Thrash-Metal als Therapie


Interview mit Silent Overdrive
Thrash Metal / Metalcore aus Deutschland - Sinsheim
Sie haben mit namhaften Bands die Bühne geteilt und sind mittlerweile selber kein unbeschriebenes Blatt mehr in Deutschland. Die Süddeutschen SILENT OVERDRIVE haben ihr drittes Album veröffentlicht und sind damit mehr als zufrieden. Im Interview erzählt Sänger Maik, wie ihre Musik zustande kommt, was dahinter steckt und warum es wichtig ist, seinen eigenen Stil zu schaffen.

Lasst uns zunächst über eure Musik sprechen. Genre-Einteilungen sind gerade voll im Trend. Wo würdet ihr euch reinpacken?

Viele stecken uns ja in die Metalcore-Schublade, aber da gehören wir nicht hin! Wir sehen uns als moderne Thrash Metal-Band mit Hardcore-Einfluss. Neo-Thrash ist auch eine schöne Schublade! Ich finde man kann uns eher mit SEPULTURA vergleichen als mit CALIBAN. Einteilungen können helfen, sich im Chaos der Veröffentlichungen zu Recht zu finden, aber im Endeffekt zählt nur die Musik, egal wie man sie nennt. Und wir machen eben wütenden Metal mit Groove und Melodie.

Euer letztes Album “Wake Up Call“ ist sowohl technisch als auch musikalisch ein voller Schlag ins Gesicht. Woher kommt diese Kraft, die in dem Album steckt?

Wir sind vom Teufel besessen! Im Ernst: Wir machen einfach das, was uns Spaß macht und ich finde, das hört man. Wir stehen auf wütende, laute und aggressive Musik. Wir müssen es raus lassen, sonst funktioniert das nicht. Ich zum Beispiel muss mir einfach alles von der Seele schreien. Außerdem haben wir dieses Mal etwas anders produziert: Wir wollten vor allem unsere Live-Power auf CD einfangen und den Dreck unter den Fingernägeln nicht durch eine zu saubere Produktion verlieren! Außer dem Schlagzeug haben wir alles selbst bei uns zuhause oder im Proberaum aufgenommen. Das hat sich echt gelohnt. Die CD ist viel erdiger, viel dreckiger und roher aber hat dennoch einen super Sound! Gerade mein Gesang ist viel lebendiger auf der neuen CD und auch deutlich abwechslungsreicher. Abgesehen davon haben wir das erste Mal mit unserem “neuen“ Gitarrist aufgenommen. Die jetzige Besetzung funktioniert einfach hervorragend. Wir haben sehr viel Spaß und das ist es doch, um was es geht.

Wer schreibt bei euch die Musik? Sind nur die Gitarristen beschäftigt oder dürfen die anderen auch mal was einbringen? Sind bei euch alle gleichberechtigt in der Band?

Daran sind alle beteiligt! Die Gitarristen bringen die Riffs und wir bauen dann im Proberaum alles zusammen. Oder wir jammen und schauen, was dabei rauskommt. Alle haben das gleiche Stimmrecht und bringen sich auch beim Songwriting ein. Wenn wir uns mal nicht einig sind, gibt’s eben ne Schlägerei und wer gewinnt, der entscheidet!
Nein, wir diskutieren das dann aus und probieren die jeweiligen Versionen aus. Sehr demokratisch das alles. Erschreckend!

Wovon handeln eure Texte hauptsächlich? Und vor allem, was bewegt euch, genau diese Texte zu schreiben?

Die Texte pendeln wieder zwischen sozialkritischen Themen und persönlichen Sachen. Dieses Mal ist es wie ein Blick in eine düstere Zukunft. “Ready To Fall“ erzählt, wie ein Typ in einer nicht ganz so fernen Zukunft auf dem Dach einen Hochhauses steht und auf die Welt herunterschaut! Er starrt in das Neonlicht, sieht den Schmutz und die Schatten. “Wake Up Call“ ist ein Aufruf, endlich die Augen zu öffnen: Du bist nicht allein, es gibt noch mehr die so denken, es ist Zeit aufzuwachen! “Never Safe“ ist ein Dialog mit mir selbst: Ich stelle mir die Frage, ob man sich jemals sicher fühlen darf. “Reality Bites“ handelt davon, wie beschissen grausam und unfair das Leben doch sein kann. In ”My Decision“ geht es darum, dass man seinen eigenen Weg finden muss: jeder muss sein eigenes Leben leben. “Need to be“ sagt aus, dass es Zeiten gibt, in denen man tough sein muss. Babylon Nation ist ein alter Song, den wir neu aufgenommen haben. Es geht darum, wie dekadent und korrupt die Welt ist. Wir sind dem Verfall sehr nahe und es ist mal wieder an der Zeit sich zu wehren!
Ich schreibe diese Art von Texten weil ich auf diese Weise alles raus schreien kann, was mich beschäftigt. Es würde für mich keinen Sinn machen, Fantasy-Lyrics zu verfassen. Ich muss die Wut rauslassen. Wie sagt man so schön, das ganze ist eine Art Therapie!

Welche Bands beeinflussen euch oder haben euch beeinflusst?

Man wird durch alles, was man hört und sieht, unterbewusst beeinflusst. Das geht wohl jedem so. Das Wichtige ist, zu versuchen, niemanden zu kopieren, sondern sich inspirieren zu lassen und dann den eigenen Weg zu finden. Bei uns hört man schon die Bands raus, die uns beeinflusst haben, aber wir haben dennoch einen eigenen Stil entwickelt. Richtige musikalische Vorbilder haben wir nicht! Wir hören alle unterschiedliche Musik, haben aber ein paar Bands, auf die wir uns alle einigen können: Alte SEPULTURA, PRO-PAIN, IN FLAMES, HATEBREED oder auch HEAVEN SHALL BURN.

