Sólstafir - Svartir Sandar (Boxset)

Sólstafir - Svartir Sandar (Boxset)
Viking Metal / Ambient / Progressive Rock
erschienen am 14.10.2011 bei Season Of Mist
dauert 77:24 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Ljós í Stormi
2. Fjara
3. Þín Orð
4. Sjúki Skugginn
5. Æra
6. Kukl
7. Melrakkablús
8. Draumfari
9. Stinningskaldi
10. Stormfari
11. Svartir Sandar
12. Djákninn

Die Bloodchamber meint:

Mit einem festen Händedruck bedankt er sich bei seinem Fahrer und wünscht ihm ein schönes Leben. Wer weiß, ob man sich wiedersieht? Eine kalte Brise schaudert ihm durch die Glieder. Mütze auf und den Kragen des Mantels hoch ins Gesicht gezogen, marschiert er los, den monumental aufragenden Vulkanen in der Ferne entgegen. Was folgt, ist eine schier endlose Wanderung durch Seen- und Flusslandschaften, entlang malerischer Fjorde, an denen majestätisch die Brandung empor schäumt, hinauf auf bitterkalte Gletscher, immer begleitet von eisigen Winden, stürzenden Wasserfällen und prasselnden Hagelkörnern. Die Reise dieser einsamen Seele voller Reue, Melancholie, Trostlosigkeit, Wehmut und dezenter Hoffnung ist das Konzept von „Svartir Sandar“, der neuen extraordinären Klanglandschaft aus dem Hause SÓLSTAFIR.

Was die Isländer vertonen scheint losgelöst von irgendwelchen Kategorisierungen und Normen. SÓLSTAFIR haben erreicht, was nur wenigen Bands gelungen ist: sie stehen für sich. Vollkommen unabhängig zwischen den Genres und dennoch unverkennbar. Post Rock? Ambient? Viking Metal? Black Metal? Avantgarde-psychedlic Doom? Sänger Aðalbjörn Tryggvason und Co. vereinen alles in einem einzigartigen SÓLSTAFIR-Kosmos, der natürlich grenzwertig ist und der vielen Hörern einfach nicht zugänglich erscheinen mag. Wer allerdings einmal der Faszination der Band verfallen ist, kann sich dieser scheinbar nie mehr entziehen. Nun könnte man meinen SÓLSTAFIR würden nun kommerziellen Trends folgen und ihr Album ruhiger und eingängiger gestalten als zuvor, aber so einfach machen sie es uns nicht. Zwar ist „Svartir Sandar“ das wohl „unmetallischste“ Album der Bandgeschichte, Zugänglichkeit sieht jedoch anders aus als ein Doppelalbum mit Songs voller Überlänge und rein isländischen Texten. Und so benötigt man wieder einmal außergewöhnlich viel Zeit, um sich der einsamen Seelenreise durch Wind und Wetter anzuschließen und ihr zu verfallen.

Die Zutaten bleiben bekannt: ein sich schier endlos steigernder musikalischer Klimax, der von gewaltigen Urschreien, hallenden Bässen, wabernden Gitarrenwänden, viel emotional aufgewühlter Atmosphäre und treibenden Rhythmusvariationen begleitet wird. Und dennoch klingt jeder Titel einzigartig. „Ljós í Stormi“ knackt als Opener bereits die zehn Minuten Grenze, wird dabei alles andere als langweilig und beschwört sogar die Zeiten eines „Masterpiece of Bitterness“ herauf. Das liegt vor allem auch an der Produktion, die im Vergleich zum Vorgänger wieder etwas roher, naturverbundener und kantiger klingt, mir persönlich aber teilweise schon zu viel Hall transportiert. Songs wie „Fjara“ steht dies wiederum recht gut. Das wohl eingängigste Stück der Bandgeschichte wird von Pianoklängen und trällernden Chören begleitet. Das wirkt in der rauen isländischen Klanglandschaft derart deplatziert, dass es schon wieder begeistert. Ich fühle mich wie ein Odysseus, der an der Insel der Sirenen entlang segelt und sich ob des verstörenden musikalischen Spektakels seiner Sinne beraubt sieht. Dieses Katz und Maus Spiel scheint sich gnadenlos fortzusetzen. Mit „Þín Orð“ folgt der schnellste Song des Albums. Das vertonte Intermezzo mit Skylla und Charybdis, wenn wir bei der odysseenhaften Sprache bleiben wollen. Im weiteren Verlauf sieht sich der Hörer konfrontiert mit ambientlastigen Stücken („Kukl“), ausufernden Einsamkeitshymnen („Melrakkablús“) und dem isländischen Wetterbericht („Stinningskaldi“). Insgesamt erscheint der zweite Teil des Doppelalbums ein wenig ruhiger, fast „post rockiger“.

Eine Zusammenfassung fällt schwer. Wieder einmal beweisen SÓLSTAFIR, dass sie scheinbar nicht von dieser Welt sind. Sie spielen mit dem Hörer, erschaffen wunderbare Klanglandschaften und versetzen den Hörer in einen Rausch, der von der Realität entrückt scheint. So nahe hat man sich Island noch nie gefühlt (es sei denn, man war schon mal dort). Das Prädikat „sehr gut“ hat sich „Svartir Sandar“ definitiv verdient. Allerdings darf es bei SÓLSTAFIR auch gerne außergewöhnlich sein. Und so mitreißend und tiefgründig, wie die beiden Vorgängeralben, ist es bei aller Finesse nicht. Vielleicht ist es sogar dieses Mal einfach zu viel des Guten, wenn plötzlich der Wetterbericht vertont wird oder einem für die letzten beiden Stücke des Doppelalbums schlicht die Konzentration fehlt. Vielleicht wäre weniger hier einfach mehr gewesen. Vielleicht fehlte mir bis dato aber auch einfach die Zeit für die Erkenntnis des Außergewöhnlichen…
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