Lost in Mülheim (an der Ruhr)

Lost in Mülheim (an der Ruhr)

Special
03.06.2005
Freitag, 27. Mai 2005 : nach unzähligen Versuchen und Terminproblemen kommt es zum Treffen zwischen Redaktions–Ruhrpottassel Hauptmann und Forum Member Falk, den es aus beruflichen Gründen aus seiner thüringischen Heimat an die Ruhr verschlagen hat. Beide Metalmänner haben sich vorher noch nie gesehen geschweige denn miteinander telefoniert – ein echtes Blind Date sozusagen.

Bevor es losgeht, erst mal Map & Guide bemüht : Herten-Westerholt -> Mülheim-Heißen, kein Problem, nur etwa 35 Minuten. Naja, ob das mal stimmt ? Also rein in den Evil Astra und durchgestartet Richtung Gelsenkirchen-Süd, der Bronx des Ruhrgebiets. Trotz mittlerweile 27 Jahren Ansässigkeit in diesem Kleinod des Kohlenpotts schafft mh es irgendwie, falsch abzubiegen und erstmal blind durchs Ghetto zu kurven. Na super, alles falsch gemacht. Also Wenden und zurück, irgendwo hier muß doch die verdammte A40 sein. Nach unmenschlich langer Kurverei durch völlig unbekannte Landschafen kommt endlich die Auffahrt. Ach, wir sind schon fast in Essen ? Hmmmm … da stimmt doch was nicht. Egal, zu diesem Zeitpunkt ist die vereinbarte Ankunftszeit von 18:00 eh schon deutlich überschritten, also macht das jetzt auch nix mehr. Kurze Zeit später in Mülheim runter und dank der Wegbeschreibung des Gastgebers (ohne hätte ich das nie gefunden) auch relativ fix auf dem Parkplatz. Mittlerweile ist es fast 18:30, geschätzte Fahrzeit also gute 70 Minuten. Danke für nichts, Map & Guide …

Erstmal sehr schön : das Haus ist Metal-kompatibel, da sich hier sowohl ein Sonnenstudio als auch ne Arztpraxis befinden. Da kann man am Wochenende ruhig schon mal die Speaker blowen. Treppe hoch, kurze Begrüßung und die erste Flasche Warsteiner ist am Hals … schade, daß es kein Alt mehr an der Tanke gab. Egal, geht auch, bei Temperaturen um die 30° spielt das irgendwann sowieso keine Rolle mehr. Obwohl die musikalischen Vorlieben der beiden Herren (Falk : Black / Death / Viking, Micha : Pussymucke) etwas differieren, wird spätestens durch die Kassierer- und Lokalmatadore LPs (!) klar, daß sich hier zwei Bescheuerte gefunden haben. Angestachelt durch Pro-Pain (ja Falk, „Iron Fist“ ist im Original nicht von Sodom sondern von Motörhead) und die neue Psychopunch (ein geiles Geschoß) kommt man sehr fix auf die Böhsen Onkelz, seit jeher ein Fave unserer beiden Protagonisten. Da vergeht die Zeit natürlich wie im Fluge, speziell auch durch die amüsanten Anekdoten unseres Exil Ossis, der anscheinend seit er krabbeln konnte auf jedem Konzert der Frankfurter war und eine beachtliche Bootleg Sammlung vorweisen kann.

