Französische Aggression aus dem Dunkeln


Interview mit Celeste
Post Black Metal aus Frankreich - Lyon
Drückende Riffs, stampfende Rhythmen und eine markdurchdringende Stimme - dafür stehen die Jungs von CELESTE. Mit ihrem originären Stil, der Post-Hardcore- und Sludge-Elemente mit Black Metal verbindet, haben die Franzosen inzwischen eine breite Fangemeinschaft um sich gesammelt, die weit über die Hardcore-Szene hinausgeht. Bassist Antoine und Sänger Johan erwiesen mir die Ehre und erlaubten mir, sie unter anderem zu ihrem aktuellen Album "Morte(s) Nee(s)" und ihrer archaischen Live-Show etwas auszufragen:

Hey da! Vielen Dank dafür, dass ihr euch Zeit für dieses Stelldichein genommen habt. Wie geht es euch zur Zeit?

Antoine: Ziemlich gut, danke der Nachfrage! Wir spielen wieder Gigs und komponieren auch wieder fleißig, also ist alles super.

Euer aktuelles Album "Morte(s) Nee(s)" hat bislang viel gutes Feedback erhalten. Ihr müsst demnach ziemlich stolz auf das Werk sein, oder etwa nicht?

A: Ja, natürlich, es ist immer gut zu wissen, dass Hörer unsere Arbeit schätzen. Wir investieren sehr viel Energie dafür, solide und ernstzunehmende Alben zu bieten, und somit ist es echt angenehm, dafür belohnt zu werden.

Wie lief die Arbeit zu diesem Album?

A: Wie bei den vorherigen Alben, hat Guillaume (Gitarrist) die Gitarrenriffs geschrieben und mit zu den Proben gebracht. Wir diskutierten darüber und nach ein paar Änderungen hatten wir die passenden Rhythmen... So einfach war‘ s!

Steckt hinter diesem Album ein bestimmtes lyrisches Konzept oder eine Geschichte?

Johan: Ja, definitiv. Es geht um den Verlust der weiblichen Unschuld (Nicht, was ihr Ferkel wieder denkt - Anm. d. Red.). Es gibt natürlich auch unterschwellige Themen auf dem Album, wie zum Beispiel Gewalt gegenüber Frauen, Kindheit, Inzest, Pädophilie, …

Wer hat das Artwork gestaltet? Besteht eine Verbindung zum lyrischen Thema von "Morte(s) Nee(s)"?

J: Ich kümmere mich um das Management für das Artwork. Ich suchte nach einem geeigneten Fotografen, mit dem ich eine Weile zusammen arbeiten konnte. Schlussendlich fand ich Martyna, eine junge, polnische Fotografin. Sie hatte eine Fotosession parat, die ich als sehr passend befand, und so entschied ich mich dafür, mit dem Material zu arbeiten. Unsere Zusammenarbeit war echt einzigartig.

Habt ihr für euer Songwriting eine feste Formel? Oder ist jeder Song eine neue Herausforderung?

J: Wir haben da schon eine Art Formel. Guillaume bringt neue Riffs, fast einen kompletten Song. Dann arbeiten wir daran, Riff für Riff, und versuchen sie so zu verbinden, dass wir daraus neue, dynamische Ideen bekommen, usw. So entsteht im Endeffekt etwas, das sich stark von Guillaumes Rohmaterial abhebt.

Eines eurer Markenzeichen ist euer einzigartiger Stil, bei dem ihr atmosphärischen Black Metal mit Post-Hardcore-Elementen vermischt. Wie sehen da eure Einflüsse aus?

A: Unsere Einflüsse liegen da weit auseinander. Ich höre diverse Black Metal Bands, wie WOLVES IN THE THRONE ROOM, BLUT AUS NORD oder DEATHSPELL OMEGA, wobei ich genauso auf Dark Pop wie JENIFEREVER, INTERPOL, THE NATIONAL oder Elektro wie TOXIC AVENGER, BLOODY BEETROOTS, DELOREAN oder GOOSE stehe. Es gehört aber auch klassischer Rock dazu, wie zum Beispiel GLUECIFER oder THE HELLACOPTERS. Unser Schlagzeuger hingegen steht zum Beispiel richtig auf Deathcore und so'n Zeug. Und unser Gitarrist... naja, der hört momentan gar keine Musik... Um aber ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass die Musik, die wir hören, unsere eigene Musik beeinflusst, sonst würde sie wohl komplett anders klingen…

In welcher Szene finden sich die meisten Fans von euch? Mehr in der Metal-, mehr in der Hardcore-Szene oder ganz wo anders?

A: Zunächst war es sicherlich mehr in der Hardcore-Szene. Aber seit ein, zwei Jahren ist unser Publikum mit unserer Musik gewachsen, weswegen die Hörer nun aus gänzlich verschiedenen Ecken kommen: Hardcore, Metal, Screamo, Black, usw...

Ähnlich wie in Deutschland ist die Szene in Frankreich sehr vielschichtig. Wo seht ihr Parallelen, wo Unterschiede?

J: Für mich ist das schnell gesagt. Die französische Szene stinkt ab, die deutsche ist spitze. Das ist alles!

