sie unken, Fans und Band wird dies am A*** vorbei gehen. Endlich passen alle Elemente zusammen und im modernen Thrash Metal Sektor sind LAMB OF GOD jetzt endgültig eine der Top-3 Bands. Stärkster Output der Bandgeschichte und trotz zweier nicht ganz auf dem Niveau befindlicher Songs gibt es von mir eine 10, die ich sonst so gut wie nie zücke.

Die Bloodchamber meint außerdem:

Schon bei „Sacrament“ habe ich die Entwicklung von LAMB OF GOD kritisch beobachtet. Wenn man die Klasse der Alben als Graphen ansehen würde, dann wäre man bei „New American Gospel“ sehr weit oben, bräche dann mit dem Nachfolger etwas ein, erreiche mit „Ashes Of The Wake“ den Höhepunkt und breche mit „Sacrament“ wieder etwas ein. Wobei die Einbrüche immer noch verdammt starke Alben sind, die ich kaum kritisieren will. In der Hoffnung, es ginge so weiter, habe ich „Wrath“ erwartet. Leider ist die Kurve damit nicht nur etwas eingebrochen – sie ist zusammengebrochen.

Ich habe wirklich lange gebraucht, um mich zu dieser Rezension durchzuringen. Die ersten Wochen nach Erscheinen dachte ich mir noch, dass es ein kompaktes Album ist, das noch etwas braucht, um bei mir anzukommen. Nachdem die Flut der frühjährlichen Veröffentlichungen meine Zeit in Anspruch genommen hat, habe ich mich jetzt wieder intensiv mit der Scheibe auseinandergesetzt und herausgefunden, warum es bisher nicht ankam und nicht mehr ankommen wird.

Es fällt schon nach dem ersten Hören auf, dass die Songs alle viel eingängiger und weniger komplex sind. Das ist ja erstmal nichts schlimmes, schließlich kann man auch so noch die Liebe zum Detail beibehalten, woran ich im Übrigen meine Zuneigung zu ihrer Musik am meisten festmache. Aber die Entwicklung von den durchgedrehten, mit technischem Schnickschnack ausgeschmückten Songs hin zu drückenden, wuchtigen Songs, die sofort durch das Ohr rauschen ohne markante Hooklines und wahnwitzige Drumfills zurücklassen, schmeckt mir überhaupt nicht.

Die Zusammenarbeit zwischen den Gitarristen und Chris Adler ist immer noch makellos, das kann ich nicht abstreiten. Allerdings suche ich das übergreifende Element dazwischen vergeblich, das mich auf den vorherigen Releases geradezu vom Hocker gerissen hat. Die Schlagzeugarbeit ist solide und die teils aberwitizgen Geschwindigkeiten sprechen für das Können des Drummers. Doch irgendwie bemühte man sich weniger, zwischen den Äxten und dem Schlagzeug den roten Faden mit spielerischer Leichtigkeit zu führen. Ein anderer Punkt, der bei mir blankes Entsetzen auslöst sind die Gitarrenwände. Mit bombastischer Wucht braut sich hier ein Sturm in den Lautsprechern zusammen, der vermutlich das Gesicht zerdrücken will. Das hängt sicher auch mit der Über-Prdouktion zusammen. Der Bass kommt dabei auch deutlich besser zu Geltung als früher. Ja früher, da verstand man es noch, ausgefeilte Hooklines einzubauen, bei Breakdowns mit den verrücktesten Leads aufzuwarten und Riffs zu schreiben, die Mark Morton und Willie Adler wohl eine chronische Sehnenscheidenentzündung beschert haben. All das vermisse ich hier.

Über den Gesang lässt sich jetzt streiten, wie über alles an „Wrath“. Randy Blythe hat sich weiterentwickelt, ganz klar. Er hat sich auch in die „Individualität“ dieses Albums gut eingebettet. Aber die Bosheit hinter seiner Stimme, die bei den ersten Platten das fieseste Gekotze aller Zeiten bot und mich immer wieder die Stirn runzeln ließ, wie man das ohne Verzerrung zustande bringt... fehlt. Wieder einmal. Und wenn ich jetzt berücksichtige, dass all diese Kleinigkeiten und Großigkeiten die Faszination LOG für mich darstellten, dann kommt „Wrath“ bei mir nicht auf die gleiche Ebene wie die Vorgänger. Ich habe diese Entwicklung erahnt und wollte sie nicht wahrhaben und habe sie verdrängt. Andere haben sie scheinbar ebenso erahnt und sie sehnsüchtig erwartet.

Ich habe bewusst keinen Song im Einzelnen beschrieben, denn einen Höhepunkt oder einen Hit suche ich hier auch erfolglos. Das Album drückt die Reife der Band und das Potenzial, lange weiter zu existieren, aus, aber das wird mit einem anderen Stil passieren. Und so komme ich nicht drum herum, „Wrath" abzuhaken und mich auf die Vergangenheit der Band zu fokusieren und vielleicht bei künftigen Veröffentlichungen heimlich Hoffnung zu haben, aber im Endeffekt nichts Großartiges mehr zu erwarten.
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