Neues Album, schlechte Filme und das Geheimnis der Backstreet Boys


Interview mit Raunchy
Modern Metal aus Dänemark - Kopenhagen
Im Rahmen ihrer kurzfristig angesetzten Tour als Support von SOULFLY habe ich die Chance genutzt, die quasi direkt um die Ecke spielenden RAUNCHY, Dänemarks aktuelle Antwort auf die Modern Metal Welle, mal mit ein paar Fragen zu löchern. Ein gut gelaunter und sympathischer Gitarrist Lars musste sich schließlich mit meinem schlechten Englisch rumquälen und mir Rede und Antwort stehen.

Hallo Lars! Gestern war ja der offizielle Releasetag eurer aktuellen CD „Death Pop Romance“. Seid ihr schon gespannt, wie es ankommen wird und was erwartet ihr von diesem Album?


Natürlich sind wir gespannt auf die Reaktionen. Schon, weil wir ja auch das Label gewechselt haben. Aber das, was wir bisher so mitbekommen haben, war echt überwältigend. Metal Hammer und Rockhard und all die anderen Medien haben es wirklich sehr gut aufgenommen und auch bei den Leuten vor der Bühne kam es sehr gut an.

Wurde das Album in Dänemark schon vorher veröffentlicht?

Nein, das kommt auch erst diesen Montag raus. In Deutschland kommt ja neuerdings alles immer drei Tage vorher auf den Markt, sagte man mir.

Ja, das ist so ne tolle neue Masche. Irgendein Marketing-Heini dachte sich wohl, dass man damit mehr Platten verkaufen kann. Also habt ihr noch nicht so viele direkte Reaktionen der Fans bekommen, nach den Shows zum Beispiel?

Doch schon. Das ist ja nun der fünfte Tag dieser Tour und ich gehe mal davon aus, dass es den Leuten schon irgendwie gefallen haben muss, wenn sie im Nachhinein die CD kaufen. Natürlich haben auch sehr viele Kids das Album vorher aus dem Netz heruntergeladen, so dass sie die Songs und die Texte schon kannten, obwohl die Scheibe ja erst gestern herauskam. Aber auch die E-Mails, die wir bekommen haben, waren sehr positiv.

Die meisten Leute dürften ja fast ausschließlich wegen Soulfly hergekommen sein, die ja nun einen etwas anderen Stil fahren als ihr. Wie haben die denn reagiert?

Nun, als wir die Möglichkeit bekamen, auf diese Tour zu gehen, haben wir natürlich nicht Nein gesagt. Letzte Woche Mittwoch, also gerade mal vier Tage vor dem Tourstart haben wir erst die Bestätigung erhalten. Sehr viel Promotion konnten wir da natürlich nicht mehr machen. Auf dem Poster hätten wir zum Beispiel auch gern gestanden, aber so blieb eigentlich nur noch das Internet. Deshalb kamen auch die meisten Leute zum Konzert ohne überhaupt zu wissen, dass wir spielen würden. Klar spielen wir eine andere Art Metal als Soulfly, aber die meisten Leute sind nun mal Kids und somit quasi genau unsere Zielgruppe. Und auch wenn wir zum Beispiel melodischer sind, haben wir vielleicht auch ein paar neue Fans gewonnen.

Dann lass uns mal zum neuen Album zurückkommen. Verglichen mit „Confusion Bay“ hat sich ja doch schon einiges getan. Die Melodien sind eingängiger und die Songstrukturen an sich einfacher nachzuvollziehen. Ich persönlich bin ja nicht unbedingt der Typ, der sehr viel von dem ganzen Modern Metal Zeug hört, aber ich mag euer Album wirklich sehr. Ich bin also quasi eine Art neuer Fan. Einige andere Leute unseres Magazins mögen die Scheibe aber eher nicht so, weil sie zu chart-orientiert rüberkommt. Geschah das mit Absicht?

