Stereotyp

Stereotyp

Special
22.03.2008
Kennst du sie auch? Ja? Wie? Nein, doch nicht? Gut, lass sich mich dir näher bringen..

Diese durchaus nicht seltene Spezies zeichnet sich durch eigenartige Angewohnheiten und Rituale aus. Ihr Hauptnahrungsmittel ist Fleisch, jedoch nicht irgendein Fleisch.. Nein, da wären Steak, Schnitzel, Kotelett, Rippchen, Bulletten (Frikadellen) und die allseits beliebte Curry Wurst (sprich: Cörry Wuarst) - gerne auch mit einer zu 3% aus Kartoffeln (wäre ja auch fatal wenn nicht) und zu 97% aus Fett bestehender Pommes Schranke. Für nicht Eingeweihte ist dies Majo-Ketchup. Dieses Futter wird gerne im heimischen Garten auf dem Holzkohle Grill bzw. in Uschis Küche zubereitet, oder in der viel umschwärmten Stammkneipe, dem Floppy-Imbiss eingenommen. Dazu später mehr.
Wo bleibt die Beilage? Das Gemüse, werden sich einige fragen. Wieso? Man isst doch Chips! Um diesen kulinarischen Ergüssen das Sahnehäubchen aufzusetzen greift man gerne zur Gerstensaftkaltschale, groß im Rennen: Grafenwalder Premiumpils, von Raven, sowie Öttinger. Solltest du jetzt in die Versuchung kommen dich ebenfalls diesem Genuss hinzugeben, erhältst du die erwähnten Produkte bei Feinkost Albrecht und Lidl.
Sonntags darf es auch gerne mal ein “guter Tropfen” aus dem Tetrapack sein, ebenfalls bei besagten Institutionen preisgünstig zu erwerben. Aus der Reihe tanzt nur der Floppy-Imbiss, der das gute Holsten Ekel.. äh, Edel feilbietet.
Doch wie sehen diese Wesen aus?
Lasst uns den Anfang mit dem männlichen Part machen. Harry ist Brummifahrer, 46; 123,1 Kilo schwer; 1,81 Meter groß und stark behaart. Das Stichwort ist Vo-ku-hi-la & O-li-ba. Die Leser, die diesen modischen Wahnsinn der 80er Jahre bereits aus ihren Gedächtnissen verbannt haben (zu recht!): Vo-ku-hi-la steht für Vorne kurz hinten lang und O-li-ba ist der schnieke Oberlippenbart, auch Pornobalken genannt. Wem eben Beschriebenes als Jugendsünde nur allzu bekannt vorkommt, möge sich doch bitte einmal kurz schämen.
Zurück zu Harry. Zu seinen großen Passionen zählt der Verzehr von oben genannten Köstlichkeiten, das Hören von “Musik” á la Torfrock und Wolle Petri sowie Fußball. Nach einem anstrengenden Arbeitstag - einmal Nordseekrabben zum Pulen nach Polen und zurück - gibt es für Harry nichts Schöneres sich in den heimischen vier Wänden nieder zu lassen. Präferiert wird hierbei der große, braune Ledersessel mit Häkeldeckchen und präziser Ausrichtung auf den Fernseher. Mit einem ”Uschi!! Uschi!! Scheiße!! Mach mal Schnittchen und Bier!” wird die Frau Gattin aus der Küche gelockt, um mit einem liebevollen: ”Scheiße, halt dein Maul wenn ich Fußball gucke!”, in selbiger zu verschwinden und das vom geliebten Ehemann gewünschte Abendessen zu servieren.

