Ein verrückter Zirkus voller Freunde - Studioreport und Interview bei und mit Mourning Rise

Ein verrückter Zirkus voller Freunde - Studioreport und Interview bei und mit Mourning Rise

Mourning Rise
Special
01.04.2008
Leipzig ist voller Metalbands. Zwei von ihnen sind auch jenseits der Leipziger Grenzen bekannt; DARK SUNS und DISILLUSION. In ihrem Umfeld wächst eine weitere progressive Hoffnung mit dem Namen MOURNING RISE heran. Viele werden jetzt vielleicht denken, es handele sich um eine Anlehnung an das OPETH-Album "Morning Rise". Das stimmt nur zum Teil, denn musikalisch gibt es Unterschiede wie Tag und Nacht.

Weil nicht nur hier dringend Aufklärungsbedarf besteht, lud mich die Band Anfang Februar an einem sonnigen und sehr windigen Tag zur Listening-Session ins Leipziger Kick The Flame-Studio auf dem verfallenen Gelände der Pianofabrik ein. Nach einem herzlichen Empfang, Mittagessen und jeder Menge Palaver ging es ab zur Listening-Session zur EP "Five Ways To Illuminate Silence". Ich war zwar aufgrund der Demo-Aufnahmen und des Teasers solide vorbereitet. Aber die Vielfalt und der Reichtum an Klängen auf diesem Mini-Album wirkten sehr überwältigend auf mich. Und das ändert sich bis heute nicht.

Vorab möchte ich noch hinzufügen, dass die EP in Zusammenarbeit mit Niko (DARK SUNS), Max (NUKE EASTERN PLOT) und Andy (DISILLUSION) entstand. Andy war auch gleichzeitig der Produzent und Mischmaster dieses kleinen Juwels. Die EP entstand kleckerweise über einen längeren Zeitraum und wurde Anfang März 2008 komplett abgemischt. Die Veröffentlichung von "Five Ways To Illuminate Silence" soll im Sommer 2008 erfolgen. Wir wollen auch alle hoffen, dass der kleine musikalische Schatz genug Aufmerksamkeit bekommt, die er auch verdient. Es ist nicht auszuschließen, dass MR mal live auftreten werden, jedoch erfordern die Sängerpositionen organisatorischen Aufwand. Niko hat ja mit DARK SUNS und ihrem neuen Überalbum dieses Jahr einiges zu tun und Max (u.a. NUKE EASTERN PLOT) ist auch in unzähligen Projekte involviert. Deshalb liegt ein live Auftritt in nicht allzu naher Zukunft..


Die EP besteht aus fünf Songs mit einer jeweiligen durchschnittlichen Spielzeit von rund fünf Minuten.

Dead Notes: Der Opener beginnt einem immer schneller werdenden Spieluhr-Intro und leitet leise, akustisch und atmosphärisch in eine musikalische Achterbahnfahrt der Gefühle ein. Max steuert hier den Gesang bei, der irgendwie kontrapunktisch zu den jazzig wirkenden Rhythmen wirkt. Der Gesang setzt sich im wahnsinnig wirkenden Dialog fort. Aufschrei, Ruhe und die nächste Wallung folgt. Das Gesangsmotiv vom Songanfang wird erneut aufgegriffen und verändert. Dann kommen der Einsatz von Jan Klepel (GRABAK) und Flüstern von Niko (DARK SUNS). Dabei verändert sich die Rhythmusarbeit in ständiger Weise, ebenso die musikalischen Motive und Instrumentierung. Akustik neben Pianoläufen, sanfte Gesangspassagen von Niko neben den Schrei von Jan, Keyboardflächen neben Gitarrenwänden. Schwer begreifbar beim ersten Mal, aber überwältigend.

Leaves: Sanft beginnt das zweite Stück mit dem flüsternd zerbrechlichen Gesang von Niko (DARK SUNS), der sich mit dem von Max abwechselt. Der Songs baut sich zu einem epischen Doomstück auf, der von der motivischen Gehetztheit von "Dead Notes" aufgelockert wird, sich dann schnell mit einem absteigenden Pianolauf sanft zur Ruhe legt. Dieses Stück wirkt in sich geschlossen und kompakt und sticht deshalb von seinem Vorgänger und Nachfolger heraus.

