Trommeln in der Finsternis...


Interview mit Summoning
Epic Black Metal aus Österreich
Summoning aus Österreich gehören seit langem zu den eigenständigsten Erscheinungen im Black Metal und dürften den Tolkien-Jüngern unter euch nicht zuletzt aufgrund ihrer superben Diskografie ans Herz gewachsen sein.
Daher war es im Vorfeld der neuen Scheibe "Oath-Bound" an der Zeit, Silenius und Protector für ein paar klärende Aussagen an die Tastatur zu locken - viel Spass dabei...

Hallo ihr beiden, in ein paar Wochen steht nun nach langem Warten euer neuer Streich “Oath Bound” an, was einigen Leuten die Hoffnung auf gute Musik zurück geben dürfte. Was habt ihr denn in all der Zeit getrieben (“Lost Tales” war ja auch eher älteres Material)?

Protector:
Der Grund für die lange Verzögerung war die Arbeit an meinem anderen Musikprojekt "Die Verbannten Kinder Evas". Die Stücke für deren neue CD sind schon seit über 2 Jahren fertig komponiert, jedoch hatte bis zuletzt der weibliche Gesang gefehlt, da die damalige Sängerin die Aufnahmen 18 Monate lang hinausgezögert hat.
Da ich aber zuerst DVKE, dann Summoning fertigstellen wollte, hat sich mit DVKE auch der Release von Summoning verzögert, bis es mir schliesslich dann doch zu blöd wurde und ich Summoning vorgezogen habe. Zudem war auch Silenius mit seinem anderen Projekt "Kreuzweg Ost" mehr als beschäftigt.

Auf eurem letzten Lebenszeichen "Lost Tales" sind auch einige elektronische Elemente aufgetreten (“Arcenstone”), die dem typischen Trademarksound nicht ganz schlecht zu Gesicht standen. Waren das Überbleibsel deiner synthetischen Tage mit Ice Ages?

Protector:
Der Grund für die elektronischen Elemente war, dass dieser Song ja nicht wirklich für Summoning, sondern für ein kurzzeitig geplantes Projekt von Silenius war, welches eben die Melodien von Summoning mit etwas experimentelleren Klängen vereinen sollte. Dieses Projekt wurde nie wirklich realisiert, da wir das Stück aber nicht in der Vergessenheit enden lassen wollten, haben wir es auf "Lost Tales" draufgegeben.
Mit Ice Ages hat das nichts zu tun, die Wahl der Sounds stammte von Silenius. Abgesehen davon ist Ice Ages nichts Vergangenes, sondern ein genauso wichtiges Projekt für mich wie Summoning, und nach DVKE ist mit einer neuen Ice Ages-CD zu rechnen.

Dem Vernehmen nach habt ihr auf der anstehenden Scheibe zum ersten Mal mit einem Chor gearbeitet – wie kam es dazu? Und wie wirkt es sich deiner Meinung nach auf dn Gesamtsound aus?

Protector:
Naja, das ist so nicht ganz korrekt. Auf dem letzen richtigen Album war im Song “Farewell” auch ein Chor zu hören; zwar mit etwas weniger Stimmen, aber doch eindeutig in die Chor-Richtung (Anm.des Autors: Naja, das klingt schon eher nach gesampeltem Klargesang, als nach dem, was ich mit einem Chor verbinde).
Da sich diese Idee bewährt hatte, wollten wir auch auf dieser Veröffentlichung nicht darauf verzichten. Wir finden, dass ein Chor recht gut spezielle Melodien von uns hervorhebt und den Sound erweitert.

Habt ihr dafür extra etwas andere Stücke komponiert – oder habt ihr bestimmte Keyboard-Spuren einfach mit Chor umgesetzt?

Protector:
Zweiteres war der Fall. Wir haben eigentlich erst recht spät beschlossen, dass wir einen Chor benutzen und welche Melodien wir nachsingen - insofern war das die praktischste Möglichkeit.

Gibt es abseits davon auch wieder weibliche Gesangsparts oder ähnliche Feinheiten?

Protector:
Nein, das wird es nicht geben und ist auch für die absehbare Zukunft nicht geplant.

Ein zentrales Element eurer Musik sind (in meinen Ohren) die vielschichtigen und bombastisch arrangierten Drums/Percussions – wie viel eurer Kompositionszeit geht denn dafür ehrlich drauf?

