In Flames Times Of Grace & Sylosis

In Flames, Times Of Grace & Sylosis

In FlamesSylosisTimes Of Grace
Leipzig, Hellraiser
02.06.2011
IN FLAMES hatten sich als Warm Up für die Festivals des Sommers drei kleine Clubkonzerte ausgesucht und machten so also Station in Arhus in Dänemark, Berlin und Leipzig. Für Leipzig wählten sie den Hellraiser, gelegen im Vorort Leipzig-Engelsdorf und mit einem Fassungsvermögen von etwas mehr als 1000 Zuschauern. Die Anfahrt aus Berlin war fix geschafft und so vertreiben sich die Schweden die Zeit damit in der Sonne zu sitzen und schon nachmittags am „Leipziger Hauptbahnhof“ das eine oder andere Bier zu trinken. Dass es aber dann doch wohl nur die Bahnhofskneipe des Engelsdorfer Güterbahnhofs war, musste ihnen dann später der Bloodchamber Redakteur erklären.

Mit etwas Verspätung öffnen sich die Schleusen zur Hölle oder doch nur der Eingang des Hellraisers. Heute ist man dank Security aus Chemnitz besser auf den Einlass in den ausverkauften Club vorbereitet als man das einige Male vorher war. Blick nach rechts, alle T-Shirts 20€. Blick nach links: Theke. Die Entscheidung fällt einfach, jedenfalls den mittlerweile zu zweit anwesenden Bloodchamber Redakteuren. Neben Personen auf der heute knapp gehaltenen Gästeliste gibt es auch noch freien Eintritt für 100 Gewinner eines Gewinnspiel eines Mobilfunkanbieters, der scheinbar IN FLAMES sponsort.

Ein Blick Richtung Bühne und man erfährt, dass Bandsponsoring groß in Mode zu sein scheint. Auf den Aufstellern von SYLOSIS prangt besser platziert als der Bandname der Aufdruck eines Kräuterlikörs. Punkt 20:30 Uhr legen die Engländer los, die schon zwei Alben über Nuclear Blast vorweisen können und bei denen sofort der Eindruck entsteht, dass sie bei der Bandgründung vor zehn Jahren sehr viel FEAR FACTORY und MACHINE HEAD gehört haben müssen. Kalter, technischer Thrash Metal schallt von der Bühne und vor allem die Double-Bass bläst bei den ersten beiden Songs alle Frisuren nach hinten. Aber auch danach wird es nicht leiser, nur etwas besser. Der Hall auf dem Mikro bleibt auch und SYLOSIS erhalten dann doch aus den ersten Reihen von der jüngeren Fraktion Höflichkeitsapplaus. Aber auch nur diese 20 Leute beteiligen sich an lustigen Wall Of Death und Circle Pit Spielchen. Nach 30 Minuten fordern SYLOSIS noch zum Kauf einer CD auf, denn wenigstens hat man im Gegensatz zu den beiden anderen Bands welche dabei.

TIMES OF GRACE verzichten nämlich genau wie der Headliner auf den Verkauf von Tonmaterial. Die Band setzt sich aus KILLSWITCH ENGAGE Mastermind Adam Dutkiewicz und seinem ersten Sänger Jesse Leach zusammen. Adam schrieb die Songs während eines Krankenhausaufenthaltes aufgrund von Rückenproblemen im Jahr 2007, spielte alle Instrumente ein und steuerte den Background-Gesang zu.
Im Hellraiser steht man nun aber zu fünft auf der Bühne, den Bass und einen Teil des Background-Gesangs übernimmt SHADOWS FALL Gitarrist Matt Bachand, die Gitarre Joel Stroetzel (auch KILLSWITCH ENGAGE) und am Schlagzeug sitzt ex-ENVY ON THE COAST Mitglied Dan Gluszak. Mit der ersten Single „Strength in numbers“ steigen die US-Amerikaner um 21:20 Uhr in ihren ersten Auftritt in Europa ein und Sänger Jesse Leach bedankt sich später noch ein paar Mal auf der Bühne dafür, dass man es ihm ermöglicht hat überhaupt mal nach Europa zu kommen. Wenn er aber weiterhin bei dieser gesanglichen Leistung bleibt, wird es aber auch das letzte Mal gewesen sein. Die cleanen Parts bekommt er super hin, aber auch Adam D. zeichnet hier durch Gesangskünste aus, nur bei den Schreiparts klappt dauernd die Stimme weg oder er wird sehr leise. TIMES OF GRACE scheinen aber durchaus Spaß zu haben, Adam D. rennt wie ein Verrückter mit seiner hochgebundenen Gitarre auf der Bühne rum und auch Jesse bedankt sich desöfteren beim Publikum. Dieses reagiert aber äußerst zurückhaltend und als nach 30 Minuten schon Schluss ist, ist der am häufigsten gehörte Satz: „Wer war das und warum durften die hier mitspielen?“