Ein weiteres Markenzeichen von euch ist eure einzigartige Bühnenshow mit komplett dunkler, vernebelter Stage und diesen roten Leuchten auf euren Köpfen. Dient das alles nur der Atmosphäre oder steckt da mehr dahinter?

A: Wir waren schon immer der Meinung, dass ein Licht-Konzept unserer Show das gewisse Etwas geben könnte, also versuchten wir es zunächst mit kleinen, roten Lichtpunkten. Offensichtlich reichten die aber nicht aus, außerdem hatten viele Bands das zuvor auch schon gemacht, weswegen wir über etwas Neues nachdachten. Unserem Sänger kam dann die Idee mit den Leuchten auf dem Kopf... Es ist zwar nicht immer praktisch beim Spielen, aber dennoch originell. Schließlich fügten wir noch Stroboskop-Licht und eine Nebelmaschine zu dem Konzept. Manchen Leuten gefällt es nicht, wenn wir komplett im Dunkeln spielen, aber alle drei Lichtelemente sind Teil unserer Show und machen diese viel intensiver und brutaler.

Wo fühlt ihr euch am wohlsten: Im Proberaum, im Studio oder live on stage?

A: Wenn die Gegebenheiten bei einem Gig passen, ist es bei mir definitiv die Bühne. Momentan hat aber jeder Ort seine gewissen Vorzüge: Im Proberaum nimmt unser Material Gestalt an, also ist es da echt aufregend. Im Studio können wir unseren eigenen Sound erschaffen, wo wir unsere musikalische Identität finden. Auf der Bühne können wir unsere Gefühle mit der Musik am besten ausdrücken und bekommen Feedback vom Publikum. Demnach sind alle Orte interessant!

Hattet ihr bisher Schlüsselmomente auf der Bühne? Welcher war zum Beispiel euer bester, welcher euer schlechtester Gig, an den ihr euch zurück erinnern könnt?

A: Es gibt da drei oder vier Auftritte, die ich bestimmt nicht vergessen werde: ein wahnsinnig geiler Gig in Paris, wo die Menge völlig ausgeflippt ist, ein genialer Auftritt in Mechelen (Belgien), wo wir um zwei Uhr nachts völlig dicht aufgetreten sind, eine perfekte Show auf dem Denovali Fest letztes Jahr und ein paar weitere während unserer unglaublich tollen Tour durch Osteuropa, besonders in Russland und Litauen. Es gab aber auch ein paar wirklich beschissene Auftritte. Ich erinnere mich da an zwei, einer in Rouen (Frankreich), wo wir uns fast mit ein paar Heavy Metal-Prolls geprügelt hätten (Ok, wir waren da echt angepisst und spielten wirklich kacke, aber was solls...). Dann hatten wir vor kurzem einen Gig in der Schweiz, wo es Probleme mit besoffenen Punks gab... beschissene Erfahrungen…. Meistens läuft aber alles glatt und wir haben richtig Spaß.

Was ist für euch als Musiker wichtiger: Das Erschaffen einer perfekten, musikalischen Atmosphäre oder das Finden von idealen Melodien und Rhythmen?

A: Nun, meiner Ansicht nach ist beides wichtig. Ich denke nicht, dass man eine perfekte Atmosphäre von idealen Melodien trennen kann. Hinsichtlich der Rhythmen kann man schon sagen, dass diese nicht unsere größte Stärke sind. Melodie und Atmosphäre sind aber an erster Stelle bei CELESTE und wir arbeiten hart daran, etwas interessantes und originelles zu erschaffen.

CELESTE hat inzwischen einen Namen im Untergrund. Ich gehe aber mal davon aus, dass ihr euer Überleben nicht mit der Band sichern könnt. Was macht ihr also beruflich?

A: Tatsächlich verdienen wir mir CELESTE nicht genug Geld, um zu überleben. Das ist aber auch kein Problem, da wir eh nicht professionell oder ähnliches werden wollen. Ich habe kürzlich meinen Master auf der Uni gemacht, werde aber wohl weiter studieren. Unser Gitarrist arbeitet für eine Werbe-Agentur, unser Drummer in einem Buchladen und unser Sänger ist im Moment dabei, sich selbstständig zu machen. Die Musik bleibt einfach nur Passion, das ist alles...

Welche Rollen spielen CELESTE und Musik im Allgemeinen in eurem Leben?

A: Die Band hat einen besonderen Platz in unserem Leben. Wir werden fast jeden Tag mit ihr konfrontiert: Proben, Gigs, Emails, Interviews etc... Aber mir erlaubt die Band, morgens aufzuwachen und jedes Mal auf's Neue von etwas Bestimmtem motiviert zu werden. Ich gebe aber auch zu, dass es letztes Jahr etwas viel war, denn wir waren fast jede Woche auf Tour.
Das machte es mit der Zeit echt anstrengend, die Band, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Ich glaube, das ist aber der Preis, den man zahlen muss... Und wir sind bereit, ihn zu zahlen.

So, das wars auch schon Leute! Vielen Dank für eure Antworten. Mögen die letzten Zeilen die eurigen sein!

A: Danke für das nette Interview und dafür, dass ihr unsere Musik promotet, das erkennen wir an!
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