Protector:
Das ist völlig richtig, die Drums sind ein wesentlicher Bestandteil des Summoning-Sounds und auch überdurchschnittlich laut abgemixt. Im Gegensatz zu normalen Metalbands sind die Drums auch viel mehr auf bassige Trommeln und Marschrhythmen konzentriert, und geben den Songs so immer auch eine charakteristische Note.
Normalerweise bin ich allein für die Drums zuständig. Das dauert meistens nicht allzu lange - ist fast schon wie ein spontanes Dazuspielen zum Rest der Musik. Allerdings kann es an anderen Tagen zu Verfeinerungen kommen, das ist ganz unterschiedlich.

Die Melodien von Summoning haben desöfteren diesen leicht mittelalterlichen Touch, weswegen ich mich frage, ob es 1.) soviel österreichische Folklore gibt, oder 2.) ihr einfach nur ein Händchen für diese Melodik habt – woher kommt die musikalische Inspiration?

Protector:
Naja, das Wort “mittelalterlich” finde ich zwar nicht ganz so treffend, obwohl es sehr oft benutzt wird - ich würde eher allgemein “historisch” sagen, denn Streichorchester-Sounds gab es im Mittelalter gar nicht.
Auf jeden Fall versuchen wir nie, jetzt speziell altertümlich zu klingen; es ist uns einfach wichtig, dass die Songs melodiös sind und ich würde dafür vielleicht eher das Wort “episch” verwenden.

Lyrisch hingegen haltet ihr seit jeher an Mr. Tolkien's Werken fest – was war eigentlich damals der Grund dafür, die Gedichte dieses Mannes zu vertonen?

Silenius:
Ich war schon seit meiner frühesten Jugend Fan von seiner Literatur, obwohl ich ehrlich gesagt erst relativ spät auf Tolkien gestossen bin - so etwa mit 16. Von diesem Zeitpunkt an verschlang ich alles, was von oder über Tolkien im Handel erhältlich war.
Die Idee, die bildliche Welt von Mittelerde musikalisch zu vertonen, entstand bei Summoning, aber nicht von Anfang an - so richtig begann das, als unser Schlagzeuger Trifixion die Band verliess, die Musik langsamer und epischer wurde, und wir auch textlich und konzeptionell einen Gegenpart zu Abigor erstellen wollten, deren Sänger ich ja damals war.

Was sind deiner Meinung nach Gründe dafür, dass viele Musiker der dunkleren Gefilde ihre Namen aus Tolkien's Werk entnehmen?

Silenius:
Tolkien war einer der wenigen Fantasyautoren, der nicht nur wenige Wortfetzen einer eigenen fiktiven Sprache verwendete, sondern gleich mehrere Sprachen vollständig kreierte, was ja eigentlich seine Grundleidenschaft war. Die Legenden hinter dieser Sprache kamen erst nach und nach.
Im Gegensatz zu den Fantasy-Wortgebilden minderer Autoren klangen die Namen und Sprachen von Tolkien einfach nur edel und somit war klar, dass dies viele Fans und Bewunderer nach sich zog. Unter anderem eben auch uns.

Stichworte: Black Metal, Corpsepaint, Synonyme – Sprachen und Masken (bzw. “wahre” Namen, das “wahre” Gesicht) scheinen eine bestimmte Faszination auf den Menschen auszuüben, da sie dem Wissenden Macht gewähren, den Unwissenden jedoch ausschliessen. Wie kommt es, dass diese Sachen im BM so verbreitet sind?

Silenius:
Ich verstehe nicht ganz, inwieweit Tolkiens Spracherfindungen etwas mit Masken zu tun haben. Wenn du allerdings die Verwendung von Pseudonymen meinst, so hat das mit den Spracherfindungen von Tolkien nichts zu tun, sondern Pseudonyme sollten einzig und alleine dem Konzept einer Band dienlich sein.
Es würde einfach keinen Sinn machen, als Musiker dem Tolkien-Konzept zu frönen und sich dann Hansi Müller zu nennen und als Bandfoto ein Sauffoto vom letzten Kinderfasching zu verwenden, um es mal krass zu formulieren.

Im Vorfeld von “Let Mortal Heroes...” war zu hören, dass ihr auf zukünftigen VÖ evtl. auch andere (eigene?) Lyrics integrieren wollt – wie sieht es diesbezüglich auf “Oath Bound” aus?

Silenius:
Genauso wie schon bei den beiden Vorgängeralben. Auch diesmal haben wir neben direkt aus Tolkiens “Silmarillion” übernommenen Gedichten ein paar anderweitige Lyrics verwendet, die aber in das Gesamtkonzept passen.
Der Ork-Text wurde zum Beispiel von einem Freund von uns verfasst, ein anderer stammt aus einem unbekannten Kriegsgedicht und die Texte der Chöre habe ich selber verfasst.