Eigentlich denken wir nie groß darüber nach, wohin wir wollen. Wir schreiben einfach unsere Musik. Irgendwelche Veränderungen wird es dabei aber immer geben, da man ja immer irgendwie auch beeinflusst wird. „Confusion Bay“ hat wirklich sehr viele Fans und gute Kritiken bekommen. Einige sagten sogar, es wäre ein „Meisterstück“. Da ist es natürlich schwer, etwas nachzulegen. Aber nun haben wir zum Beispiel einen neuen Sänger, der wiederum auch einige neue Aspekte mit einbringt. Es kann durchaus sein, dass einige Fans von „Confusion Bay“ etwas enttäuscht sein können. Aber andererseits habe ich auch gehört, dass einige Leute am Anfang ein wenig genörgelt haben: „Nein, das ist irgendwie nicht mehr ‚Confusion Bay’“ und so weiter. Aber nachdem sie das Album dann vielleicht 20 Mal oder so gehört haben, kamen sie zurück und entschuldigten sich dafür. Vielleicht braucht es für einige womöglich etwas länger.

Es ist aber jetzt nicht so, dass ihr die Erfolge von In Flames oder Bullet For My Valentine gesehen habt, und danach dachtet: Auf in die Charts?

Nein, das auf keinen Fall. Natürlich sind In Flames und Soilwork großartige Bands und vielleicht haben wir auch ein paar Sachen von denen übernommen. Aber wenn, dann entstand das alles eher unbeabsichtigt. Wir haben von Anfang an melodischen Metal gespielt und bleiben auch dabei.

Zuvor wart ihr ja bei Nuclear Blast und seid nun bei Lifeforce gelandet. Was ist der Unterschied zwischen den beiden?

Nun, ich würde sagen der Hauptunterschied ist, dass wir nun irgendwie Aufmerksamkeit bekommen. Bei Nuclear Blast waren wir eine unter vielen Bands und sie kümmerten sich eigentlich nur um die Verkaufszahlen.

Haben sie euch rausgeworfen oder wolltet ihr weg?

Sie haben uns einfach eine E-Mail geschrieben, in der stand, dass sie nicht länger mit uns arbeiten wollten. Sie waren mit den Verkäufen nicht zufrieden und das war es dann. Bei Lifeforce erhofften wir uns einfach, etwas mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Außerdem hat ja Lifeforce viele Hardcore und Metalcore Bands im Programm, so dass wir da viel besser reinpassen. Bei Nuclear Blast war man unter Bands wie Edguy, Primal Fear und so weiter. Und na ja, ich weiß nicht, irgendwie sagt jeder, den ich kenne, dass das alles furchtbar lächerliche Musik ist. Wenn wir manchmal erzählt haben, wir wären bei Blast, dann sagten sie: Das kann doch gar nicht sein, die haben doch nur diesen 80er Jahre Metal Kram. Letzten Endes sind wir also sehr froh, dass wir letztendlich bei Lifeforce gelandet sind.

Vorhin hast du kurz den Sängerwechsel angesprochen. Was waren denn die Gründe dafür?

Bereits noch bevor wir das erste Album aufgenommen hatten, sagte unser vorheriger Sänger Lars schon, dass er gar nicht mehr wirklich viel mit Metal anfangen konnte und somit die Band bald verlassen würde. Nachdem wir dann „Confusion Bay“ aufgenommen hatten, hatte er endgültig die Nase voll und ging. Wir wussten das also quasi von Anfang an. Dennoch geschah das aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da wir ja das Album promoten wollten. So mussten wir also in kurzer Zeit einen neuen Sänger suchen und da kam Kasper ins Spiel.

Wie habt ihr ihn denn gefunden?

Das war schon ein wenig verrückt, da Kaspers alte Band Tribus ein Artwork für ihr Album haben wollte. Also rief er mich an und ich lud mir in paar MP3s von ihrer Website runter. Mir gefiel das ziemlich gut, und den anderen ebenfalls. Danach hab ich ihn gefragt, ob er nicht mal zur Probe vorbeikommen wollte. Alles klappte super und schon hatten wir einen neuen Sänger.

Kommen wir zur dänischen Metalszene. Kann man als Musiker in Dänemark berühmt werden oder besteht das erste Ziel darin, möglichst schnell aus dem Land herauszukommen?

Naja, berühmt ist ein schwieriges Wort. Auch wenn man sehr viel Aufmerksamkeit erweckt, kann man in Dänemark nicht wirklich viele Scheiben verkaufen. Man kann vielleicht 1500 Stück verkaufen, aber viel mehr auch nicht. Also nicht wirklich „berühmt“. Vielmehr kann man sich höchstens den Respekt der Leute verschaffen. Viele Menschen respektieren uns und andere Bands wie Mnemic oder Hatesphere, aber berühmt werden wir wohl nie werden. Dann hätten wir wohl eine andere Art Musik spielen müssen.

