Watain - The Wild Hunt

Watain - The Wild Hunt
Black Metal
erschienen am 16.08.2013 bei Century Media
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Night Vision
2. De Profundis
3. Black Flames March
4. All That May Bleed
5. The Child Must Die
6. They Rode On
7. Sleepless Evil
8. Wild Hunt
9. Outlaw
10. Ignem Veni Mittere
11. Holocaust Dawn

Die Bloodchamber meint:

Dieses Mal ist es persönlich! So mancher Film mit Charles Bronson in der Hauptrolle wurde von diesem Satz getragen. Und immer wenn es persönlich wird, ist die Urteilskraft im besonderen Maße herausgefordert. Gerade wenn man sich nicht an den journalistischen Leitspruch "Töte deine Lieblinge!" hält, und es trotzdem wagt, der Öffentlichkeit eine plausible Besprechung trotz tiefer persönlicher Verbundenheit präsentieren zu wollen, wird es heikel. Zu schnell sind die Grenzen zu Fanboytum oder Beleidigtsein überschritten, ja nachdem ob die eigenen Erwartungen erfüllt werden oder nicht. Und wie gerne hätte ich eine einfache Lobeshymne auf das innig erwartete Album von WATAIN geschrieben. Die Schweden hätten es mir einfacher machen können, zumal ich ihnen sehr wohl gesonnen bin, wie so viele andere Black Metal Fans auf der ganzen Welt.

Doch so einfach ist es leider nicht. Bringen wir es auf den Punkt: WATAIN haben sich in den vergangenen Jahren einen Status als lebende Legenden erspielt, ihre letzten beiden Alben boten schwedischen Schwarzmetall allererster Güte, sie waren angefüllt mit Gassenhauern, die sich auch nach dem hundertsten Mal Hören nicht abnutzten. Sie inszenieren dies in beeindruckenden Liveshows, die unglaublich viel Pomp und Effekte in Verbindung mit finsterster Leidenschaft beinhalten und damit der Essenz dessen, worum es im Black Metal geht, eine fast operettenhafter Präsenz verleihen. "Sworn to the Dark" ist aus meiner Sicht eines der besten schwarzmetallischen Alben dieses jungen Milleniums. Basta!

Und nun haben wir es mit Album Nummer fünf zu tun. "The Wild Hunt" folgt der Entwicklung in Richtung Musikalität und Komplexität, die wir im Laufe der bisherigen Bandgeschichte beobachten konnten und es konfrontiert den Hörer mit ganz neuen Facetten der Band, die nicht jedem schmecken werden. Der Schritt heraus aus den Limitierungen des Genres, in dem sich WATAIN bislang ausschließlich bewegt haben, ist ein mutiger und gewagter, doch es ist fraglich, ob man ihn auch als künstlerisch komplett gelungen bezeichnen darf. "The Wild Hunt" bietet jede Menge WATAIN, ohne Frage. An allen Ecken und Enden trifft man die spezifische Art und Weise wieder, mit Riffs und Melodien umzugehen. Doch vergleicht man die Hitdichte der letzten beiden Alben mit dem neuesten Werk, fällt die Bilanz eindeutig zu Gunsten der Vergangenheit aus. Nach einem sehr schönen instrumentalen Intro geht der Opener "De Profundis" auch direkt in die Vollen, man merkt ihm durchweg an, dass er dafür geschrieben wurde, von nun an die Shows der Band zu eröffnen. Doch leider verzocken sich WATAIN hier ein wenig zu sehr in Effekthascherei, sodass trotz guter Elemente kein richtig großer Wurf am Anfang des Albums steht. Das Stück wirkt bisweilen konfus und überladen.

Und leider ist dies symptomatisch für den weiteren Verlauf des Albums. WATAIN wollen alles, doch sind sie nicht ganz sicher darin, auch alles gekonnt unterzubringen. Und so pendelt "The Wild Hunt" zwischen Songs, die einen guten Bandstandard darbieten, ohne dabei große Akzente zu setzen ("Black Flames March", "All That May Bleed"), und Songs, die aus dem bislang abgesteckten Rahmen fallen ("They Rode On", "The Wild Hunt"). Besonders bei "They Rode On" zeigen sich die Einflüsse von FIELDS OF THE NEPHILIM, deren Bandleader Karl McCoy ja bekanntlich Gast auf dem letzten Album war. Die Nummer ist ganz sicher keine schlechte, Erik schafft es tatsächlich, mit seinem klaren Gesang eine ganz neue Facette von WATAIN aufzuzeigen. Aber sie begeistert eben auch nicht. Einen solchen Schritt haben andere schon besser hinbekommen.

Ein abschließendes Urteil fällt schwer. "The Wild Hunt" ist trotz aller Neuerungen ein Album von WATAIN. Doch eines ist ebenso offenkundig: Die Begeisterungsstürme, zu denen mich "Sworn to the Dark" und "Lawless Darkness" hingerissen haben, bleiben dieses Mal aus. Zu häufig wird hier nur songwriterisches Mittelmaß geboten. Zu wenig konsistent ist der Eindruck, den das Album als Ganzes bietet. Zu sehr drängt sich der Gedanke auf, dass es für die Musiker verdammt schwer geworden ist, den bislang eingeschlagenen und von Lorbeeren gedeckten Weg weiter zu verfolgen. Und die Ratlosigkeit, die damit einhergeht, zeigt sich an der Heterogenität von "The Wild Hunt" und an Songs, die fast ein wenig schlapp und kraftlos klingen ("The Child Must Die"). Da ist es richtig erfrischend, wenn "Sleepless Evil" durchscheinen lässt, dass hier noch Eier wie eh und je vorhanden sind.

Und damit wird das Feuer frei gegeben, die Diskussion ist eröffnet. An diesem Album werden sich die Geister scheiden. Es wird totale Verrisse wie auch Lobeshymnen geben. Die Erweiterung der musikalischen Kampfzone Black Metal wurde schon von vielen vorher gewagt und so manche Band hat das überzeugender geschafft als WATAIN auf ihrem neuen Album. Doch viele große Bands haben Brüche und Knicke in ihrem Schaffen gehabt, so werden auch die Phasen der Selbstfindung und -vergewisserung auf diese Weise dokumentiert. Zu einem schlechten Album macht dies alles "The Wild Hunt" nicht. Aber eben auch nicht zu einem überragenden.
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