Bevor es zu spät ist wird erst mal noch schnell ne Pizza auf den Zahn gelegt, und nach einigen weiteren Bierchen ist eine glorreiche Idee geboren : auf zum Star Club. Der Haken an der Sache : genannter Metalschuppen liegt irgendwo in den Untiefen Mülheims, und keiner der Anwesenden ist ortskundig. Zwar wurde die Kaschemme schon mal (unter freundlicher Mithilfe von Forum Member Manheim) besichtigt, aber Erinnerungen sind ja wie Namen meist Schall und Rauch. „Irgendwo hinterm Bahnhof“, soviel ist aber sicher.
Naja, der Pegel stimmt, also schnell noch ein paar Faustbier gekrallt und ab geht die Odyssee. Erstmal gilt es, den mächtigen Hingberg zu bezwingen, wenn auch vorerst nur bergab. Trotzdem schweinelang und für den Ruhrpott amtlich steil. Die U-Bahn hat um diese unchristliche Zeit natürlich längst zu, also bleibt es beim gemütlichen Walking.
Nachdem der Bahnhof erfolgreich passiert ist, tauchen die ersten Fragezeichen auf. Muß doch hier irgendwo sein ? Am besten erst mal planlos herumirren, das macht Sinn. Zum Glück trifft man nach kurzer Zeit auf einen Taxifahrer, der einen mit den Worten „Entweder erste rechts oder zweite links …“ aber auch nicht viel schlauer macht.
Die nun folgende Episode verändert mein Menschenbild. In der Ferne stehen vier junge Kerle mit ein paar aufgemotzten Karren. Gut, daß Falk keinerlei Bedenken hat und schnurstracks auf die evil Typen zuhält und direkt mal nach dem Weg fragt. Die Angesprochenen (gewaltbereit aussehende Gangster aus einem Land, das möglichst bald der EU beitreten möchte) entpuppen sich grotesker Weise als äußerst umgänglich und laden uns mit den Worten „Klar Alda, kenn ich, steig ein, ich fahr euch eben hin“ sogar zur gemütlichen Taxifahrt ein. Wer hätte das gedacht ? Entgegen aller Bedenken also rein in die Pornoschleuder und zwei Minuten später wieder raus, unmittelbar vor gesuchtem Etablissement. Dank an dieser Stelle noch mal an Erol. Korrekte Aktion, hätte ich im Leben nicht mit gerechnet. Sachen gibt’s, die gibt's gar nicht ...

Nun also endlich rein ins Land wo Bier und Metal fließt. Hui, sind ja bestimmt zehn Leute da (inklusive Thekenpersonal übrigens). Naja, dafür stimmt die Mucke. Dank der moderaten Ausrichtung in Richtung metallische Klassiker erkenne ich zwar mehr als mein geschätzter Trinkkumpane, aber das ist bestenfalls Makulatur. Nach einigen weiteren Pülsbier wird dann auch noch der DJ belästigt, endlich mal was richtig Geiles zu spielen. So ganz drauf hat er’s zwar nicht (statt „Fear Of The Dark“ kommt „The Trooper“ und statt „Hail And Kill“ „Hand Of Doom“), aber spätestens beim Slayer Midtempo Monster „Skeletons Of Society“ wird die verwaiste Tanzfläche von zwei Betrunkenen gestürmt, die derbe abmoshen und Luftgitarre spielen. Und das alles in Punk Shirts. Egal.
Da der Laden mittlerweile gar nicht mehr voll ist – im Gegensatz zu uns – gehen wir lieber mal vorsichtig den Rückweg an, der diesmal relativ problemlos von Statten geht. Beim Döner noch mal ne Wegzehrung in Form eines schönen Diebels mitgenommen, und dann kann die Kletterei losgehen. Nie wieder Hingberg.
Irgendwann kommt man tatsächlich wieder in der Home Base an, wo die letzten Bierchen geplättet werden und der Abend bei grusliger Beschallung durch Joint Venture langsam ausklingt. Gegen 4 oder 5 ab auf die Couch und damit auch ins Koma.

Schwärze. Stille. 10:30 Uhr. Ein jähes Erwachen. Der Raum ist mit Licht geflutet, der Kopf leider auch. Aua. Irgendwie aufgestanden, umgezogen und zurück auf die Straße. Der noch selig ratzende Gastgeber wird vorsorglich nicht geweckt. Sieht zwar schwer nach dem Abgang einer Fünf Dollar Nutte aus, aber darum schert sich jetzt auch niemand mehr. Rein ins Auto und zurück. Toll, daß der Wagen den Weg kennt, denn sonst hätte das übel ins Auge gehen können. Nach der Ankunft in Westerholt ist der Rest des Tages – auch dank der Wärme – ein einziger Dämmerzustand, unterbrochen durch gelegentliches Stöhnen.

Bittere Erkenntnis : nach der Niederlage beim Gay Weekend vor ein paar Wochen gegen den Westerwald muß sich der Ruhrpottprolet nun auch Thüringen geschlagen geben, denn Falk hat über den Abend doch schon ein paar Pils mehr gekippt. Traurig. Kann man trotzdem jederzeit wiederholen. Der Froschkönig in Gelsenkirchen wartet schon …
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