Könntet ihr euch vorstellen, auch andere Fantasy-Autoren zu vertonen, wie z. B. Tad Williams oder Robert Jordan, oder auch die dunklere Ecke um Clive Barker?

Silenius:
Es ist ehrlich gesagt nicht mein Ding, selbst Texte zu verfassen, und somit bin ich ständig auf der Suche nach neuen Inspirationsquellen. Allerdings ist es im Fantasygenre heutzutage recht schwierig, gute Gedichte zu finden, die ich für Summoning adaptieren kann, da das Einfügen von Gedichten in der heutigen Fantasyliteratur kaum mehr existent ist.
Die einzige mir bekannte Ausnahme ist wohl Michael Moorcock.

Im Verlauf der Jahre ist mir aufgefallen, dass es verdammt wenige Bands gibt, die euren Stil verfolgen, abgesehen vielleicht. von Nerthus, die allerdings noch etwas rudimentärer zur Sache gehen. Woran könnte das liegen – und wie fühlt man sich in der Vorreiter- und Monarchenrolle?

Silenius:
Auf der einen Seite hätte ich kein Problem, wenn es mehrere Bands gäbe, die ähnlich klingen wie wir, da man ja prinzipiell die Musik macht, die man auch selber gerne hören würde.
Auf der anderen Seite ist das natürlich auch ein Riesenvorteil, da wir ja schon seit ungefähr 10 Jahren alleinige und unumschränkte Herrscher in dieser musikalischen Nische sind.

Ich hatte vorhin kurz Protectors Ambientprojekt angesprochen – damit stehst du im BM-Kreis nicht ganz allein (siehe Norwegen). Welche Emotionen lässt man in dieser Art Musik raus, weil man sie im Metal nicht unterbringen kann?

Protector:
Tja, das Wort “ambient” habe ich im Zusammenhang mit Ice Ages eigentlich noch nie gehört, hehe :-)
Da fallen dann doch eher Begriffe wie Industrial, Elektro, EBM, oder auch Gothic, wohingegen Ambient für mich ja eine unrythmische, rein soundorientierte Musik ist, ohne Melodien oder feste Taktschemata.
Wie auch immer, Ice Ages drückt einfach eine total kalte, unmenschliche Stimmung aus, mit stampfenden Maschinensounds als Rhythmen und kalten Elektrosounds als Melodieträger. Das könnte ich mit Summoning niemals erreichen, da wir hier eine gänzlich andere Richtung verfolgen.

Leidiges Thema Bühnenpräsenz: Ich habe die Hoffnung fast aufgegeben – obwohl ich mir ein Summoning-Konzert mit mittelalterlichem Kammerorchester und kleinem Chor grandios vorstelle (siehe The Vision Bleak) – gibt es diesbezüglich irgend etwas, das sich geändert hat?

Protector:
Nein, es wird mit Sicherheit keine Liveauftritte mit Summoning geben. Wir sehen uns einfach eher als Komponisten denn als Musiker. Das Einspielen der Instrumente ist nicht das Wesentliche für uns, es ist eher eine lästige Pflicht als eine Erfüllung.
Daher hätten wir wohl auch keine wirkliche Freude beim Spielen unserer Songs, was sich mit Sicherheit sehr negativ auf das Konzert ausüben würde. Und das wollen wir den Fans ersparen :-)

Abschliessend würde ich euch bitten, mir noch drei Bücher zu nennen, die man nicht verpassen sollte (aktuell oder zeitlos) – und vielleicht warum:

Silenius:


"Looking for Europe"
Die Neofolk-Bibel, die sämtliche Hintergründe und szenerelevanten Informationen über dieses Genre bietet, samt der dazugehörigen CD-Box mit exclusiven Nummern aller relevanten Bands.

"Unheilige Allianzen"
Eine Bestandsaufnahme der Black-Metal-Szene und ihrer "Auswüchse".

Ansonsten sämtliche Bücher von Walter Moers.
Sarkastische und schwarz-humorige Fantasyliteratur des Kleines-Arschloch-Erfinders.

OK, dann kommen wir hiermit auch schon zum Ende. Ich danke euch beiden für das Interview und wünsche euch viel Erfolg mit der neuen Scheibe, die letzten Worte gehören euch:

Silenius:
"Up The Hammers" an all unsere Fans in Deutschland!


www.summoning.info
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