Naja, in Deutschland scheint das ja momentan doch in Mode zu sein. In Flames sind vor kurzem auf Platz 6 in die Charts eingestiegen. Vielleicht wird’s ja doch noch was.

Vielleicht schon. Ich mein, vielen Deutschen scheint unsere Musik zu gefallen. Trotzdem ist es letzten Endes so, dass viel mehr Leute unsere Alben kennen als wir überhaupt verkauft haben. Das Problem mit den ganzen Downloads ist schon irgendwie hart, aber solange die Leute noch zu den Konzerten gehen, ist das zumindest ein kleiner Trost. Ich find es ja in Ordnung, dass man uns kennt, aber wir können nicht weiterhin Alben produzieren, wenn wir nicht wenigstens auch ein paar verkaufen.
Aber um noch mal auf die dänische Metal Szene zurückzukommen, ich denke, die ist ziemlich gesund. In den letzten Jahren sind viele Bands auf Tour gegangen und haben die dänische Flagge hochgehalten. Vor zehn Jahren hätte das noch ganz anders ausgesehen. Mittlerweile glauben die Musiker einfach mehr an sich selbst, weil sie wissen, dass sie auch was erreichen können.
Wenn man nirgends live spielt, dann ist das so, als ob man gar nicht existieren würde. Auch wenn man noch so ein gutes Album herausbringt, wenn man sich nicht in der Öffentlichkeit zeigt, dann wird man seine Alben letztendlich wohl nur an seine Freunde verkaufen. Aber sobald sich auch andere Länder für einen interessieren, hat man diesbezüglich auch mehr Möglichkeiten. Und die sind heutzutage einfach mehr vorhanden.

Warum kam der Gesang beim Konzert vorhin eigentlich teilweise vom Band?

Nun, wenn man ins Studio geht und ein Album einspielt, dann legt man da meist sehr viele Spuren übereinander. Wenn wir dann live auftreten, erwartet man von uns natürlich, dass es ziemlich genau wie auf CD klingt. Deshalb muss man die ganzen Samples, den Hintergrundgesang usw. auch mit einbauen. Wenn wir das nicht machen würden, käme auch nur wieder Gemecker, dass das alles nicht richtig klingt. Man muss sich halt für eins entscheiden, wobei manche auch sagen, dass keins von beiden das einzig Wahre ist. Mittlerweile ist es auch nichts ungewöhnliches mehr, mit einem Hard Disk Rekorder zu spielen. Viele bekannte Bands wie auch In Flames machen das so. Sicherlich fragen sich einige Leute dann, wo das jetzt nun alles her kommt, aber im Grunde sollte man sich einfach sagen: Was solls, solange es gut klingt.
Ich mein, es gibt immer irgendwelche Tricks, um etwas gut klingen zu lassen, aber zumindest spielen wir noch selbst, haha. Nein, es war wirklich ne schwierige Entscheidung, da es das erste Mal war, dass wir mit nem Hard Disk Rekorder gearbeitet haben. Als wir damals nach „Confusion Bay“ aufgetreten sind, sind ne ganze Menge Elemente weggefallen und die Leute beschwerten sich, dass einige der wichtigen Sounds einfach fehlten. Es war also eine Art Wunsch der Fans und dann entschieden wir: Warum eigentlich nicht, so lange es alles einfacher macht.

Ok, das wars jetzt erst mal mit dem offiziellen Teil. Zum Schluss kommen noch ein paar Fragen, etwas abseits der Norm. Wusstest du, dass einer eurer Songs auf dem Soundtrack zu „Alone in the dark“ zu finden ist.?

Ja.

Hast du den Film mal gesehn?

Nein, zum Glück nicht, weil ich gehört hab, dass er so verdammt scheiße sein soll. Ich hab den Trailer gesehen und dachte: Naja, klingt ja ganz interessant. Normalerweise mag ich ja auch solche Filme, aber Jesper, der andere Gitarrist, hat den Film gesehen und mich vor diesem Scheiß gewarnt. Der Soundtrack an sich ist allerdings ziemlich gut.