Hieroglyphic Idiocy: Dann ertönen Congas, ein orientalischer Akustikgitarrenlauf, der urplötzlich von einer wunderschön eingängigen Gesangsharmonie aufgebaut wird, die jäh von Andys (DISILLUSION) Brüllen unterbrochen und dann von Nikos / Max' Einsatz abgelöst wird. Nach zahlreichen Breaks, flirrt die eingängige Gesangspartie vom Anfang wieder auf. Dann folgt wieder das orientalische Thema, das den Song mit Muezzin ähnlichen Gesang ausleitet. Wie "Leaves" besitzt der Song schöne Erinnerungsmomente, ist aber insgesamt wieder reicher intoniert wegen der Breaks.

Katharsis: Akustikgitarre, träumerisch-nachdenkliches Thema. Pause und dann neuer Anlauf. Mit Cello und Piano bereichert wächst hier unter Mitwirken von Niko ein ruhiges, besinnliches Stück heran, das von Eingängigkeit, Atmosphäre und verhaltenen, aber nicht minder progressiven Tönen lebt. Wie der Songtitel schon verrät, wird das erleuchtende Motiv musikalisch par excellence umgesetzt und bildet so den Ruhepol der EP.

Scouting High Ways: Das Stück nimmt die Atmosphäre des Vorgängers auf, wird aber schneller und kräftiger intoniert. Was folgt reiht sich in die breakreichen Stücke "Dead Notes" und "Hieroglyphic Idiocy" ein. Nur weniger reichhaltig, viel dunkler gefärbt und gleichzeitig unter Vermittlung von Hoffnung, welche Nikos Gesang wieder eindringlich untermalt. Der Song vermittelt aber auch mit seinem eingängigen Charakter zu den kompakteren Stücken und kann so als perfekte Symbiose - konzeptionell und musikalisch - beider Richtungen bezeichnet werden.

INTERVIEW:

Meine erste Frage an die Band war ob sie noch mehr in petto hat, denn auf Grund ihrer Kreativität lässt sich noch Weiteres vermuten. Drummer Nico beantwortete mein naives Nachhaken wie folgt:
"..., dass die Songs bereits auf frühere Demo-Aufnahmen zurückgehen, die schon älter als ein Jahr sind. Wir haben echt schon so lange an den Songs gefeilt. Hinzu kommt, dass der "harte Kern" der Band, also J.Case, ich, Dem K und Rika, aus völlig unterschiedlichen Richtungen kommt. Das wird auch die Erklärung dafür sein, dass die Musik nicht richtig einzuordnen ist. Jeder bringt seine Ideen in die Songs ein bis alle damit zufrieden sind. Da hat jeder sein Plätzchen, wo er sich breit machen kann. MOURNING RISE hat nur so funktioniert und funktioniert auch künftig so. Um endlich mal deine Frage zu beantworten: die nächste Platte wird wahrscheinlich eine Mischung aus russischer Saufpolka, Dark Reggae, Blastbeat-Funk und dreckigem Schweine-Punkrock. Das Schöne ist, dass Leipzig eine ungeheure Vielfalt an interessanten Bands zu bieten hat und, was noch schöner ist, wir ziemlich viele davon kennen. Da ergeben sich wieder interessante Möglichkeiten der Zusammenarbeit." Nico ergänzt noch den Sachverhalt, dass: "... wir bei all der Friemelei versucht waren, den Überblick zu verlieren, weil wir jedes Detail perfektionistisch ausarbeiten." J. Case und Rika werfen noch nach, dass Andy Schmidt (Kick The Flame-Besitzer) einen großen Beitrag dazu leistete, die Songs noch stärker zu forcieren.

Bei den Songs hat man das Gefühl einer Geschichte zu folgen. Das scheint wohl ein Teil auch eines musikalischen Konzepts zu sein. Steckt wirklich ein Konzept dahinter ?