Nach kurzen 30 Minuten Umbaupause betreten dann IN FLAMES unter lautem Jubel die Bühne und drei Viertel des Hellraisers singen mit und hüpfen. So etwas hatte ich nicht erwartet, kannte ich die Band doch bisher nur von Festivalauftritten und von CD. Original-Schlagzeuger Daniel Svensson hatte man zu Hause gelassen um seine Frau bei der Geburt zu helfen und durch ex-EVERGREY und DEATH DESTRUCTION Trommler Jonas Ekdahl ersetzt. Anders Fridén, jetzt mit kurzen Haaren, freut sich, dass es so viele Leute doch noch her geschafft hätten und diese noch so fit seien. Er hätte gehört man würde diesen Tag Herrentag nennen und alle Männer würden sich in der Natur betrinken gehen. Das sei also wie ein normaler Tag in Schweden. [bjg]

Von Normalität kann am heutigen Abend jedoch nicht wirklich die Rede sein. Denn auch meine persönlichen Erwartungen sind aufgrund der lustlosen und sich hinter pyrotechnischem Schnickschnack versteckenden Festivalauftritte von IN FLAMES eher gemäßigter Natur. Heute jedoch zeigen die Schweden jedem Zweifler, dass sie nicht zu Unrecht ihren jetzigen Status innehaben. Sehr engagiert, mit dem Publikum interagierend („Ich heiße nicht Andreas, aber du bist nah dran“) und selbstverständlich mit den aktuellen Hits im Gepäck haben sie das Publikum vom ersten bis zum letzten Ton komplett im Griff. Hier braucht es keine Anfeuerungsrufe von der Bühne, die dicht gedrängte Masse ist textsicher bis zur letzten Silbe, reckt wie von selbst die Fäuste und die klatschenden Hände in die Luft und braucht, wie vor allem die älteren Herren wohlwollend zur Kenntnis nehmen, keine pseudo-gewalttätigen Gesten, um sich zu verausgaben. Die auf der Bühne platzierten Scheinwerfer setzen die Musiker in eine vernebelte, farbenfrohe und stimmungsvolle Szenerie, da braucht es auch kein Feuerwerk, damit es einem warm ums Herz wird.
Man mag der Band diverse Entwicklungsschritte übel nehmen, aber selbst der größte Nörgler muss sich an diesem Abend eingestehen, dass IN FLAMES einfach „funktionieren“ - in Clubs noch viel besser als auf der großen Sommerbühne. Anders ist sicher nicht der größte Sänger und wird es wohl auch nie sein. Dennoch drückt er seiner Band einen individuellen Stempel auf, der durch tolle Melodien, mitreißende Rhythmen und euphorische Fans einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Schade, dass nach der rund 75 minütigen Show dem Publikum nicht einmal die Chance auf eine Zugabe gegönnt wird. Die muss man sich dann wohl selbst während der November-Tour holen.[cr]

Setlist IN FLAMES:

Cloud Connected
Trigger
Alias
Pinball Map
Delight & Angers
Deliver Us
Only for The Weak
Disconnected
Mirrors Truth
Where Dead Ships Dwell
System
Leeches
Come Clarity
Quiet Place
Touch Of Red
Take This Life
My Sweet Shadow

Bildergalerie

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