Ja, aber nichts davon kommt im Film vor. Ich hab sogar die blöde DVD gekauft, weil das Cover so hübsch aussah.

Tja, angeschissen, würde ich sagen. Ich glaub, ich kenne niemanden, der den Film nicht schlecht findet.

Na gut, vergessen wir das. Wenn du einen aktuellen Pop-Song covern müsstest, welchen würdest du dann nehmen?

Hmm, vielleicht „Take On Me“ von A-ha.

Ok, aber der ist ja schon aus den Achtzigern. Habt ihr nicht auch schon mal ein Cover von „Last Christmas“ von Wham gemacht?

Ja stimmt. Das dänische Radio hat uns damals danach gefragt und wir haben dann zwei Versionen aufgenommen. Zum einen haben wir eine sehr softe und positive Version gemacht. Und dann noch eine Art brutale Grind-Death Metal Version. Wir haben aber auch schon Songs der Backstreet Boys nur so aus Spaß gespielt.

Das wurde aber nie veröffentlicht, oder?

Nein, aber wir haben durchaus schon mal darüber nachgedacht. Solange uns aber niemand dafür bezahlt, für so etwas ins Studio zu gehen, dann lassen wir es auch, haha.

Vielleicht ja als Bonustrack oder so?

Naja, wir wollten uns lieber auf die richtigen Songs konzentrieren und die Aufnahmezeit nicht mit so etwas vergeuden. Aber wer weiß, eines Tages vielleicht...

Was würdest du tun, wenn du plötzlich taub werden würdest (beispielsweise bei nem Unfall oder so)?

Was ich dann machen würde? Dann würde ich wohl nackt in einer Bar in der Hölle sitzen. Oder meine Freunde von oben beobachten, falls ich in den Himmel kommen sollte.

[Kurze Verwirrung macht sich breit, alsbald verdrängt durch die Erkenntnis, dass im Englischen das Wörtchen deaf (taub) und dead (tot) bei schlechten akustischen Verhältnissen durchaus mal verwechselt werden können. Nach kurzer Erklärung und Gelächter kannst weiter gehen]

Ach so, taub meintest du. Das ist wirklich schwer vorzustellen, da ich Musik einfach so sehr liebe. Sie gibt mit einfach ein Stück Lebensqualität. Ich glaub, wenn mir das abhanden kommen würde, dann wär ich erst mal furchtbar deprimiert. Auch wenn ich als Musiker mein Instrument zumindest noch in meinem Kopf hören könnte, würde das alles keinen Sinn mehr ergeben. Es ist was anderes, wenn man damit geboren wird. Aber ich geh auf die 30 zu und was könnte ich da groß noch lernen? Ach Mensch, ich will einfach nicht länger drüber nachdenken...

Was hältst du von dänischen Muhammed-Karikaturen?

Haha, also das ist wirklich zu ner ziemlich lächerlichen Angelegenheit geworden. Vor allem, weil sich die Zeitung entschuldigen sollte, obwohl man ja angeblich Redefreiheit genießt. Dementsprechend stur verhielt sie sich auch. In Deutschland wäre das wohl ähnlich gewesen.

Da hat sich aber auch niemand getraut, das Bild unzensiert zu zeigen.

Ich hab das Bild selbst auch noch nie gesehen, fällt mir grad ein. Man wollte ja sogar, dass sich die Königin von Dänemark öffentlich entschuldigt, sie hat mit dem doch überhaupt nichts zu tun. Der Premierminister hat dann zumindest im Fernsehen gesagt, dass man damit niemanden verletzen wollte.
Generell haben die Dänen ja eine ziemlich offene Mentalität und man kann so gut wie alles machen, aber irgendwie haben wir da unbewusst eine Grenze überschritten. Nun gut, wir haben uns einmal entschuldigt und das sollte reichen. Wir können uns nicht für immer entschuldigen Es ist einfach dumm, wie die muslimischen Länder darauf reagiert haben. Ich finde es gut, wie Deutschland, Frankreich und andere Länder uns auf Berufung der Redefreiheit unterstützt haben, so dass wir uns nicht allzu allein gefühlt haben.

Ok, dann hätten wir das hinter uns. Vielen Dank für das Interview und noch viel Erfolg mit der Band.
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