Disillusion Agrypnie Dioramic

Disillusion, Agrypnie, Dioramic

AgrypnieDioramicDisillusion
Leipzig, Moritzbastei
04.03.2011
Es ist fast schon eine sichere Sache: Wenn DISILLUSION in ihrer Heimatstadt eines ihrer seltenen Konzerte ausrufen, strömen ihre Jünger ganz automatisch zur ausgewählten heiligen Stätte, um „ihre“ Band erleben zu dürfen. Nicht selten steht dabei bereits seit dem Erscheinen des zweiten Albums „Gloria“ vor nunmehr fast fünf Jahren die Frage im Raum, ob es denn nun vielleicht dieses Mal neues Material zu hören gibt. Die Antwort darauf lässt noch ein paar Stunden auf sich warten, denn selbstverständlich haben die Leipziger noch ein paar hochwertige Bands zur Unterstützung eingeladen. Stilistisch ebenso breit gefächert scheint die Kombination mit den progressiven Rockern von DIORAMIC und den schwarzmetallischen AGRYPNIE zunächst recht mutig zu sein, es soll sich aber zeigen, dass alle drei Bands hervorragend zu harmonieren wissen.

Es ist quasi ein Abend für die gesamte Familie. DIORAMIC aus Kaiserslautern kommen als farbenfrohe Kerlchen zur Unterhaltung für die ganz Kleinen angereist. Sehr modern, mit einer leichten Metalcore und gehörigen Progressive Rock Note sowie einem Schuss Alternative daherkommend, benötigt die noch recht junge Band zunächst ein wenig Anlaufzeit, da das Publikum doch etwas verunsichert drein schaut. Das mag zum einen an der recht hohen und gewöhnungsbedürftigen Gesangsstimme und deren scheinbar willkürliche Kombination mit diversen aggressiven Schreien liegen, zum anderen aber an den kompromisslos experimentellen Songaufbauten des Dreiers (wenn man den einen versteckten Keyboarder in der Ecke mal nicht mitrechnet). Klare Strukturen scheint es nicht zu geben, Genregrenzen sind ebenfalls passé, man muss als Zuhörer im Kopf einfach umdenken und sich gnadenlos auf die Musik einlassen, statt ständig etwas Nachvollziehbares zu suchen. Klar, dass da die große Action im Publikum ausbleibt. Aber kein Problem für die nach eigenen Aussagen „sehr schöne“ Band: Gibt’s den Applaus und das Teeniekreischen eben aus dem Laptop. Trotz eher verhaltener Reaktionen verlässt aber kaum jemand den gut gefüllten Raum, so dass sich letztlich, als Band und Publikum so langsam miteinander warm geworden sind, die Begeisterung durch deutliche, aber unerfüllte „Zugabe“-Rufe doch noch zeigt.

Bei AGRYPNIE hat man als Anschluss an den kurzhaarigen Dreier das Gefühl, es wären nur noch Haare auf der Bühne. Mit vier vibrierenden Langmähnen im Frontbereich geht es auf der Bühne, wie auch im Kopf deutlich enger zu Werke. Gänzlich anders in seiner Wirkung hat der krachige und melodische Black/Death Metal aber mit der Musik seiner Vorstreiter auch die Gemeinsamkeit, sich nicht auf eine beliebige Schiene festzulegen. Mit deutschen Texten, aggressivem Krächzgesang sowie einer äußerst vielschichtigen Gitarrenfraktion befriedigen sie auf angenehm harmonische Weise die Gelüste der etwas härter veranlagten Fraktion. Dank zielsicherer Riffs und einprägsamen Moshparts ist selbst bei gänzlich instrumentalen Beiträgen ordentlich Bewegung in der Menge. Da sieht man auch gerne mal über die paar Soundprobleme und den kurzen Ausfall des Gesangsorgans hinweg.

DISILLUSION schließlich lassen recht lange auf sich warten, so dass zunächst einmal Gruppenkuscheln angesagt ist. Als der Vierer dann letztlich loslegt, zeigt sich schnell, dass heute fast nur echte Fans anwesend sind. Textsicher und die teils doch komplexen Stücke in- und auswendig kennend, herrscht bei den Besuchern von Beginn an eine ausgelassene Stimmung. Sichtlich von den Reaktionen angetan gibt die Band ihr berüchtigtes Repertoire aus den beiden Alben zum Besten, hat aber nicht mit den Tücken der Technik gerechnet. Gerade bei den Perfektionisten ist die Abmischung, allen voran der Gesang, nicht gerade von Diffizilität geprägt. Hinzu scheint Fronter Andi sich selbst nur schlecht oder gar nicht zu hören, so dass letztlich neben den Songs auch ein ganz schön negativer Wind von der Bühne weht. Den Fans scheint das aber größtenteils egal zu sein, da der Sound in der Moritzbastei ja eh noch nie zu den besten gehört hat. Spätestens wenn beim Beginn von „Back To Times Of Splendor“ ein Jubeln durch den Raum und gleichzeitig ein imaginärer Finger den nackten Rücken herunter rauschen, wird klar, dass es diese einzigartige Band immer wieder schafft, besondere Momente zu kreieren. Wir sagen: „Danke, nehmt’s nicht so schwer und bringt beim nächsten Mal gefälligst ein paar neue Stücke mit!“
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