Ihr fragt euch jetzt sicher: Was ist diese Uschi für ein Mensch? Ihr Augenmerk hat sie auf das Tragen von pinken Leggins, leopardengemusterten Oberteilen, billigem Modeschmuck, schwarzen Pumps, sowie einer modischen Dauerwelle in Platinblond gerichtet. Sie ist 43, Hausfrau und lauscht gerne den sanften Klängen der Kastelruter Spatzen oder auch den “musikalischen Darbietungen” von Dieter Thomas Kuhn, den sie “einmalig” findet.
Tagsüber beschäftigt sie sich mit putzen, waschen, kochen, bügeln. Wie es sich das für eine normale Frau gehört. Nach dem Zubereiten und Abliefern des Dinners lässt sie sich auf dem Sofa nieder, um dann mit geheucheltem Interesse der großen Leidenschaft ihres Mannes (Fußball gucken) beizuwohnen.
Der Abend könnte so harmonisch verlaufen, doch was ist das? Das Mobiliar im Gelsenkirchener Barockstil fängt gefährlich an zu zittern, die rosa Blümchentapete schält sich von den Wänden, die selbstgehäkelten Platzdeckchen auf dem Sofa segnen das Zeitliche und die mit Geranien bestückten Blumentöpfe nähern sich bedrohlich dem Ende der Fensterbank, als ein markerschütterndes “MAAAAAAMMAAAA” durch das Eigenheim im Baustil der 70er Jahre dröhnt.
”Maamaaa!! Der Kevin (sprich: Käävieen) hat mich gehaun getut!”
Schon poltert es die Treppe runter und im stark in Mitleidenschaft gezogenen Wohnzimmer stehen Jaqueline (Schakkeline) und Kevin.
Ja, Uschi und Harry sind glückliche Eltern von zwei großartigen Kindern. Beide 8 Jahre alt, Zwillinge. Sie, komplett ausstaffiert in einem mit Erdbeerflecken verunreinigten, aber dennoch aufs Detail abgestimmten Barbiedress; aufgrund des hohen Vitamingenusses durch gesunde Süßigkeiten nur echt mit 15 Zähnen. Er, im Pokémon T-shirt, mit hippen Digimon-Shorts und Dragonball-Sneakern.
“Schakkeline hat mich zuerst gehaun gehabt!”, zetert es aus dem Wohnzimmereingang. Uschi setzt mit einem “Schakkeline du sollst den Kevin nicht..” (erwähnte ich, dass sie lispelt?)an...
Doch es soll ihr nicht vergönnt sein, diesen wohlüberlegten pädagogisch sinn(freien)vollen Satz zu Ende zu bringen, denn mit einem “AAAH!”, welches das Haus wieder in Vibration versetzt, steht Harry aus seinem Sessel auf, so dass das Poldi-Trikot in XXL auf Höhe der Bauchgegend gefährlich strapaziert wird.
“Scheiße! Wieso sind die Blagen nicht im Bett!”?
Die Ansprache zeigt Wirkung, denn im selbigen Moment verdünnisieren sich die von Harry betitelten Blagen in ihr Zimmer und geben sich nicht mehr zu erkennen.
Harry reichts! Er hat die Nase gestrichen voll! “Bin bei Floppy”! So überlässt er Uschi das heimische Fernsehgerät, welche sich nun ihrem einzigen Hobby, dem Teleshopping, hingeben kann.
Auf dem Weg zu besagter Lokalität trifft man Karl-Heinz, kurz Kalle, an. Nach einem Handschlage wird der Weg zum angestrebten Floppy-Imbiss fortgesetzt. Getreu dem Motto: “Zu Hause ist es schön - Am Stammtisch noch viel schöner”. Wie sich herausstellen sollte, ereilte Kalle das selbige Schicksal wie Harry.
Man ist angekommen. Der würzige Duft von ranzigem Bratfett und Zigarettenqualm liegt in der Luft. Mit einem Handzeichen wird die Anwesenheit signalisiert und zwei Blonde (Bier) bestellt, um sich dann unmittelbar zu den Kollegen an den Stammtisch zu setzen. Auf die Frage von Herbert, was Harry denn widerfahren sei, raunzt dieser: “Uschi und die Blagen... Konnte kein Fußball gucken”. Zustimmendes Nicken und gesengte Blicke folgen, denn jedem am Tisch ist diese Situation mehr als vertraut.
Die Stimmung ist am Nullpunkt, doch als Floppy-Inhaber Jürgen mit einem Tablett Klaren (Korn) aufwartet, weiß dies zu begeistern und findet Beifall. Das trägt zur deutlichen Stimmungsverbesserung bei und als Jürgen Wolle Petri auflegt und die Fußballergebnisse im Fernsehen übertragen werden gibt es kein Halten mehr! Ein durch und durch gelungener Abend - findet Harry.
Auch Uschi ist glücklich. Sie hat bereits ein ultra modernes Dampfbügeleisen, Miederware, Ohrringe von Cartier (lassen wir sie in dem Glauben) für 19,95 und ein Topfset erworben. Mit diesem im Kaufrausch erworbenen Glücksgefühl begibt sich Uschi ins Schlafzimmer, wo etliche Stunden später auch ein nicht mehr ganz nüchterner Harry auftaucht.

