Sol Invictus - The Cruellest Month

Sol Invictus - The Cruellest Month
Neofolk
erschienen am 10.06.2011 bei Auerbach Tonträger
dauert 56:54 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Raining in April
2. To Kill All Kings
3. The Sailor's Aria
4. Fools' Ship
5. Toys
6. Edward
7. The Bad Luck Bird
8. April Rain
9. Cruel Lincoln
10. Something's Coming
11. Stella Maris
12. The Cruellest Month
13. The Blackleg Miner

Die Bloodchamber meint:

Es wird inzwischen ziemlich schwierig einen Überblick über all die Alben zu wahren, an denen Tony Wakeford im Laufe seines langen Musikerlebens mitgewirkt hat. Natürlich sind da die illustren Anfänge bei CRISIS, aus denen später DEATH IN JUNE hervorgingen. Einige Zeit nach seinem Ausscheiden bei letzteren gründete er SOL INVICTUS, die legendäre Neofolk-Truppe, die mit seinem Namen in Verbindung steht wie kein zweites Projekt. Neben dieser 'Band', die eigentlich kaum als solche zu bezeichnen ist, da es sich vielmehr um eine wechselnde Gruppe von Musikern um seine Person herum handelt, hat er noch Soloalben veröffentlicht und das stilprägende ORCHESTRE NOIR begründet, ein Projekt, das auch starke Auswirkungen auf den Sound von SOL INVICTUS haben sollte. Und so, wie er es letztlich seit den frühen 80ern macht, ist es auch bei "The Cruellest Month" geschehen.

Das Album fügt sich vom Sound her nahtlos in die Bandgeschichte der letzten Jahre ein. Die Zeiten der Lagerfeuerromantik sind lange her und den Hörer erwarten wieder einmal die opulenten und teilweise fast orchestralen Klänge mit einem leichten Hang zum Grotesken, die immer mehr zum Markenzeichen von SOL INVICTUS wurden. Neben Wakefords unvermeidlicher Gitarrenarbeit finden sich Streicher, Flöten, Akkordeon, elektronische Elemente und und und... Auch im Bereich des Gesangs teilt sich der Meister den Job mit einem Vize, der Szenekennern nicht neu ist: Andrew King darf bei mehreren Stücken seine Stimme beitragen. Wobei wir bei einem ersten Knackpunkt sind. SOL INVICTUS war nie ein Projekt, das für große Vokalakrobatik bekannt war. Doch teils haben sich neben Herrn Wakeford recht angenehme Zweitstimmen gefunden. Andrew Kings Gesang ist außergewöhnlich, aber auch recht anstrengend, da sich hier eine unbändige Theatralik mit teilweise etwas schrägen Untertönen verbindet. Für den Ungeübten gibt es einige Stellen auf "The Cruellest Month", an denen man sich ein wenig in den Unterleib gekniffen fühlen kann, zumindest bezüglich der Vokalisten.

Dissonante Klänge finden sich allerdings auch immer wieder im Bereich der sonstigen Instrumente, doch hier scheint es deutlich intendierter zu sein und weniger eine Frage technischen Vermögens. Bei allem Eindruck, den die Arrangements und bizarren Klangwelten schaffen, fällt das Songmaterial allerdings recht dürftig aus. Die Hitdichte früherer Alben sucht man hier vergebens und es gibt keine einzige Komposition, die Nummern wie "Death of the West", "Kneel to the Cross", "Amongst the Ruins" oder "Fall Like Rain" im Ansatz das Wasser reichen könnte. Viele Nummern sind nett anzuhören, wären auf vergangenen Alben aber eher Füllmaterial gewesen. Der Höhepunkte sind wenige und einer ist eindeutig "Toys", das mit seiner grotesken Zirkusatmosphäre im Walzertakt eindeutig an Tom Waits gemahnt und bei dem einfach alles stimmt. Es ist nicht ganz unauffällig, dass beispielsweise das instrumentale "April Rain" mit seinem langen Intro, das eine nahezu ambientige Atmosphäre schafft, zu den stärksten Momenten auf dem Album gehört.

Letztlich ist die Atmosphäre wieder einmalig und treffsicher geraten, es gibt viele Momente, die dem Fan ein freudiges Lächeln entlocken können, doch das Material hätte in Sachen Songwriting weitaus stärker ausfallen können. Zumal eine der besten Nummern "To Kill All Kings" auch schon von der tollen Compilation "John Barleycorn Reborn" bekannt ist. Bei allen Qualitäten über die Herr Wakeford verfügt sieht "The Cruellest Month" vor der eigenen Bandgeschichte ein wenig blass aus. Ein Album, das man als Liebhaber der Band durchaus sein Eigen nennen sollte, das für Neueinsteiger allerdings nur bedingt zu empfehlen ist. Hier sei nach wie vor der Griff zu Alben wie "In the Rain", "The Killing Tide" oder auch "In a Garden Green" empfohlen.

Sieht man dieses Album im größeren Zusammenhang, bestätigt sich eine Tendenz: Die Heroen der 80er und 90er Jahre in Sachen Neofolk haben den Anschluss ins neue Millennium nicht ganz geschafft. Die Blässe, die sich bei SOL INVICTUS bemerkbar macht, steht neben den ebenfalls einfach nicht mehr überzeugenden Werken eines David Tibet mit CURRENT 93 oder Douglas P. mit DEATH IN JUNE. So glorreich ihre Vergangenheit musikalisch war, so sehr macht es inzwischen den Eindruck, als hätten sich diese Helden von einst auf ihrem Altenteil eingerichtet, wo sie von der Inspiration vergangener Tage zehren. Mal schauen, ob aus dieser Richtung noch einmal etwas kommt, das wieder vollends überzeugen kann.
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