Nightwish - Endless Forms Most Beautiful

Nightwish - Endless Forms Most Beautiful
Symphonic Metal
erschienen am 27.03.2015 bei Nuclear Blast
dauert 78:53 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Shudder Before The Beautiful
2. Weak Fantasy
3. Élan
4. Yours Is An Empty Hope
5. Our Decades In The Sun
6. My Walden
7. Endless Forms Most Beautiful
8. Edema Ruh
9. Alpenglow
10. The Eyes Of Sharbat Gula
11. The Greatest Show On Earth

Die Bloodchamber meint:

Man kennt das ja: Auch wenn der Abend noch so perfekt und das Gegenüber noch so charmant ist, ein einziger feuchter Furz kann das ganze Date ruinieren. Manchmal sind es eben die Kleinigkeiten, welche die ganzen sonstigen Bemühungen schlagartig in Vergessenheit geraten lassen. Das aktuelle NIGHTWISH-Album mit dem etwas sperrigen Titel "Endless Forms Most Beautiful" ist so ein Fall, wo einzelne Details ne Menge kaputt machen.
Dabei sind die Grundvoraussetzungen ja eigentlich ganz passabel. Das Vorgängeralbum mag zwar etwas wirr daher kommen, zeigt aber zumindest einen gewissen Charakter. Das Dagobert Duck-Nebenprojekt von Bandkopf Tuomas versprühte einen Hauch ansteckender Magie und Floor, die neue Frau am Mikro, ist uns aufgrund ihrer bisherigen Projekte ebenso nicht unsympathisch. Wo hakt es nun also?

Los geht’s eigentlich schon beim Opener "Shudder Before The Beautiful". Grundsätzlich ist das ein durchaus typischer NIGHTWISH-Song: Knackige Riffs, vielleicht gar ein wenig aggressiver als gewohnt. Vollgestopft mit Keyboards, Orchester und vielen Details. Dieses Mal halt nur mit einer sich etwas zurückhaltenden Floor Jansen statt der zuvor sorgsam entfernten Anette Olson. Das anfängliche Gelaber verzeihen wir auf Grund seiner Kürze, jedoch was zum Teufel sollen diese billigen Amiga-Keyboard-Attacken? Hat da ein amoklaufender Bodom-Jünger zwischendurch das Aufnahmestudio überfallen? Von NIGHTWISH erwarten wir Hochglanz - gerne kitschig, weltfremd und vorhersehbar -Hauptsache es klingt nach mehr als Nachbars Katze über das Keyboard laufen zu lassen.

Bei "Weak Fantasy" ist die Nörgelei eher persönlicher Natur, da der Refrain unsere Gedanken stets unerklärlicherweise Richtung BILLY IDOLs "Flesh For Fantasy" abschweifen lässt. Endlich darf aber Floor auch mal etwas mehr Eier in ihre eigentlich kraftvolle Stimme legen. Denn mittlerweile wird auch klar, dass die möglicherweise erhofften frischen Impulse durch ihren Neuzugang im Grunde wohl ausbleiben werden. Was sie bisher zeigt (und auch im Verlauf des Albums noch zeigen wird), ist letztlich auch nicht viel mehr als reine Auftragsarbeit. Immer schön rein in den laufenden Strom, bloß nicht über die Reling lehnen und den Kahn schön gerade halten.
Aber zurück zum Thema: Was uns in dem Zusammenhang noch signifikant auf die Nerven geht, ist dieses ständige Rauf- und Runterregeln des Sounds und insbesondere der Gitarrenspur, nur damit zu dünn aufgetragener Gesang deutlicher hervorsticht oder mit billigsten Mitteln eine Dynamik suggeriert wird, die eigentlich gar nicht vorhanden ist. Woher kommt nur diese Angst, die Frau am Mikro auch mal richtig loslegen zu lassen? Glaubt ihr immer noch, Anette mit ihrer deutlich dünneren Stimme stünde auf euren Gehaltszettel? Wir verstehen es einfach nicht.

Aber was soll's, weiter im Kontext. An "Élan" lassen sich eigentlich keine kleinen Fehler ausmachen, da der ganze Song einfach komplett grauenhaft ist. Wenn beim Anhören schon die Frau im Vorbeilaufen bemerkt, dass "das ja wie Schlager klingt" und wir ihr nach kurzer Überlegung im Grunde auch noch recht geben müssen, läuft eindeutig was falsch an der Symphonic Metal Front. Nichts gegen ekelhaft klebrige, weichgespülte Pseudo-Folk-Pop-Melodien, aber dieses 'Aaah' im Hintergrund des Refrains, ist das wirklich euer Ernst?

Wir lassen deshalb an dieser Stelle ebenso das ernsthafte Auseinandersetzen mit jedem einzelnen Stück des Albums und fassen den Rest schnell zusammen: Mit "Our Decades In The Sun" folgt später die obligatorische Ballade. "My Walden" bekommt volle Punktzahl beim Wettbewerb um den nervigsten Refrain dieses Jahres. Der eigentliche Titelsong reißt noch einiges raus, da er mal wieder so richtig dem Vollen schöpft und deutlich auf den Tisch haut. Zusammen mit "Edema Ruh" und dem eigentlichen Highlight des Albums "Alpenglow", der zwar recht schnörkellos, dafür aber mit Killerrefrain daher kommt, bildet er die stärkste Viertelstunde der gesamten Scheibe. Zusammen zeigen die drei Stücke, wie gut NIGHTWISH auch 2015 sein können, bevor ein viel zu langes Instrumental das eigentliche Ende einläutet.

Hier sind erneut etwas mehr Worte angebracht, schließlich nimmt "The Greatest Show On Earth" gleich mal ganze 24 Minuten Lebenszeit in Anspruch. Auf vielleicht 6 bis 8 Minuten gestutzt, sicher ein gelungener Absacker, so jedoch mit Hilfe von instrumentalem repetitivem Gedudel, pseudophilisophischem Gelaber (in dieser Länge NICHT mehr akzeptabel) und minutenlangen Natur- und Tiergeräuschen einfach nur komplett sinnfrei in die Länge gezogen. Es dauert zum Beispiel ganze 6 Minuten, bis mal was signifikantes passiert. Was dann an knackigem Symphonic Metal geboten wird, weiß zwar ohne Zweifel zu begeistern. Dafür aber jedes Mal das ganze Gestrüpp drumherum freizuhacken, macht einfach keinen Spaß.

"Endless Forms Most Beautiful" haben wir oft gehört, noch häufiger aber uns auch nur die Rosinen rausgepickt und den Rest versauern lassen. Scheinbar wird das bei NIGHTWISH-Alben wohl zur Gewohnheit.
-