Ewigkeit - Conspiritus

Ewigkeit - Conspiritus
Progressive Rock
erschienen am 29.08.2005 bei Earache Records
dauert 45:41 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Intro-The hypothesis
2. It's no reality
3. Square sunrise
4. The nightmare institution
5. Far away from heaven
6. Transcend the senses
7. The thought police
8. How to conquer the world
9. Theoreality
10. Conspiritus

Die Bloodchamber meint:

Planet Erde, 2005 a.d.
Gesellschaft wie Individuum sind zur Farce verkommen und wenig mehr als Spielbälle global operierender Unternehmen sowie allmächtiger Medienkonzerne. Die Grenzen zwischen realem Geschehen und vermittelter Realität haben sich längst aufgelöst, während Milliarden zusammengeschusterter Baukasten-Egos durch Konsumwelten und fortschreitende Technologisierung das gute Gefühl gegeben wird, alles erreichen und begreifen zu können - Lifestyle und Individualität als Beschäftigungtherapie für ein Heer ewig Suchender. Denn wer suchet, der denket nicht...

Das ist in etwa die Situation, mit welcher Ewigkeit sich auf ihrem neuesten Konzeptalbum "Conspiritus" auseinandersetzen. Es geht um Verschwö- rungen, Unterdrückung, selbstgewählte Sklaverei und den institutionell geförderten - ja, geforderten - Realitätsverlust, im Zuge dessen der Geist, das Wesen Mensch sich aufzulösen droht wie ein Tropfen im Ozean. Entsprechend dieser Konzeption fliessen die Songs dann auch nahtlos ineinander über, was mit fingierten Telefonanrufen und diversen filmartigen Zwischenstücken fast schon für Soundtrackfeeling sorgt.
In musikalischer Hinsich fällt zunächst die enorme Tiefe der Kompositionen auf: Hinter einem Gerüst aus simplen Gitarrenriffs türmen sich meist mehrere Schichten dicker Synthieklänge, die in dieser Verbindung zunächst an Pain erinnern, dann wieder an Pink Floyd (sphärische Soundland- schaften) oder gar an Hallentechno inklusive flickernder Strobos. Auch die Bombastrocker von KLF haben bei Ewigkeit mit Sicherheit ihren Eindruck hinterlassen (v.a. „The Thought Police“). Und als ob das noch nicht genügen würde, finden schliesslich auch Hammondorgel, Mundharmonika und Violine ihren Platz auf dem durchweg hochmelodischen „Conspiritus“.
Im Ergebnis pendelt – oder besser: fliesst – das Album zwischen tanz- kompatiblen Abgängern vom Kaliber „It's not Reality“, „The Nightmare Institution“ oder „Far away...“ und eher entspannten Nummern wie „Square Sunrise“, dem grandiosen, mit einer Ghandi-Rede unterlegten „Transcend the Senses“ und dem akkustisch begleiteten Titelstück. In „Theoreality“ finden sich nebenher auch folkloristische Einsprengsel, die dem trotz aller Technik sehr warmen Material gut zu Gesicht stehen, während der Pseudo-Livetrack „How to conquer...“ aufgrund des euphorischen Publikums atmosphärisch stark an eine Hitlerrede erinnert – da bekommt man schon mal Gänsehaut.
Das Grossartige an Ewigkeit ist die Dynamik der Songs. Von Anfang bis Ende fliesst die Platte förmlich in den Hörer hinein, ebbt ab, türmt sich wieder auf und spielt fernab jeglicher Berührungsängste mit den reizvollen Gegensätzen zwischen Rock und Elektronika. Wo eine Band wie Pain im Endeffekt noch in den Strukturen des Metal verharrt, geht James Fogarty einen Schritt weiter und jongliert in gleichem Masse mit Arrangements, die wohl eher der technoiden oder auch klassischen Szene entstammen – ein Wagnis, das sich zweifelsfrei gelohnt hat.
Stimmlich hat man den Deathtendenzen vergangener Alben mittlerweile komplett entsagt und setzt auf hymnischen bis leicht verzerrten Klargesang, der das Material perfekt ergänzt.

Wenn ihr also mit Pain etwas anfangen und Synthesizer auch dann noch leiden könnt, wenn sie nicht nach Konservenorchester klingen, steht Weihnachten schon jetzt vor der Tür. Und da ich zudem trotz Dauerrotation bisher noch keine Abnutzungserscheinungen feststelle, kommen für das von John Fryer (NIN, Paradise Lost) druckvoll produzierte „Conspiritus“ eigentlich nur starke 9 Punkte in Frage – Kaufempfehlung versteht sich von selbst.

Den Opener „It's not Reality“ findet ihr übrigens hier:
http://www.myspace.com/ewigkeit23
-