Nico: "Eigentlich nicht, denn der Songaufbau resultiert aus dem langen Zeitraum als wir die Songs geschrieben hatten. Wir sind echt mit dem kompletten Material ins Kick-The-Flame-Studio gegangen, wo nur Kleinigkeiten ergänzt wurden. Der Titel der Platte bedeutet ja eigentlich " 5 Wege um Krach zu machen". Es gibt keinen konzeptionellen inhaltlichen Überbau, denn die Songs selbst erzählen alle eine eigene kleine Geschichte, die von klassischen Themen wie Einsamkeit und Sehnsucht bis zum gepflegten und überaus interessanten Drogenrausch alles abdecken. Wir haben uns von dem strengen Songkorsett, was man sonst gewohnt ist, gelöst. Beim Songschreiben folgen wir stattdessen eher der Dramaturgie eines Filmes mit Vor- und Abspann und dem ganzen Kram."

Wer gehört denn generell zu MR ? Wer hat von der illustren Gästeliste bei welchen Teil mit geholfen?

Nico: "Allen voran besteht die Band aus J. Case (bass), Dem K. (Gitarre), Rika (Keyboards) und meine Wenigkeit als Drummer. Dann kommen Max Groh (NUKE EASTERN PLOT) und Niko Knappe (DARK SUNS), die das Scheibchen größtenteils eingesungen haben. Es ist erstaunlich was die beiden noch aus den Basissongs mit ihrer Herangehensweise heraus geholt haben. Wir als Gesangsnullen hätten die Vocals im 4/Vierteltakt angelegt, aber beide Sänger verfügen über soviel Erfahrung es so nicht zu machen und alles zeit-, bzw. taktversetzt einzusingen. So klingt es noch besser als wir es uns am Anfang vorstellten. Dann gab es ja noch Andy Schmidt (DISILLUSION und Besitzer des KTF-Studios), der einen winzigen Part in "Hieroglyphic Idiocy"eingebrüllt hatte. Jan Klepel von GRABAK steuerte einen Schrei bei "Dead Notes" bei und Torsten Wenzel (DARK SUNS) spielte einen Gitarrenpart bei "Hieroglyphic ...". Bei "Katharsis" spielte David Zaubitzer (NEUN WELTEN) das Cello. Und Leo M. von EMPTY DAYS half bei "Dead Notes" auch mit aus. Lustig war auch der spanische Einsatz von Carlos Mendoza (NUKE EASTERN PLOT) bei "Scouting Highways". Und last but not least Markus Böhme vom Helheim (an dieser Stelle Gruß an das Helheim, die beste Kneipe in und um Leipzig !!!), der bei dem Song noch die Maultrommel einplöngerte."

Meine Frage welche musikalischen Ziele MOURNING RISE mit dieser EP erreicht haben, bzw. erreichen wollen und wie die Band solche komplexen Muster erarbeitet, beantwortet Bassist J. Case ganz simpel: "Wir wollen nicht groß rauskommen damit. Kommerzielle Hintergedanken hegen wir nicht damit. Wir haben es geschafft, die Musik die wir mögen auf CD zu bannen und freuen uns über jeden der sich dafür interessiert ohne dass wir irgendeinem Label hinterher laufen. Jeder hat sich während des gesamten Kompositions- und Aufnahmeprozesses zu gleichen Teilen eingebracht. Das hat so gut funktioniert, dass wir ein eingespieltes Team sind, wo Melodien und Rhythmen ausgearbeitet werden und so Stück für Stück ein Song entsteht. Im Prinzip folgt der Zuhörer unserer Herangehensweise, und kann sich voll mit den Songs identifizieren. Denn trotz der Komplexität bleiben die Songs nachvollziehbar. Kommerziell wünschenswert wären aber schon japanische Besuchergruppen, die mit MOURNING RISE-T-Shirts herum rennen, ein Getränkesponsor für die Band, den MR-Burger bei MäcDoof mit blauen Brötchen und natürlich das MR-Handygame für Linkshänder."

Das wollen wir euch auch wünschen. Vielen Dank für das Interview, die Listening-Session und den Spass drumherum. Die CD-Besprechung seht ihr hier: http://www.bloodchamber.de/cd2/m/4719/.
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