Nächster Morgen: Uschi hat bereits von Dusche und Zahnbürste Gebrauch gemacht (Harry schlummert apokalyptisch schnarchend) als Schakkeline und Kevin in die Küche turnen. Nutellabrot und Cola, jeder Ernährungsexperte würde einen Freudensprung tun. Uschi macht Diät und trinkt nur einen Kaffee. Ich möchte es euch nicht vorenthalten: Besonders nachts schrumpfen die hauseigenen Nahrungsbestände drastisch.
Um diesem Problem Abhilfe zu schaffen: “Schakkeline!! Kevin!! Kommt bei Muddi, wir woll’n noch nach Aldi und Woolworth (sprich: Wolwoart)!” Die Kinder sind begeistert, denn sie ahnen, der Glukosekonsum steigt ins Unermessliche! Alle Mann rein in den Opel und ab geht die Post!
Dass sich die Kinder hinten auf der Rückbank fast gegenseitig die Beine ausreißen, bemerkt Uschi nicht. Sie summt fröhlich die Schlager im Radio mit.
Bei Aldi randaliert man mit dem Einkaufswagen durch den Verkaufsraum und unter laut gebrüllten Kommandos wie: ”Kevin, lass das nach!” oder “Schakkeline, komm hier bei mir!” lässt man die Gemüseabteilung links liegen, um sich der Fleisch- und Tiefkühlkostabteilung zu widmen. Tischdecken mit stilisiertem Blümchenmuster in braun-gelb, das Non-plus-ultra für eine erprobte Hausfrau wie Uschi. Die Kinder machen derweil die Süßigkeitenabteilung unsicher und befördern alles, was ihren Blick kreuzt in den Einkaufwagen. Noch schnell 3 Fässer Grafenwalder und 10 Packungen Zigaretten für Harry, auf zu Woolworth!
“MAAAAMMAAAA!!!”
Die Wände des schnell hochgezogenen, um möglichst schnell möglichst viel Profit zu machenden Woolworth wackeln, als Schakkeline, ihre Wurstfinger um den Hals einer Barbie geschlungen, zielstrebig auf ihre Erzeugerin zustapft. Für die Flucht ist es zu spät. Uschi muss sich der Bestie stellen. So wandern die Barbie, das ferngesteuerte Auto, der siebte Fußball, das Feenkleidchen und die Pokemon-Leuchtschuhe in den Wagen. Das ohnehin schon eingeschränkte Budget wird auf Null reduziert. Voll bepackt mit Sachen, die keiner braucht, macht man sich auf den Heimweg.
Harry, der mittlerweile von den Toten auferstanden ist, begrüßt seine Geliebte: “Hassu ne Bildung (Bild-Zeitung) gekauft?” Unter dem Vorwand er wolle nun in Ruhe den Sportteil studieren, trollt Harry sich in die Stube. Natürlich nicht, um die leicht bekleidete Dame auf der Titelseite in Augenschein zu nehmen. Uschi versorgt währenddessen nichts ahnend die Kinder mit dem Mittagessen. Pommes - what else? Das schreit.. ähh, verlangt nach einem Gebet. Amen.

Die beschriebenen Personen entspringen alleine aus meiner kranken Fantasie und haben keine realen Vorbilder. Außer den Floppy-Imbiss, den gibt's wirklich.
-