Ihr habt euch bei der Bloodchamber seit eurer ersten Veröffentlichung “Babylon Nation“ punktetechnisch immer weiter nach oben entwickelt. Findet ihr, dass sich auch eure Musik weiterentwickelt hat?

Auf jeden Fall. Wir sind abwechslungsreicher geworden! Auch mein Gesang variiert mehr als vorher. Durch unseren Gitarrist Kojak sind kleine, aber feine Soli hinzugekommen. Dennoch haben wir uns nicht so sehr verändert, dass man uns nicht mehr erkennt. Es ist immer noch SILENT OVERDRIVE. Für uns ist es wichtig, dass wir nicht auf der Stelle treten. Andererseits wollen wir uns auch nicht zu sehr verändern. Wir werden einfach so weitermachen und unseren Stil verfeinern.

Jetzt gehen wir ein wenig von der Musik weg und widmen uns anderen Fragen. Was hat es mit dem Cover von "Wake Up Call" auf sich? Hat die Gasmaske irgendeine Verbindung zu euch oder eurer Musik?

Wir versuchen immer, ein cooles Cover hinzubekommen. Diesmal ist es besonders gut gelungen. Dieses betont Kühle und Militärische soll eine düstere Zukunft veranschaulichen.

Habt ihr mit der Musik angefangen, weil ihr bekannt und beliebt werden wolltet?

Wer hat das nicht? (lacht) Nein, aus solchen Gründen sollte man keine Musik machen. Das ist sowieso nicht planbar. Träume hat jeder, wobei wir ja auch schon älter sind und die Realität ein wenig besser kennen. Wir lieben es einfach, live zu spielen und wir haben Spaß an der Musik, die wir spielen! Angefangen hat wohl jeder, weil er Musik liebt und das einfach selbst machen wollte. Und dann hat es uns einfach nicht mehr losgelassen. Es hat uns fest im Griff und verlangt Dinge von uns!

Ihr seid nicht mehr die allerjüngsten im Geschäft, immer mehr blutjunge Bands kommen nach oben. Nun seid ihr zwar nicht unbekannt, aber auch nicht gerade eine echte Größe im Metal. Glaubt ihr, dass ihr noch mal einen richtigen Durchbruch habt und groß rauskommt?

Nun ja, das kann man nie wissen! Aber das Ziel ist ein anderes. Man darf sich nicht auf so etwas versteifen. Die Leute merken es, wenn man ihnen was vormacht. Es gibt so viele Bands, die über Nacht groß rauskommen und bei denen nix dahinter steckt. Das ist dann aber meist nicht von Dauer und solche Bands sind oft bald wieder vergessen.
Gerade heutzutage ist es echt schwer, im Musikgeschäft richtig bekannt zu werden oder sogar davon leben zu können. Meistens hat es nur mit Zufall und guter Promotion zu tun.

Was haltet ihr von dem aktuellen Trend, immer mehr Bands mit immer weniger Spielzeit auf Touren oder kleinere Festivals zu packen?

Alles hat ja zwei Seiten! Auf der einen Seite können wir den Veranstalter schon verstehen, der sich dadurch absichern will. Je mehr Bands, desto mehr Leute bringen die mit. Aber die Rechnung geht so nicht auf. Man hat keine ausreichende Spielzeit mehr um sich zu dem Publikum zu präsentieren. Kaum steht man auf der Bühne, ist schon wieder alles vorbei. Wie sollen sich die Leute da ein Bild von einer Band machen? Außerdem kann es echt anstrengend für den Zuschauer sein, wenn man so viele Bands spielen lässt. Auf Festivals ist das in Ordnung, aber mittlerweile ist ja fast jedes Clubkonzert ein kleines Festival. Man muss aufpassen, dass man dadurch nicht die Musik abwertet.

Könnt ihr euch vorstellen, euch ein wenig von der knallharten Musik, die ihr im Moment macht, loszulösen und mal etwas Experimentelles zu schreiben? Oder bleibt ihr eurem Stil treu und versucht, ihn weiterzuentwickeln?

Experimente sind schön und gut, aber bei uns eher in einzelnen Riffs zu suchen. Wir bleiben uns lieber selbst treu und entwickeln unseren Sound weiter. Aber man sollte ja niemals nie sagen! (lacht)

Was machen harte Kerle wie ihr im richtigen Leben außerhalb der Bühnen und Proberäume? Oder verdient ihr mit der Band euren Lebensunterhalt?

Nein, leider müssen wir arbeiten gehen. Wir haben alle ganz normale Jobs. Zwei von uns studieren außerdem. Ist manchmal gar nicht so einfach, das zeitlich unter einen Hut zu bekommen. Ansonsten bereiten wir nebenher die Invasion von Aliens vor!

Was wäre der größte Wunsch für eure Band?

Die Weltherrschaft an uns zu reißen! Hehe, nur Spaß, eine Tour wäre echt mal wieder cool. Ansonsten wollen wir einfach weiter zusammen Musik machen und so viel wie möglich live spielen. Wir sind und bleiben eine Live-Band!

Dann bedanke ich mich für das nette Interview und wünsche euch noch viel Spaß und viel Erfolg und hoffe auf eine weitere gute Platte. Euch gehört selbstverständlich noch das letzte Wort!

Vielen Dank für das Interview! Und an euch da draußen: Checkt unsere Pages (siehe Bandbio). Dort könnt ihr euch auch neue Songs anhören oder downloaden! Aber am besten kommt ihr auf ein Konzert von uns! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und möge die Macht mit euch sein!
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