Adrift - Sulphur Seas (EP)

Adrift - Sulphur Seas (EP)
Avantgarde Black Metal
erschienen am 02.06.2006 als Eigenproduktion
dauert 30:25 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Sulphur Seas
2. Skyfall
3. Desert
4. Sulphur Waves
5. Inferno I

Die Bloodchamber meint:

Interessant – das ist wohl das einzige uneingeschränkt zutreffende Wort dieser Welt, das auch nur annähernd dieser gekürzten Version von „Sulphur Seas“ mit Demo-Charakter im Hinblick auf die im Winter bevorstehende full-length Veröffentlichung, gerecht wird. Die Gemüter und Geschmäcker werden sich an dieser CD die Zähne ausbeißen, denn sie scheint wirklich nicht von diesem Planeten zu sein. Nadir, das einzige Mitglied und Gründer von Adrift, der in der Schweiz zuhause ist, werkelt schon seit über 10 Jahren an seiner Musik und man hat den Eindruck, das faszinierende Werk eines Genies oder eines Verrückten vor sich zu haben. Zu ausgeklügelt und gut abgestimmt, als dass es glückliche Zufälle sind, aus denen die genial arrangierten Songs zusammengesetzt sind – zu eigenständig, als dass man es mit irgendetwas vergleichen könnte – zu individuell, als dass sich irgendjemand außer dem Meister selbst erlauben dürfte, sich einzumischen. Die Qualität der Aufnahme ist zwar nicht berauschend, aber ausreichend, um alles zu Vermittelnde schön rüberzubringen. Es gibt eben Dinge, die einem persönlich so wichtig sind, dass man sie lieber alleine umsetzt und anderen ausschließlich die Aufgabe überlässt, sich mit dem fertigen Werk auseinanderzusetzen – eben dies wird in dem selben deutlich.

Es ist ein leichtes und gleichzeitig letztendlich unmögliches Unterfangen, die Musik zu beschreiben. Der leichte Weg ist eine nüchterne, objektive Analyse: „Sulphur Seas“ liefert ausgefallenen, irgendwo, obwohl mit starken Elektro- und Industrialeinflüssen behafteten, sehr ursprünglich klingenden, atmosphärischen Black Metal. Das Hauptgewicht liegt auf verschiedenen, meist simplen Keyboardakkorden, überdeckt mit mehreren, zum Teil recht virtuosen Melodielinien, die sich hypnotisierend ständig wiederholen. Die Drums sind meist im Hintergrund gehalten, leicht übersteuert und von überschneller, unmenschlich monoton programmierter Perfektion. Nur bei ruhigeren Passagen verschmelzen sie nicht mit dem übrigen Klanggebilde und werden hervorgehoben. Ähnlich ist es bei den Gitarren: Wie es bei alten BM-Urgesteinen oft der Fall war erscheinen die cleanen Akkordpickings klar und hell im Vordergrund und die mit meistens viel zu viel Hall belegten, extrem übersteuerten Gitarren sind nur diffus und undefinierbar im Hintergrund wahrnehmbar. Durch die Keyboarddominanz, die die verschiedensten Sounds von Klavier über Orgel und Streicher bis hin zu spacig elektronischen Klängen umfasst – oft auch einige parallel – sind die Gitarren oft fast nicht wahrnehmbar, doch alles fügt sich in das atemberaubende, streng organisierte Chaos ein. Ruhige Passagen wechseln sich mit chaotisch, beängstigend überladenen ab und driften teilweise in völlig unbestimmbare Geräuschkulissen ab, was das Beste an der ganzen CD darstellt. Alles ist durchzogen von Störgeräuschen, wobei wir nun zum schier unerklärlichen und faszinierend subjektiven Teil kommen. Ein ständiges Rauschen, Blubbern und Grummeln erfüllt die Luft und den Boden, ein Wummern dringt aus der Erde und ungeahnte Winde fauchen. Nadirs Stimme, die teils dermaßen effektbeladen zu sein scheint, dass man sie nur noch als ein unmenschliches Kreischen und Heulen des Windes bezeichnen kann, das ab und an die Luft durchschneidet, muss hierbei ebenfalls zu den „Geräuschen“ gezählt werden, die das Hörerlebnis so einmalig und fesselnd machen. Cleane Stimmelemente sind zwar enthalten, doch werden sie vom Wind verschluckt und erscheinen nur wie ein Murmeln in weiter Ferne.

Der Hörer versinkt in einem reißenden Ozean aus verführerischen, hypnotischen Melodien, brodelnden Schwefelmeeren, hört Stimmen aus einer anderen Welt, spürt Leere und Verlassenheit im Rauschen eines Fernsehers, Funkgeräts oder Radios, das weit von jeglichem Empfang entfernt ist, nimmt das tiefe, bösartige Brummen eines unterirdischen Erdbebens wahr, streift die heißen, lang anhaltenden, alles mit sich reißenden Winde einer atomaren Explosion, die nur einen offenen Mund und atemlose Stille zurücklässt und sieht die Sonne.
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