Alcest - Shelter

Alcest - Shelter
Post Rock
erschienen am 17.01.2014 bei Prophecy Productions
dauert 45:36 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Wings
2. Opale
3. La Nuit Marche Avec Moi
4. Voix Sereines
5. L'éveil Des Muses
6. Shelter
7. Away
8. Délivrance

Die Bloodchamber meint:

„Mehr Licht!? lauteten der Überlieferung nach die letzten Worte Goethes. Dieser Wunsch könnte auch für die Herren Neige und Winterhalter bei Konzeption und Komposition des aktuellen Albums von ALCEST Pate gestanden haben. Allein der Blick auf das lichtdurflutete Coverfoto verdeutlicht ein Abrücken von nächtlichen Sphären, wie sie noch auf „Écailles de lune? zelebriert wurden. Die Sonne ist das Stimmungszentrum dieses Albums. ALCEST haben viele sonnige Momente eingefangen, doch bedienen sie keine simple sommerliche Atmosphäre, sondern als bekennende Melancholiker sind es die Umbrüche, die Momente der Vergänglichkeit, die sie am meisten zu faszinieren scheinen. Und so hat auch das Licht in den Jahreszeiten des Wandels die bemerkenswertesten Farbtöne. Frühling und Herbst, der zarte Aufbruch der Natur und dessen Gegenstück, die Momente des letzten abendlichen Mückentanzes, des ersten Raureifs, die warmen Töne beschienenen Laubes, all dies findet sich auf „Shelter? in wunderschöner Form wieder.

Doch genug der Dichtkunst! Es ist schon bemerkenswert, „Shelter? zu hören und sich vorzustellen, dass diese Band mal mit dem Label Black Metal bedacht wurde. Das vierte Album der verträumten Franzosen ist der endgültige und komplette Abschied vom Metal und hier liegt für den Kritiker eines Metalwebzines natürlich auch der Knackpunkt. Weder gereckte Fäuste, noch Headbanging, noch „Hey hey hey?-Chöre haben irgendwas mit dieser Musik zu tun. ALCEST zelebrieren sphärische (Post-)Rockmusik, so wie sie es wohl schon immer wollten, doch inzwischen überlassen sie sich vollkommen der träumerischen Atmosphäre, den sanften Klängen und der betonten Fragilität.

Jeder kernige Metaller ist also dazu aufgefordert, sich seiner weiblichen Seite zu stellen oder das Weite zu suchen. „Shelter? ist schön, bisweilen bemerkenswert, was sich vor allem an Nummern wie „La nuit marche avec moi? oder „L'éveil des muses? festmachen lässt. Diese Stücke sind wirklich herausragende Kompositionen, bei denen sich die Band auf voller Höhe zeigt. Sie schaffen es, Melodien zu schreiben, die sich anfühlen wie die vertonte erste Liebe, so schwärmerisch und verstrahlt, dass die Begeisterung dazu führen kann, nur noch sirupartige Klischees als Mitteilungsmöglichkeit zu finden. Leider wird dieses Niveau, wie so häufig, nicht ganz gehalten. Mit dem ausufernden Schlussstück „Délivrance?, das ein letztes Highlight darstellt, endet auch der Reigen des Ausnahmenummern. Der Rest bewegt sich immer noch auf einem feinen, aber nicht ganz ebenbürtigen Level.

Für manchen dürfte die Band damit endgültig verloren sein und die klassisch truen Betonköpfe werden in all ihren Tiraden, die sie immer schon hinsichtlich der Musik von ALCEST abgesondert haben, nur bestätigt werden. Doch eines muss man Neige und Winterhalter lassen: Sie machen ihre Sache verdammt gut, auch wenn sie bisweilen übersensibel und allzu schmusig gerät. „Shelter? ist ein Album, bei dem man nicht denken muss oder sollte, „Shelter? ist vor allem was zum Fühlen. Und es fühlt sich verdammt gut an!
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